Kosteninflation belastet Bieraktien
Von Alex Wehnert, Frankfurt
Die Börsianer haben zuletzt eher vorsichtig am Bierkrug genippt. So liegen die Aktien der Brauereikonzerne Anheuser-Busch Inbev, Heineken oder Carlsberg im laufenden Jahr klar im Minus – auch auf Sicht von zwölf Monaten nimmt sich die Performance nur unwesentlich stärker aus. Denn die Corona-Pandemie hat zu steigenden Rohstoffpreisen und einer ausufernden Kosteninflation geführt, die auf die Kurse durchgeschlagen haben. Hinzu kam im Verlauf der Krise die unsichere Nachfragesituation: Die Ausbreitung neuer Corona-Varianten löste schnell Sorgen vor Schließungen in der Gastronomie und heftigen Einschnitten im wichtigen On-Trade-Geschäft aus.
Doch 2022, so prognostizieren es die Analysten der Bank of America, soll noch zu einem starken Jahrgang für Bieraktien werden. Wenngleich die Erholung des organischen Absatzes sowie der operativen Ergebnisse und Gewinne pro Aktie am gesamten Getränkemarkt nach dem Aufschwung des Vorjahres wohl leicht an Schwung verlieren werde, sei bei allen drei Kennzahlen noch mit kräftigen Wachstumsraten zu rechnen.
Große Bewertungslücke
Die Debatte um die Umsatzverteilung im Alkoholsegment werde dabei anhalten. Langfristig besäßen die Spirituosenhersteller zwar ein größeres Wachstumspotenzial, momentan verfügten die Brauereikonzerne aber über mehr Luft nach oben. Denn die Bewertungslücke zwischen den Produzenten hochprozentigen Alkohols und den Bieranbietern befinde sich nahe einem mehrjährigen Hoch.
Durch die Kosteninflation bestünde zwar weiterhin signifikanter Gegenwind, allerdings sei dieser Faktor für die Konzerne beherrschbar geworden. Schließlich seien in vielen Märkten Preiserhöhungen gangbar. Zudem stünden wesentliche Effekte des Wiederöffnungstrends, insbesondere in Europa, noch bevor und dürften die Margen unterstützen.
Angesichts des stabilen fundamentalen Ausblicks dürften einige Unternehmen, darunter Carlsberg, ihre Aktienrückkaufprogramme über die kommenden zwölf Monate ausweiten. Der dänische Brauereikonzern ist bei Analysten allgemein recht beliebt: Von 29 Investmenthäusern raten laut Bloomberg 17 zum Kauf. Dem steht lediglich eine Verkaufsempfehlung gegenüber.
Zu den Optimisten gehören die Analysten von Barclays. Laut ihnen hat Carlsberg einen besonnenen Ausblick gestellt, in dem Erwartungen über neue Lockdowns in Asien sowie Einschränkungen im europäischen On-Trade-Geschäft enthalten seien. Darüber hinaus bestünde starkes Potenzial im E-Commerce: Online-Verkäufe machten inzwischen 7,5% des Gesamtumsatzes aus, gerade der Business-to-Business-Bereich ziehe kräftig an. Außerdem baue Carlsberg sein Angebot abseits von Bier aus, was für gesteigerte Margen in Westeuropa sorgen werde.
Der Krieg in Osteuropa geht indes nicht spurlos am dänischen Konzern vorbei. Denn Carlsberg kommt in der Ukraine auf einen Biermarktanteil von 31%, am Donnerstag setzte das Unternehmen die Produktion in all seinen drei Brauereien im Land aus. Risiken im Zusammenhang mit Russland sieht auch die Deutsche Bank, die Carlsberg auf „Halten“ setzt. Die Analysten verweisen zudem auf fortbestehende Unsicherheiten in Bezug auf die Kostenentwicklung.
Auch für Konkurrent Heineken wird die Kostenkontrolle laut Bloomberg Intelligence entscheidend. Die betrieblichen Aufwendungen der Niederländer seien 2021 um 15% auf 20,3 Mrd. Euro gestiegen, gesellschaftliche Wiederöffnungen dürften weiterhin zu höheren Marketing-Ausgaben führen. Dagegen will Heineken etwa 8000 Stellen streichen, was gemäß Analysten Mittel für Investitionen in ein stärker fokussiertes Premium-Produktportfolio freisetzt. Eine Konzentration auf hochpreisige Biere stelle den besten Weg dar, um ein konsistentes organisches Absatzwachstum zu erzielen. Insgesamt betrachtet die Analystengemeinde Heineken aber recht nüchtern: Laut Bloomberg stehen elf „Kaufen“ zehn „Halten“ und sechs „Verkaufen“-Vota gegenüber.
Hard Seltzer im Fokus
Besser schneidet AB Inbev ab – 20 Analysten raten zum Kauf der Aktie, während elf sie zum Halten empfehlen und lediglich zwei auf „Verkaufen“ plädieren. Für den Konzern kommt es laut Bloomberg Intelligence darauf an, dass seine Initiativen im Geschäft mit Hard Seltzern an Traktion gewinnen. Zugleich bestehe für AB Inbev die Gefahr, durch diese neuen Einkommenszweige den eigenen Bierabsatz zu untergraben. Hinzu kommen weitere Ziele, die in Konkurrenz zu Investitionen in neues Wachstum stehen: So will der Konzern überschüssige Mittel wohl zum Schuldenabbau verwenden, um womöglich ein Upgrade seines Credit-Ratings auf Single A zu erreichen.
Wenngleich die niedrigen Bewertungen für eine Aufholjagd der Bieraktien sprechen, bleiben also gewichtige Unsicherheitsfaktoren bestehen. Die Börsianer dürften daher auf absehbare Zeit weiter nur vorsichtig am Bierkrug nippen.