Lateinamerika-Anleihen bieten Chancen
Lateinamerika bietet im Bereich Anleihen spannende Investmentgelegenheiten. Dabei unterscheiden sich die einzelnen Länder deutlich: Während einige gute Fundamentaldaten aufweisen, sind andere hoch verschuldet. Einige bieten attraktive Hartwährungsanleihen, während bei anderen die Lokalwährungspapiere interessant scheinen. Für Anleger ergibt sich daraus ein breites Spektrum an interessanten Anlagemöglichkeiten.
Werfen wir zunächst einen Blick auf Brasilien, das größte Land der Region: Wir halten Brasilienanleihen in Lokalwährung nach wie vor für attraktiv, auch vor dem Hintergrund der politischen Kontroversen um Präsident Lula und der damit einhergehenden Volatilität. Dafür gibt es mehrere Gründe: Erstens hat die Notenbank Banco Central do Brasil weltweit als eine der ersten Zentralbanken die Zinsen angehoben – und das von Anfang an äußerst aggressiv. Die Desinflation setzte in Brasilien daher viel früher ein als in anderen Regionen. Wir rechnen deshalb auch damit, dass die brasilianische Zentralbank unter den Ersten sein wird, die im Laufe des Jahres beginnen werden, die Zinsen zu senken. Anleiheninhaber dürften somit Kursgewinne auf Grund sinkender Zinsen erzielen. Zudem ist der zweistellige Mehrertrag, den lokale Anleihen bieten, nicht so leicht zu übertreffen. Drittens scheint der brasilianische Real attraktiv, da die Außenhandelsbilanz Brasiliens deutlich besser aussieht als noch vor einigen Jahren. Die politische Lage bleibt der einzige Wermutstropfen. Brasilien ist kein Land für Buy-and-Hold-Strategien sondern für aktives Management, um von der zusätzlichen Volatilität profitieren zu können. Im Gegensatz zu den Lokalwährungsanleihen sind wir von brasilianischen Staatsanleihen in Hartwährungen aus Bewertungssicht nicht überzeugt.
Die Bahamas bleiben unser Favorit bei lateinamerikanischen Hartwährungsanleihen: Der reiche und vom Tourismus abhängige Karibikstaat wurde von der Pandemie besonders stark getroffen. Inzwischen sind die Touristenzahlen aber sogar höher als vor der Krise. Die Bahamas erhalten unter Investoren nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdienen, da sie nicht im wichtigen JP Morgan EMBIG Diversified Index enthalten sind. Einziger Grund dafür: Das Pro-Kopf-Einkommen ist zu hoch, um als Schwellenland eingestuft zu werden. Dennoch liefern die Staatsanleihen auf US-Dollar-Basis Renditen im zweistelligen Bereich. Die Regierung hat außerdem eine erfolgreiche Haushaltsanpassung vorgenommen, um die pandemiebedingt übermäßige öffentliche Verschuldung abzubauen.
Bei Staatsanleihen in Hartwährungen halten wir auch die wesentlich schwächeren Staaten Kolumbien und Argentinien für interessant. Doch die Anlage-Stories unterscheiden sich deutlich.
Im Fall von Kolumbien sehen die Anleihebewertungen nach zwei aufeinanderfolgenden Herabstufungen der Kreditwürdigkeit sowie der Wahl des populistischen, linksgerichteten Präsidenten Petro im Jahr 2021 recht attraktiv aus. Unserer Meinung nach wird deutlich, dass Präsident Petro durch den Kongress und die unabhängigen Gerichte des Landes stark eingeschränkt ist. Petro verfügt im Kongress zwar über eine breite Koalition, die es ihm theoretisch ermöglichen sollte, seine nicht sehr marktfreundlichen Reformen durchzusetzen. Wie jedoch schon das Scheitern der von ihm vorgeschlagenen Gesundheitsreform zeigt, stellt seine Koalition eher eine Geschäftsbeziehung dar, die nicht bereit ist, radikale Vorschläge zu unterstützen. In ähnlicher Weise wurde auch der ursprüngliche Vorschlag für die Rentenreform geändert, um negative Auswirkungen auf die Inlandsverschuldung zu vermeiden. Der Präsident war auch nicht in der Lage, die Tarife für den öffentlichen Dienst zu beeinflussen, da die Gerichte diesen Versuch als unzulässig erachteten. Alles in allem erweisen sich die kolumbianischen Institutionen angesichts der populistischen Tendenzen Petros als ausreichende Kontrollinstanz, um die Umsetzung einer unsoliden Politik zu verhindern. Vor diesem Hintergrund halten wir die Bewertungen von Unternehmens- und Staatsanleihen für attraktiv.
Im Fall von Argentinien beruht unsere Anlagethese auf dem erwarteten Regierungswechsel nach den Wahlen im Oktober. Die Oppositionskoalition Juntos por el Cambio dürfte die Präsidentschaftswahlen für sich entscheiden, was gute Nachrichten für die Märkte wären. Auch wenn sie vor massiven ökonomischen Herausforderungen steht, wird sich die Wirtschaftspolitik wahrscheinlich zum Besseren wenden. Wir halten argentinische Hartwährungsanleihen, da wir glauben, dass sie sich 2023 in puncto Gesamtrendite als das beste Staatsanleiheninvestment erweisen könnten. Die aktuellen Anleihekurse bewegen sich zwischen 25 und 30 Cent pro Dollar, was wahrscheinlich unter ihrem ökonomischen Wert liegt, selbst wenn sie 2025 oder 2026 umstrukturiert werden sollten.
Höherer Rückzahlungswert
Auch eine Regierung von Juntos por el Cambio wäre mit einer schwierigen Situation konfrontiert, insbesondere wenn 2025 ein großer Teil der Hartwährungsschulden fällig wird. Allerdings wird die Fertigstellung der Nestor-Kirchner-Gaspipeline eine erhebliche Steigerung der inländischen Gasproduktion ermöglichen und Argentiniens Gasimporte reduzieren. Das setzt Devisen zur Bedienung der Auslandsschulden frei. Dies wird vielleicht nicht ausreichen, um eine weitere Umschuldung im Jahr 2025 zu vermeiden. Allerdings dürfte selbst im Fall einer Restrukturierung der Rückzahlungswert viel höher sein als die aktuellen Preise der Anleihen. Das gilt insbesondere unter einer marktfreundlichen Regierung, die dann wahrscheinlich im Amt sein wird.
Die ausgewählten Beispiele zeigen, wie groß und wie heterogen das Anlagespektrum in lateinamerikanischen Hart- und Lokalwährungsanleihen ist. Für aktive Investoren bietet die Region zahlreiche interessante Gelegenheiten.