Italien wird zum Paradies für Anleger
Italien wird zum Paradies für Anleger
Staatsanleihen outperformen deutsche Bonds und die Aktienkurse explodieren
Italien stand in den vorigen Jahren nicht im Fokus der Anleger. Das könnte sich allerdings ändern. Das Land hat international an Glaubwürdigkeit gewonnen. Der Aktienmarkt boomt bereits seit längerem, und die Staatsanleihen outperformen deutsche Bonds. Doch es gibt auch Risiken wie die hohe Verschuldung.
bl Mailand
Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hat sich Italien zum Paradies für Anleger entwickelt. Der Aktienmarkt eilt von Rekord zu Rekord und schlägt im Zweijahresvergleich sogar die Nasdaq. Und trotz eines Defizits von 7,2% im vergangenen Jahr und einer Verschuldung von knapp 138% des Bruttoinlandsprodukts haben italienische Staatsanleihen zuletzt deutsche Bonds outperformt.
Die jüngste Anleihe für Sparer und Kleinanleger BTP Valore wurde Rom vor vier Wochen geradezu aus den Händen gerissen. 18,3 Mrd. Euro für einen sechsjährigen Bond nahm der italienische Staat ein. Die Käufer erhielten Zinssätze von 3,25% für die drei ersten Jahre und 4,5% für die drei folgenden. Angesichts der leichten Entspannung an der Zinsfront war die Platzierung für den Staat sogar etwas günstiger als Ende des vergangenen Jahres. Die Rendite lag bei 3,77%. Für zehnjährige Anleihen liegt sie bei 3,66%.
Die Bedingungen für die Refinanzierung italienischer Schulden dürften sich mit den tendenziell sinkenden Zinsen noch verbessern. Und der Renditeabstand zwischen deutschen und italienischen zehnjährigen Anleihen, der nach der Wahl der rechtsnationalen Regierung unter Giorgia Meloni im September 2022 auf bis zu 250 Basispunkte gestiegen war, ist seither massiv zusammengeschrumpft. Zeitweise sank er auf bis zu 122 Basispunkte und liegt derzeit bei 132 Punkten.
Nach den jüngsten Zahlen der Banca d’Italia hat der italienische Staat in diesem Jahr bereits ein Drittel seiner gesamten Refinanzierungspläne erfüllt: 112 Mrd. Euro. Dabei sind die Zinsen erstmals seit Ende 2020 leicht zurückgegangen. Insgesamt allerdings steigt der Schuldendienst des italienischen Staates wegen der höheren Schulden in diesem Jahr gegenüber 2023 voraussichtlich um 10 Mrd. Euro auf 89 Mrd. Euro.
Rom hat es trotz der tendenziell sinkenden Zinsen eilig, die Refinanzierungen für dieses Jahr schnell unter Dach und Fach zu bringen. Die Ausgabe von zwei weiteren Anleiheprogrammen über insgesamt mindestens 19 Mrd. Euro mit Laufzeiten von drei bzw. sieben Jahren steht bevor. Die Fälligkeit der Schuldentitel ist von 6,97 Jahren Ende 2023 zuletzt auf 7,03 Jahre gestiegen. Erfahrungen aus der Vergangenheit lehren Rom, vorsichtig zu sein. Man weiß nie, wie lange die positive Tendenz anhält.
Premierministerin Giorgia Meloni freut sich über die „sehr interessante Dynamik im Hinblick auf italienische Staatstitel“ und darüber, dass man auch im Ausland die „Solidität unserer Wirtschaft sieht“. Ausländische Gläubiger halten zwar nur etwas mehr als ein Viertel der italienischen Schulden (siehe Grafik), doch haben sie zuletzt stark zugegriffen und etwa 80% der angebotenen Anleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren abgenommen.
Besonders positiv sieht Rom das Interesse der Kleinanleger, um deren Gunst beim jüngsten BTP Valore das Finanzministerium intensiv mit Werbespots warb. Schon 2023 hatte der Staat mit zwei Ausgaben des BTP Valore 35 Mrd. Euro bei Kleinanlegern eingesammelt. Finanzminister Giancarlo Giorgetti schlägt so gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe: Er findet Abnehmer für die hohen Milliardenbeträge aus dem Besitz der Europäischen Zentralbank, die refinanziert werden müssen, und einheimische Anleger halten die Titel meist bis zu ihrem Ablauf. Die Kleinanleger halten mittlerweile 13,7% der Schulden des Landes. Ende 2022 waren es erst 8,7%. Die Sparer selbst haben das Gefühl, ihr Geld gut und sicher anzulegen.
Die Stimmung für Italien ist gut. Die Wirtschaft ist 2023 um 0,9% gewachsen. Für 2024 werden 0,7% prognostiziert. Italien profitiert von den Mitteln des Europäischen Wiederaufbauprogramms Next Generation, dessen größter Nutznießer das Belpaese mit mehr als 190 Mrd. Euro ist. Außerdem hat ein ungewöhnlich großzügiges Programm zur ökologischen Sanierung von Gebäuden der Wirtschaft Impulse gegeben: Der Staat erstattete Eigentümern die Kosten für die energetische Sanierung von Gebäuden vollständig und gab noch 10% der Investition dazu. Die Inflation ist mit 0,6% sehr niedrig. Der Bankensektor ist sehr solide.
Gute Renditen
Kurzfristig rechnet etwa die DWS mit einem Anhalten der positiven Tendenz. Anleger auf der Suche nach guten Renditen können sich also freuen – sofern sie ein gewisses Risiko nicht scheuen. Denn die aus dem Ruder gelaufenen Ausgaben für die ökologische Sanierung von Gebäuden von bisher mehr als 150 Mrd. Euro, hohe Zinsen und geostrategische Unsicherheiten bergen Gefahren.