Kaldemorgen rät zu mehr Aktien

DWS-Top-Manager bleibt zuversichtlich für Dividendentitel - Flossbach erwartet höhere Vermögenspreise

Kaldemorgen rät zu mehr Aktien

wrü Mannheim – Kleiner Scherz von Finanzvermittlern auf dem Fondskongress in Mannheim: Was haben Altkanzler Gerhard Schröder und Schalke 04 gemeinsam? Ein Hinweis: Die Knappen machen Trikotwerbung für Gazprom. Beim Auftritt Schröders, der im Samtanzug als Hauptredner zum Thema Nachhaltigkeit fungierte, war der Saal jedenfalls gerammelt voll. Für Budenzauber sorgte Trigema-Chef Wolfgang Grupp, der anmerkte, dass die Amerikaner jemanden zum Präsidenten gewählt hätten, der sechsmal Pleite gemacht habe: “Da frage ich mich, sind die eigentlich besoffen?” Von diesem Spruch war auch Moderatorin Dunja Hayali begeistert.Für Unterhaltung war also gesorgt. Doch bewegte das Fachpublikum vor allem die Frage, wie es nach dem exzellenten Aktienjahr an den Kapitalmärkten weitergeht und welche Fonds eine Alternative im Null- bzw. Negativzinsumfeld bieten können. Die DWS hat ihre Kunden extra befragt, was diese im Moment bei Kapitalanlagen am meisten bewegt. An erster Stelle rangieren dabei die Negativzinsen, zweitens kommen Immobilien und danach erst folgen nachhaltige Finanzprodukte.Und was sollten Anleger in einer Welt ohne Zinsen jetzt machen? “Angesichts der negativen Zinsen würde ich weiter dazu raten, mehr in Aktien zu investieren”, sagte DWS-Top-Fondsmanager Klaus Kaldemorgen im gut gefüllten Saal 1 in Mannheim. Das sollte aber jeder seiner Meinung nach gemäß seiner Risikopräferenz tun. Von Festverzinslichen hält der Mischfondslenker eher wenig. “Vor allem ist jede Aktie attraktiver als Credit”, so Kaldemorgen beim abschließenden Fondsmanagergipfel. Im Durchschnitt machten ihm die Bewertungen von Aktien keine Angst, für den Gesamtmarkt bestehe noch Potenzial. Allerdings wachse die Divergenz zwischen hochspekulativen Titeln und moderat bewerteten Aktien. “Bestes Beispiel dafür ist Tesla”, sagte der erfahrene Börsianer. Dass Tesla inzwischen mehr wert sei als VW zeige, dass bei Tesla sehr viel Zukunft eingepreist sei. Entsprechendes gelte für einige andere Titel.Kaldemorgen bekundete seine Sympathie für langweilige, meist europäische Aktien, die eine hohe Dividendenrendite bieten. “Zinsen gibt es nicht mehr, da sehen die Dividendenrenditen sehr attraktiv aus”, erklärte Kaldemorgens Kollege Thomas Schüßler, der bei der DWS das Dickschiff Top Dividende lenkt. Im Nullzinsumfeld könne man keine Rendite erzielen, ohne ein gewisses Risiko einzugehen. Unter Risikoaspekten plädierte Kaldemorgen bei Aktien für eine Kombination aus US-Wachstumswerten mit vielleicht langweiligen, aber “vernünftig bewerteten” europäischen Titeln.Doch nicht nur Schröder, Grupp und Kaldemorgen zogen in Mannheim zahlreiche Besucher an. Auch der Vortrag von Bert Flossbach, Fondslenker beim und Mitinhaber des Vermögensverwalters Flossbach von Storch stieß auf großen Anklang. “Was für Davos gilt, gilt auch für Mannheim”, sagte Flossbach, denn mit 27 Vorträgen stehe das Thema Nachhaltigkeit – nach Aktien mit 31 Vorträgen – auch hier im Mittelpunkt. Es gelte, ESG wirklich in den Investmentprozess zu integrieren. Das müsse jeder Fondslenker selbst machen und sich nicht auf die Urteile der Agenturen, die Nachhaltigkeitsratings anbieten, verlassen. Diese fielen, wie Flossbach am Beispiel VW und Tesla aufzeigte, für einzelne Aktien zum Teil sehr unterschiedlich aus. Wichtig sei zudem nicht nur das E, sondern auch das G. Der Fondsmanager wörtlich: “Wenn ein Gauner eine Solarfirma führt, dann nützt es den Investoren auch nichts, wenn die Sonne scheint.” Dies hätten “wir alle” schon einmal vor rund zehn Jahren erlebt. Bescheidenes WachstumDie 20er-Jahre dieses Jahrhunderts würden ein “Jahrzehnt der Finanzrepression” werden. Das Wachstum bleibe mit rund 2 % pro Jahr bescheiden. Aufgrund einer Deglobalisierung sowie eines zunehmenden Klimaschutzes, der koste, werde die Teuerungsrate in Europa und den USA auf rund 2 % im Jahr anstiegen. Es komme zu einer selektiven Vermögenspreisinflation, von der Sachwerte wie Aktien und Immobilien profitierten.”Aktien sind langfristig attraktiv”, erklärte Flossbach. Für das gerade begonnene Jahrzehnt hat er eine Renditeerwartung von 6,6 % pro Jahr für Dividendentitel errechnet. Vor dem Hintergrund der niedrigen Zinsen, die in die Bewertung miteinflößen, bieten Aktien laut dem Vermögensverwalter derzeit einen sehr hohen Risikopuffer. Hingegen warnte Flossbach vor Staatsanleihen-ETFs. Auch die Volkswirte von J.P. Morgan erläuterten in Mannheim, dass sie keine Bewertungsblase am Aktienmarkt sehen und Dividendentitel langfristig betrachtet mit am chancenreichsten seien.