Finanzmärkte

Lahmes Impftempo bremst Japan

Während Indizes wie S&P500 und Dax neue Rekorde markierten, gaben die japanischen Indizes Gewinne ab. Als Hauptursache für die Zurückhaltung vor allem ausländischer Anleger sehen Analysten die langsame Bekämpfung der Pandemie.

Lahmes Impftempo bremst Japan

Von Martin Fritz, Tokio

Vor gut zwei Monaten brachen die Aktienbarometer Nikkei225 und Topix nach oben aus, der Topix überwand seinen langjährigen Deckel von 1900 Punkten. Aber seither gaben die Indizes einige Gewinne ab, während Barometer wie S&P500 und Dax neue Rekorde markierten. Dabei hielten die Bank of Japan und die Regierung an ihrer ultralockeren bzw. expansiven Geld- und Fiskalpolitik fest. Dazu bestätigten die Kaufofferten von Finanzinvestoren für Toshiba und Hitachi Metals die Einschätzung, japanische Aktien seien unterbewertet.

Aber als Hauptursache für die Zurückhaltung vor allem ausländischer Anleger sehen Analysten die langsame Bekämpfung der Pandemie. Zum einen fällt das geringe Impftempo auf, in erster Linie bedingt durch Mangel an Vakzin, zum anderen die stark steigenden Infektionszahlen. In der Folge werden die Metropolgebiete Tokio und Osaka in den nächsten Tagen zum dritten Mal in dieser Pandemie den „Notstand“ einführen, dann sollen Bars und Restaurants früher und viele Geschäfte ganz schließen. Viele Bürger haben ihre Reisepläne für die „goldene“ Feiertagswoche Anfang Mai aufgegeben.

Eine schnelle Besserung ist nicht in Sicht: Erst Ende September wird Japan nach offiziellen Angaben genug Impfdosen für alle über 16-Jährigen haben. Aber das Spritzen könnte sich aufgrund des Mangels an Gesundheitspersonal zumindest in einigen Landesteilen bis Frühjahr 2022 hinziehen, warnte Regierungssprecher Katsunobu Kato. Zudem fällt der erhoffte Wachstumsimpuls durch die Olympischen Sommerspiele in Tokio voraussichtlich aus, da keine ausländischen Besucher einreisen dürfen, während über zwei Drittel der Japaner die Austragung ab­lehnen. Die freudlosen Spiele werden daher kaum Konsumstimmung erzeugen.

Für Anleger bedeuten diese Entwicklungen zweierlei: Einerseits könnten sie jetzt noch rechtzeitig einsteigen, andererseits bräuchten sie vielleicht mehr Geduld als anderswo. Das Brokerhaus Nomura hat jedenfalls seine Nikkei-Prognose fürs Jahresende von 30000 auf 32000 angehoben, was ein Potenzial von 12% bedeutet. Die Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Aktivität sei be­grenzt, meinte Aktienstratege Yunosuke Ikeda. Nach einem Rückgang um 3% auf 79,3 Yen im Vorjahr werde der Gewinn je Aktie im Topix im neuen Jahr (ab 1.4.) um 57% auf 124,4 Yen und 2022 um weitere 15% auf 142,6 Yen steigen. Globale Fortschritte bei Impfungen, die Beseitigung pandemiebedingter Einschränkungen und die aggressiven Ausgaben der Biden-Regierung sorgten für Rückenwind, zählte Ikeda auf.

Die UBS sieht in Impffortschritten den Schlüssel für eine Normalisierung der Wirtschaft. Die jüngste Korrektur könne eine Kaufgelegenheit sein, schrieb das Japan-Team. Erstens werde sich das Impftempo ab Juni/Juli beschleunigen. Dann ist das gesamte Gesundheitspersonal geimpft und eine größere Impfstoffmenge aus dem Ausland eingetroffen. Zweitens: Auch UBS erwartet einen kräftigen Gewinnanstieg von 40% in diesem Jahr und von 4% 2022 als Katalysator für den Aktienmarkt. Drittens stütze der schwache Yen global orientierte Unternehmen wie Asahi (mit Premium-Biermarken in Europa und Australien) und Pola Orbis (Kosmetikverkauf in China).

Allerdings würden viele Titel über dem langjährigen Kurs-Gewinn- und Kurs-Buch-Verhältnis gehandelt, monierte UBS. Das vorlaufende Nikkei-KGV stieg bis auf ein 25-Jahres-Hoch. Insbesondere in Tech-Aktien seien alle positiven Aspekte eingepreist. Daher empfiehlt man einen Fokus von Neuanlagen auf Nachzügler aus der Freizeit- und Unterhaltungsindustrie, die von Covid-19 besonders geschädigt wurden. Dazu zählt die UBS die Bereiche Luftfahrt, Einzelhandel, Bahnbetreiber und Hotels. Auf der Empfehlungsliste stehen daher Titel wie Central Japan Railway, Japan Airlines und Japan Hotel Reit Investment.

Immobilienwerte favorisiert

Auch Morgan Stanley MUFG plädiert für eine Strategie der Sektorrotation, da die fundamentalen Daten zunehmend im Widerspruch zu einigen Bewertungen stünden. Konkret sollte man den Maschinenbau- und Energiesektor untergewichten, der Ausblick für Halbleiter bleibe aber bullish. Als Favoriten nennt das Brokerhaus die Sektoren Immobilien (von Wachstum und Inflationsrückkehr getragen), Logistik (boomender Frachtschiffverkehr) sowie Stahl und Nichteisen-Metalle. Letztere würden von Chinas Umweltschutzmaßnahmen profitieren. Deswegen nahm man Suntory, Mitsubishi Estate und Nippon Yusen auf die Fokusliste. Gestrichen wurden Murata Manufacturing, Astellas Pharma und Yamaha.