Börse unter Druck

Konjunktursorgen lähmen chinesische Aktien

Chinas Volkswirtschaft kämpft mit einer schwachen Konjunktur und Pessimismus an den Märkten. Fiskalische Stimuli und Zinssenkungen zeigen kaum Wirkung.

Konjunktursorgen lähmen chinesische Aktien

Konjunktursorgen lähmen China-Aktien

Peking blitzt mit Stimulus-Gesten ab – Konsumklemme trübt Unternehmensgewinne – Moutai-Aktie verliert ihren Nimbus

Chinas wackelige Konjunkturperspektiven bringen die Festlandbörsen wieder gehörig aus dem Tritt. Selbst Zinsimpulse finden derzeit keine Resonanz. Auch die Unternehmensgewinne kommen nicht wie erwartet in Fahrt. Besonders hart getroffen wird der langjährige Börsenmarktwert-Champion Kweichow Moutai.  

Von Norbert Hellmann, Schanghai

In der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft läuft die Konjunktur alles andere als rund. An den Märkten greift verstärkter Pessimismus um sich. Die Aussichten auf eine von beherzten fiskalischen Stimuli geleitete Erholung in der zweiten Jahreshälfte werden als gering eingeschätzt. Bezeichnenderweise konnte eine jüngste kleine Zinssenkungsrunde der Notenbank nicht einmal ansatzweise eine Stimmungswende einleiten.

Zinslockerung zieht nicht

Die üblicherweise extrem stark auf monetäre Impulse fixierten chinesischen Anleger haben berechtigte Zweifel, dass die Zentralbank einen energischeren Lockerungskurs fahren kann, um die am Boden liegende Kreditvergabeaktivität zu beleben. In Sachen fiskalische Impulse, die der lethargischen Binnennachfrage und dem schwachen Konsumvertrauen entgegenwirken sollen, herrscht Ratlosigkeit.

Nationalteam muss ran

Pekings Wirtschaftslenker versichern zwar, dass diese Schwachstellen mit neuen Maßnahmenpaketen angegangen werden sollen. Das im Juli abgehaltene große Parteiplenum zum Abstecken der Wirtschafts- und Reformagenda hat jedoch nichts Griffiges hervorgebracht, an das sich Kursfantasie knüpfen könnte. Im Gegenteil sah sich das sogenannte „Nationalteam“ als Verbund von Investmentvehikeln, die unter Pekinger Regie gezielte Stützungsaktionen an den Festlandbörsen vornehmen, gezwungen, neue Einsätze zu fahren. Es galt zu verhindern, dass die Enttäuschung über das Parteiplenum allzu offensichtlich im Leitindex CSI 300 Niederschlag findet.

Das Nationalteam hatte Anfang Februar mit seinem massiven Einsatz zwar die Gefahr einer Aktienmarktkrise abwenden können und für eine Bodenbildung gesorgt. Über diese Schiene vermag man allerdings nicht die immer wiederkehrende Pessimismus-Schlaufe zu durchbrechen. In den vergangenen zwei Monaten ist dies deutlicher denn je geworden.

Verluststrähne beim CSI 300

Am Freitag verbuchte der CSI 300 einen Tagesverlust um 1% auf 3.384 Punkte. Damit verzeichnet der Blue-Chip-Index bereits die achte Woche in Folge einen Rückgang. Es handelt sich zwar Woche für Woche nur um relative geringe Rückgänge, dennoch muss man fast zwölf Jahre zurückblicken, um auf eine ähnlich zähe Negativsträhne beim CSI 300 zu kommen.

Die Bullen sind abgezogen

Gegenwärtig befindet sich der Index praktisch genau auf der Höhe von Anfang Januar und mit einem Abstand von knapp 9% zum Ende Januar markierten 52-Wochen-Tief bei 3.100 Punkten. Nach der vehementen Stützungsaktion vom Februar und einem besseren Wachstumsausweis als erwartet für das erste Quartal kletterte der CSI 300 im Mai auf ein Jahreshoch bei knapp 3.700 Punkten. Damit stand man gewissermaßen an der Pforte zum Bullenmarkt, doch war den Anlegern keine Verstetigung der Hausse gegönnt.

Bilanzsaison enttäuscht

Ein Negativfaktor ist die frisch angelaufene Bilanzsaison mit den Ergebnissen für das zweite Quartal. Anders als im Januar-Quartal überwiegt die Zahl der Gewinnwarnungen die der Upgrades von Gewinnprognosen. Morgan Stanley zieht eine negative Zwischenbilanz nach der Zahlenvorlage von etwa einem Drittel der rund 5.000 börsengelisteten Unternehmen. Es sei noch zu früh, von einer Überwindung der Talsohle bei der Gewinnentwicklung zu sprechen. Zuvor hatte eine Reihe globaler Investmentbanken auf Basis optimistischer Gewinnschätzungen zum breiteren Wiedereinstieg in Festlandaktien aufgerufen. Nun aber werden Konsensschätzungen, die zur Hausse zwischen Februar und Mai mit beigetragen haben, wieder revidiert.

Skepsis zu Konsumwerten

Skepsis herrscht insbesondere bezüglich der Perspektiven von Konsumwerten. Die jüngsten Einzelhandelsdaten sorgten für Ernüchterung. Bei den Ergebnissen einschlägiger Branchenunternehmen könnte dies Schleifspuren hinterlassen. Besondere Aufmerksamkeit kommt der Performance des Spirituosenkonzerns Kweichow Moutai zu. Er gilt als eine Art Wetterfähnchen für Chinas Konsumverfassung und ist in den China-Portefeuilles ausländischer Investoren traditionell besonders stark vertreten.

ICBC löst Moutai ab

Seit Mai hat die Moutai-Aktie gut ein Fünftel ihres Wertes eingebüßt und liegt auch im Kalenderjahr um 18% zurück. Damit verbindet sich eine gewaltige Marktwerteinbuße mit jetzt noch umgerechnet 240 Mrd. Dollar. Moutai hatte die Großbank ICBC im Frühjahr 2020 als schwerste Aktie an Chinas Festlandbörsen abgelöst und danach stets den Spitzenrang gehalten. Seit kurzem aber steht ICBC wieder oben auf dem Treppchen. Die Wachablösung hat Symbolcharakter. Zwar spüren Chinas Großbanken enormen Margendruck, der ihrer Gewinndynamik zusetzt. Als zuverlässige Dividendenlieferanten treffen sie aber einen Nerv beim vorsichtig gewordenen Anlegerpublikum.

Von Norbert Hellmann, Schanghai
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