Online-Fahrradhändler

Lieferengpässe drücken auf Tempo von Bike24

Wer im Online-Shop von Bike24 nach „Fahrradkette“ sucht, erhält mehr als 8000 Vorschläge. Investoren fragen sich nach den ersten Bergetappen der Aktie, ob irgendwann die Lieferkette reißt.

Lieferengpässe drücken auf Tempo von Bike24

Von Stefan Paravicini, Berlin

Wer im Online-Shop des Fahrradteilehändlers Bike24 nach dem Stichwort „Fahrradkette“ sucht, erhält mehr als 8000 Vorschläge. Kein Wunder, schließlich will sich der Börsenneuling aus Dresden mit seinem umfassenden Sortiment von der Konkurrenz abheben. Das macht sich im Wettbewerb um Klicks und Kunden auch im Fahrradhandel bezahlt. „Wenn Sie ein neues Vorderrad benötigen und die Modellbezeichnung bei Google eingeben, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Sie Bike24 in der Suche auf einer Top-Position finden. Das ist nur möglich, weil wir das Produkt online haben, das Teil verfügbar ist und die Kunden unserem Shop hohe Relevanz zusprechen“, erklärte CFO Timm Armbrust Anfang Oktober im Interview der Börsen-Zeitung.

Hätte, hätte, Lieferkette

An der Börse kommt das Geschäftsmodell gut an. Nach dem IPO Ende Juni zu einem Ausgabepreis von 15 Euro kletterte die Aktie bis Anfang September um 80% nach oben, und das Chart sah aus wie das Streckenprofil einer Bergetappe mit Zielankunft auf dem Mont Ventoux. Seither hat das Papier allerdings rund ein Drittel an Wert eingebüßt. Denn Lieferengpässe, die noch bis weit in das nächste Jahr reichen dürften, bremsen das Wachstumstempo. Bike24 hält zwar weiterhin an ihrer Guidance fest, hat den Prognosekorridor Anfang November aber nach unten angepasst. Statt eines Umsatzzuwachses von 23 bis 30% traut sich die Firma mittlerweile 24 bis 26% zu. Hätte, hätte, Lieferkette. Dafür reicht nach einem Plus von 31% in den ersten neun Monaten des Jahres eine vergleichsweise gemütliche Fahrt auf dem letzten Streckenabschnitt. Im Vergleich mit dem dritten Quartal, in dem Bike24 ein Zehntel zulegte, wird im Schlussspurt ein etwas höheres Tempo nötig sein. Dass beim Tritt in die Pedale die Lieferkette reißt oder aus der Führung springt, ist laut Firmengründer und CEO Andrés Martin-Birner nicht zu befürchten. „Wir sind gut auf Engpässe vorbereitet – auch durch unsere langfristigen Verträge – und profitieren von unserem breiten Sortiment. Wenn etwas nicht verfügbar ist, finden unsere Kunden eine Alternative“, sagte er Anfang November.

Die Kunden bestätigen das mit ihrem Kaufverhalten. Ende September zählte Bike24 mit fast 800000 Kunden rund ein Viertel mehr aktive Kunden als zwölf Monate zuvor. Mehr als drei Viertel der Einkäufe in dem vor wenigen Wochen neu gelaunchten Online-Shop werden von wiederkehrenden Kunden vorgenommen, was für eine hohe Kundenloyalität spricht. Die hohe Verfügbarkeit trotz Lieferengpässen macht auch auf Analysten Eindruck: „Dank der starken Beziehungen zu den Zulieferern und der Vorteile als ‚First Mover‘ hat Bike24 ihr Inventar im ersten Halbjahr um 47% erhöht“, schrieb Berenberg-Analystin Catharina Claes bereits im Sommer. Das habe die Position des Online-Händlers im Markt gestärkt. An der Strategie hat das Unternehmen auch im dritten Quartal festgehalten und das Inventar gleich um zwei Drittel auf knapp 67 Mill. Euro aufgestockt. Das drückte den freien Cash-flow leicht ins Minus, dürfte Bike24 bei anhaltenden Lieferengpässen bei den nächsten Sprints gegen die Konkurrenz aber den längeren Atem geben. Auch im dritten Quartal legte Bike24 ein höheres Tempo als der Markt hin. Das Angebot spricht dabei längst nicht mehr nur Rennrad- und Mountainbike-Fahrer an, die selbst an ihren Rädern schrauben. Für sie hatte der begeisterte Radsportler Martin-Birner vor 20 Jahren seinen Online-Handel in einem 15 Quadratmeter großen Apartment in Dresden begonnen.

Ausfahrt in neue Märkte

„Wir sehen seit ein paar Jahren aber auch andere Kundengruppen auf unserer Plattform. Viele von ihnen entdecken das Fahrradfahren neu, machen kaufen sich ein E-Bike und nutzen es vor allem während der Sommermonate für Ausflüge am Wochenende“, beschreibt Finanzchef Armbrust die Erweiterung des adressierten Marktes über den Bedarf ambitionierter Freizeitsportler hinaus. Das spiegelt sich auch in der wachsenden Bedeutung des Geschäfts mit Kompletträdern, das 2017 noch 3% des Umsatzes ausmachte, im vergangenen Jahr 10% erreichte und mittelfristig ein Viertel ausmachen soll. Der Trend zum E-Bike trägt dazu bei. „Im sportiven Bereich, auf den wir fokussiert sind, liegt unser durchschnittlicher Verkaufspreis für ein Fahrrad ohne Motor bei 1800 Euro und mit Motor bei 3400 Euro“, sagt der CFO. Für die Equity Story mittel- bis langfristig von größerer Bedeutung sind die internationalen Expansionspläne von Bike24. Zwar ist die Marke schon heute im Ausland präsent, schon heute macht das Auslandsgeschäft rund die Hälfte des Umsatzes aus. Mit den 100 Mill. Euro, die der Börsengang eingebracht hat, wollen die Dresdner in den nächsten Jahren aber auch die Logistik-Infrastruktur aufbauen, um Kunden in den wichtigsten europäischen Fahrradmärkten innerhalb von 24 bis 48 Stunden beliefern zu können. Den Anfang macht ein Standort in der Nähe von Barcelona, der Bestellungen aus Spanien, Portugal und aus dem Süden von Frankreich bedienen soll. Weitere Logistik-Standorte sind für das Geschäft in den Benelux-Ländern, in Italien und in Skandinavien geplant. Das erste Fulfillment-Center soll in einem Jahr live sein und das Logistik-Netzwerk in den aufgezählten Kernmärkten innerhalb von vier Jahren stehen. Das Lieferversprechen innerhalb von 24 bis 48 Stunden soll in diesen Märkten in fünf Jahren gelten. Dann soll auch der Webshop in allen Sprachen der wichtigsten europäischen Fahrradmärkte online sein.

Dresden, Berlin, Barcelona

Investoren, die selbst in die Pedale treten wollen, können das bei Bike24 wohl schon ab dem nächsten Sommer im ersten Flagship-Store in Berlin tun können. „Wir wollen aber kein Omnichannel-Anbieter werden, sondern eine unabhängige Beratung mit unserem breiten und tiefen Sortiment schnell verfügbar anbieten“, erklärt Finanzchef Timm Armbrust. Es gehe vor allem um das Angebot von Probefahrten, aber auch um Werkstattleistungen für E-Bikes. Bislang betreibt Bike24 einen Fahrradladen am Hauptsitz in Dresden. Sollte das Flagship-Store-Konzept in Berlin erfolgreich sein, könnten bald Standorte im Ausland folgen, wobei Spanien mit Barcelona erneut den Anfang machen dürfte.