Geld oder BriefAktie nicht mehr bewertbar

Hoffnungsschimmer für Baywa-Aktionäre

Der Kurssturz des insolvenzbedrohten Agrarhandelskonzerns Baywa ist vorerst beendet. Die Nachricht, dass ein Rettungspaket für das SDax-Mitglied geschnürt werde, ist ein Hoffnungsschimmer für die Aktionäre.

Hoffnungsschimmer für Baywa-Aktionäre

Geld oder Brief

Hoffnungsschimmer für Baywa-Aktionäre

Nach einem langen Kurssturz hat die Aktie des in Schieflage geratenen Agrarhandelskonzerns Baywa jüngst eine Bodenbildung erreicht. Nachdem das Papier auf bis zu 9,50 Euro abgesackt war, drehte es am Mittwochabend ins Plus und beendete den Xetra-Handel 6,6% fester. Am Donnerstag setzte sich die Kurserholung fort. Der Titel sprang zeitweise um 26,6% auf 14,30 Euro. Ist das der Wendepunkt?

Die Anleger reagierten erleichtert auf die Nachricht, dass für das Münchner SDax-Mitglied ein Rettungspaket vorbereitet wird, bei dem die Kreditgenossen federführend agieren, wie die Börsen-Zeitung berichtete. Dadurch könnte eine drohende Pleite wegen Zahlungsunfähigkeit abgewendet werden. Das ist ein Hoffnungsschimmer für die Aktionäre des zur Genossenschaftsgruppe gehörenden Unternehmens. Ein drohender Totalverlust ihres Engagements wäre damit (vorerst) abgewendet.

Nicht in trockenen Tüchern

Sollten auch die großen Gläubigerbanken mitmachen, würde die bayerische Landesregierung die Hilfen mit staatlichen Bürgschaften abschirmen. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) signalisierte somit seine Bereitschaft, mit Steuergeldern das hochverschuldete Unternehmen aufzufangen. Denn die Causa Baywa ist längst zu einem Politikum geworden, welches über die Grenzen des Freistaats ausstrahlt. In trockenen Tüchern ist die Angelegenheit längst nicht. Eine Stützung durch Vater Staat müssten die Brüsseler Wettbewerbshüter absegnen. Das würde ein Beihilfeverfahren der EU-Kommission nach sich ziehen. Das kostet Zeit.

Too big to fail

Aufgrund ihrer Größe und Systemrelevanz insbesondere für die Landwirtschaft in Süddeutschland und in Teilen Österreichs ist Baywa in ihrer Funktion als wichtiger Versorger und Zulieferer im Primärsektor faktisch too big to fail. Das Unternehmen ist fester Bestandteil der genossenschaftlichen Waren- und Bankenverbundgruppe. Baywa ist via Überkreuzbeteiligungen mit den Genossen der Alpenrepublik eng verbunden.

Für die Volks- und Raiffeisenbanken des flächenmäßig größten Bundeslandes wären das finanzielle Risiko und der Reputationsschaden zu groß, sollten diese den Konzern fallen lassen. Damit wäre das Ergebnis einer Fortführungsprognose, mit dem Roland Berger beauftragt ist, vorgezeichnet.

Mit Blick auf die Stützungsmaßnahmen und das noch zu erstellende Gutachten der Unternehmensberater meldete die Baywa am Mittwochabend nach Börsenschluss ad hoc, ihre Jahresprognose zu kassieren und die für den 8. August geplante Bekanntgabe der endgültigen Halbjahreszahlen auf den 27. September zu verschieben.

Zusatzbelastungen drohen

Im Rahmen eines sogenannten Impairment-Tests ermittelt Roland Berger unter anderem den Wert von Vermögensgegenständen des Konzerns neu. Der Baywa drohen zusätzlichen Belastungen, sollten die Experten zum Ergebnis kommen, dass umfangreiche Firmenwertabschreibungen vorgenommen werden müssen. Das drückt zwar nicht den Cashflow, dämpft aber das Ergebnis, was wiederum auf das ohnehin abgeschmolzene Eigenkapital durchschlägt. Daher haben die von der Baywa in der Meldung ausgewiesenen vorläufigen Finanzeckdaten zum zweiten Quartal keine Aussagekraft.

