Aktienmarkt

Kampf um das Schlussquartal beginnt

Das letzte Quartal ist historisch betrachtet das beste eines Jahres für den Dax. In diesem Jahr droht der Schlussspurt jedoch ins Wasser zu fallen.

Kampf um das Schlussquartal beginnt

Von Salah-Eddine Bouhmidi *)

Das letzte Quartal des Jahres ist historisch betrachtet das beste im Jahr und hat die Dax-Anleger selten im Stich gelassen. Allerdings ist die Historie nicht zwangsläufig der bester Schätzer für die Zukunft. Es bestehen berechtigte Zweifel an einer diesjährigen Bullenrally im Schlussquartal. Der Schlussspurt an den Aktienmärkten droht dieses Jahr ins Wasser zu fallen.

Weltweit befinden sich die Aktienmärkte seit Jahresbeginn in einem Bärenmarkt, dem sich auch der deutsche Leitindex Dax 40 nicht entziehen konnte. Seit dem Jahresbeginn verloren sowohl der Dax 40 als auch der breit gefasste US-Index S&P 500 knapp ein Viertel an Wert. Eine galoppierende Inflation mit einer einhergehenden restriktiven Geldpolitik, geopolitische Spannungen und die Angst vor einer Rezession belasten fundamental die Aktienmärkte. Zusätzlich zu den genannten Faktoren können die anstehende Berichtssaison und die leicht in Vergessenheit geratene US-Zwischenwahl im Schlussquartal für eine weiter hohe Volatilität sorgen.

Fed auf Straffungskurs

Geldpolitisch wird erwartet, dass die US-Notenbank Fed die Zügel weiterhin straff zieht und damit die Aktienmärkte auch im Schlussquartal weiter unter Druck setzen könnte. Für die nächste Sitzung der amerikanischen Zentralbank erwarten laut dem Fed Watch Tool des Chicagoer Terminmarktbetreibers CME Group zufolge aktuell 78 % der Marktteilnehmer einen weiteren Mega-Zinsschritt von 0,75 Prozentpunkten. Im Dezember dürfte dann noch ein 0,5-%-Schritt folgen. An den Märkten wird folglich mit einem US-Leitzins von 4,5 % ab Dezember 2022 gerechnet. Angesichts der hohen Staatsverschuldung wird der mit harten Bandagen geführte Kampf der US-Notenbank gegen die Inflation zunehmend auch zum Problem für den Staatshaushalt. Dieses Problem wird jedoch erst nach den US-Zwischenwahlen im November ein Thema werden.

Saisonales Muster

Der Dax zeigt historisch ein wiederkehrendes Muster in US-Zwischenwahljahren. Ein saisonales Muster wurde in diesem Jahr bereits bestätigt. In Zwischenwahljahren leidet der Dax unter herben Abverkäufen im August und September. Auch in diesem Zwischenwahljahr konnte diese Beobachtung bestätigt werden. Der Dax verlor von Anfang August bis Ende Dezember knapp 10 %. In US-Zwischenwahljahren ist im Dax ferner zu beobachten, dass nach einer starken Herbstrally im Oktober die Luft ausgeht und ab Mitte November bis zum Ende des Jahres eine Korrektur und keine klassische Jahresendrally vollzogen wird. In den vergangenen 34 Jahren fanden acht US-Zwischenwahlen statt. In sieben Zwischenwahlen kam es zu einer Herbstrally im Dax und keiner anschließenden Jahresendrally im Dezember.

Die charttechnische Ausgangslage ist aktuell auch nicht vielversprechend. Der seit Jahresbeginn intakte Abwärtstrend setzt sich fort. Mit der nachhaltigen Preisgabe der 12 800-Punkte-Marke wurden neue Verkaufsimpulse freigesetzt. Klassische Marktbreiteindikatoren bestätigen die bearishe Tendenz. Lediglich 10 % der Dax-Mitglieder tendieren über dem 200-Tage-Durchschnitt. Die Wahrscheinlichkeit für weitere Kursrückgänge bleibt hoch. Der implizite Volatilitätsindex für den Dax (VDax-New) verläuft über dem 50-Tage-Durchschnitt und liegt über 25 Indexpunkten. Der Pessimismus im Dax wird auch durch die Advance/Decline-Linie bestätigt. Die kumulative AD-Linie setzt ihren Abwärtstrend weiter fort.

Dreiecksformation bestätigt

Mit dem jüngsten Verlust der 12 500-Punkte-Marke und der anschließend gescheiterten Rückkehrbewegung hat der Dax die übergeordnete absteigende Dreiecksformation bestätigt und könnte im Schlussquartal sein Trendfortsetzungsmuster noch entfalten. Gelingt in der noch sich abzuzeichnenden Herbstrally kein nachhaltiger Sprung über die 12 760 Punkte, könnte eine neue Korrekturbewegung den Weg in Richtung Verlaufstief vom Oktober 2020 bei 11 331 Punkten frei machen. Dabei ist das nur die halbe Wegstrecke des auf Basis der übergeordneten Dreiecksformation zu erwartenden Kursziels. Bei Zuhilfenahme der Höhe des Dreiecks kann ein technisches Kursziel bestimmt werden. Mit Projektion der Dreieckshöhe an der Unterseite wird das Kursziel bestimmt. Für das im Dax-Wochenchart absteigende Dreieck könnte sich so ein Kursziel bei 10 030 Punkten bestimmen lassen. Auch aus charttechnischer Perspektive stehen für eine Rally im Schlussquartal die Chancen schlecht. Eine Herbstrally könnte zwar für eine Erholung sorgen, wird aber wahrscheinlich nicht für eine Jahresendrally reichen.

Fundamental belasten das steigende Zinsumfeld, Rezessionssorgen und geopolitische Risiken die Aktienmärkte und bilden kein attraktives Umfeld. Der Dax zeigt historisch ein wiederkehrendes Muster in amerikanischen Zwischenwahljahren. Ein saisonales Muster wurde in diesem Jahr bereits bestätigt, und ein weiteres könnte noch kommen. Gelingt dem Dax bis Ende November keine nachhaltige Überwindung der 12 800-Punkte-Marke, könnte im weiteren Verlauf die Jahresendrally ausbleiben, und es könnten sogar neue Jahrestiefs angesteuert werden.

*) Salah-Eddine Bouhmidi ist Head of Markets bei IG Europe.