Der Konzern schreibt tiefrot. Im vergangenen Jahr verbuchte die Baywa einen Nettoverlust von 93 Mill. Euro, im ersten Quartal wies der Konzern einen Fehlbetrag von 108 Mill. Euro aus. Ursächlich dafür waren ein Schub bei den Zinsaufwendungen und operative Verluste im Geschäft mit Solarmodulen. China überschwemmt den Weltmarkt mit Billigprodukten. Die Preise fallen. Die Baywa musste daraufhin Lagerbestände im Segment Regenerative Energien (Tochter Baywa r.e.) abschreiben. Der geplante Verkauf des Solaranlagengeschäfts im Ausland stockt wegen des Margenverfalls.

Diese Nachricht, die in „normalen“ Zeiten ebenfalls einen Kurseinbruch auslösen würde, ignorierten die Investoren angesichts eines sich abzeichnenden Lichts am Ende des Tunnels.

Strukturelles Dilemma

Die beiden Ankeraktionäre, die den genossenschaftlichen Primärbanken gehörende Bayerische Raiffeisen-Beteiligungs-AG (BRB, 33,8%) und die Raiffeisen Agrar Invest AG (28,3%), hinter der Waren -und Kreditgenossen aus Österreich stehen, sind am Hebel. Nach Informationen der Börsen-Zeitung sorgten die Kreditgenossen über die BRB für eine erste Kapitalspritze von 70 Mill. Euro, um kurzfristig Liquiditätslöcher zu stopfen. Kleinaktionäre und institutionelle Investoren, die zusammen 37,9% des Grundkapitals auf sich vereinen, sind bei diesen Aktionen in die Zuschauerrolle gedrängt, obgleich dieser Eigentümerblock 34.300 Anteilseigner stellt. Darunter befinden sich viele Konzernmitarbeiter und Landwirte.

Sollte die Rettung mit Hilfe der Gläubigerbanken und eines harten Umbaus (Zerschlagung) bis auf die Konzernkernbestandteile gelingen, steht mehr denn je die Frage im Raum, welchen Sinn eine Börsennotierung der Baywa überhaupt hat. Denn der genossenschaftliche Verbundgedanke steht im Widerspruch zur Stake- und Shareholderorientierung börsennotierter Publikumsgesellschaften. An diesem Interessenkonflikt krankt die Baywa. Daran ist sie mit ihrer Equity Story nun gescheitert. Ein Abschied der seit 2002 börsennotierten Firma vom Handelsparkett (Delisting) wäre ein Weg, dieses Dilemma aufzulösen.

Nicht mehr bewertbar

Aufgrund der Existenzkrise lockt die Aktie Zocker an. Wer zuletzt bei 10 Euro eingestiegen ist, kann sich über ein Plus auf dem Kurszettel von 40% freuen. Zum Vergleich: Das Papier des defizitären und hochverschuldeten deutschen Branchenprimus krachte um bis zu 60% ein, nachdem das Unternehmen sich vor zwei Wochen selbst zu einem Sanierungsfall erklärt hatte. Am 12. Juli warnte der Vorstand ad hoc vor einer „angespannten Finanzierungslage“. Dieser Offenbarungseid war für den Markt ein Schock. Der Titel fiel auf das Niveau von 2003 zurück.

Ende 2022 hatte der Anteilschein ein Allzeithoch von 49 Euro erreicht. Seitdem lösten sich 1,4 Mrd. Euro an Marktkapitalisierung in Luft auf. Derzeit bringt die Firma am Markt 550 Mill. Euro auf die Waage.

Im diesem Chaos ist das Papier nach üblichen Kriterien – wie dem Kurs-Gewinn-Verhältnis – nicht mehr bewertbar. Warburg („Halten“) und das Bankhaus Metzler („Kaufen“) stellten ihre Einstufungen ein. Daran wird sich bis auf Weiteres nichts ändern.

Von Stefan Kroneck, München
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