Kapitalmarktprognose

Magere Zeiten an den Märkten

In einer durch zahlreiche Krisen geprägten „Epoche der Verunsicherung“ sei in den kommenden fünf Jahren mit unterdurchschnittlichen Renditen zu rechnen, sagen die Analysten von Robeco.

Magere Zeiten an den Märkten

ku Frankfurt

Die Welt befindet sich nach Einschätzung des Assetmanagers Robeco in einer „Epoche der Verunsicherung“. Die damit verbundenen Wirren haben Einfluss auf die in den nächsten fünf Jahren erziel­baren Renditen verschiedener Assetklassen. In ihrer zum zwölften Mal vorgelegten Studie „Expected Re­turns“ sehen die Analysten die Volkswirtschaften und die Märkte zahl­reichen dynamischen und un­vor­hersehbaren Entwicklungen einschließlich der Energie- und Lebensmittelkrisen, fiskalpolitischen Sti­muli im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, Lieferkettenproblemen sowie dem Krieg zwischen Russland und der Ukraine, in der Folge zweistelligen Inflationsraten in den entwickelten Ländern sowie der un­sicheren Lage in China ausgesetzt.

4 Prozent mit Aktien

„Wir erwarten dementsprechend, dass die Anlageerträge in den nächsten fünf Jahren unter ihrem langfristigen historischen Durchschnitt bleiben werden“, schreiben die Autoren Peter van der Welle, Strategist Multi Asset, und Laurens Swinkels, Research-Spezialist bei Robeco. Dies gelte insbesondere für die Renditen von Vermögenswerten im Euro mit Ausnahme von Rohstoffen. So wird für ein Portfolio aus Aktien entwickelter Länder ein durchschnittlicher nominaler Gesamtertrag in Euro von 4% erwartet. Der Anstieg der nominalen risikofreien Zinsen seit September 2021 habe zu einer Anhebung der Renditeerwartungen für viele Anlagegattungen geführt. So wird die Renditeerwartung für ein gegen Währungskursänderungen des Euro abgesichertes Portfolio aus Staatsanleihen der entwickelten Länder auf 1,5% erhöht.

„Im Vergleich zu den letzten Jahren dürfte sich das Eingehen von Aktienmarktrisiken in entwickelten Ländern im Vergleich zu Anleihenrisiken etwas weniger auszahlen“, so die Autoren. Insbesondere die deutlich gestiegene Volatilität der Verbraucherausgaben rechtfertige eine mittelfristig höhere Aktienrisikoprämie als diejenige, die aktuell am Markt impliziert werde. Was die Aussichten im Hinblick auf den nominalen absoluten Ertrag angehe, gebe es bei den traditionellen Anlagen nach wie vor kaum Alternativen zu Aktien. Lediglich Rohstoffe lägen aus Sicht eines Euro-Anlegers mit den erwarteten Aktienrenditen gleichauf.

„Der Erhalt der realen Kaufkraft für ein global diversifiziertes Portfolio stellt eine Herausforderung dar“, so Robeco. Für den Fall, dass die jährliche Inflationsrate über 4% liegt, werde ein global diversifiziertes Portfolio aus Aktien und Anleihen eine reale, das heißt um die Inflation bereinigte Rendite von −2,9% pro Jahr aufweisen, wobei die Autoren die Inflation in den Industrieländern außer im Fall ihres besonders optimistischen Szenarios im Bereich von 2,5% bis 5% sehen. „Dies stellt eindeutig auch eine Herausforderung im Hinblick auf die Portfoliodiversifizierung da, da Aktien und Anleihen aus entwickelten Ländern tendenziell positiv korreliert sind“, warnen van der Welle und Swinkels. Die Suche nach alternativen Assets zur Sicherung des Aktienrisikos werde daher anhalten. In diesem Zusammenhang merken die Autoren an, dass sie ihre Immobilienmarktprognose trotz der aktuellen Situation nicht gesenkt haben.

US-Investoren im Vorteil

Günstiger als für Anleger im Euroraum sieht es nach Einschätzung von Robeco für Investoren im Dollar aus. Weil sie damit rechnen, dass andere Währungen gegenüber dem Greenback aufwerten, lägen die Prognosen für die nominal erzielbaren Renditen deutlich höher. So wird für ein Portfolio aus Aktien der entwickelten Länder mit durchschnittlichen an­nualisierten Renditen von 7,25% gerechnet, für Aktien aus den Schwellenländern gar von 8,25%.

Die Robeco-Spezialisten haben drei Szenarien für die mögliche Entwicklung in den kommenden fünf Jahren erstellt. In ihrem Basisszenario, das sie für ihre Prognosen unterstellen, gehen sie von einer harten Landung der weltweiten Konjunktur aus, nämlich einer anämischen Erholung nach der Rezession des Jahres 2023. Die Konjunkturschwäche werde den schlimmsten Inflationsdruck beseitigen. Für die USA bedeutet das im Durchschnitt der kommenden fünf Jahre ein Wirtschaftswachstum von nur noch 1,75%. Für die Eurozone wird die Lage kritischer gesehen, die Produktion bleibe unter ihrem Potenzial, wobei die Inflation vor allem aus den Energieimporten komme. Die Produktionslücke begrenze die Möglichkeiten der EZB, die Zinsen anzuheben. Langfristig werde die Inflation in den entwickelten Ländern um 50 bis 60 Basispunkte über den Inflationszielen von 2% bleiben. Die Wahrscheinlichkeit für dieses Szenario wird mit mehr als 50% nur grob beziffert.

Das Negativszenario geht davon aus, dass sich die Inflation trotz der Rezession als nachhaltig erweist. Wie in der Ära des Fed-Chairman Paul Volcker in den 1980er Jahren werde die Geldentwertung erst nach zwei Rezessionen unter Kontrolle ge­bracht. In den USA werde die Kernrate der Inflation selbst 2025 noch bei 4,75% liegen. Für die gesamten entwickelten Länder ist von 3 bis 4% Geldentwertung die Rede. Und Russlands Krieg in der Ukraine werde „durch die Erschöpfung der Nationen beendet und nicht durch die Siege der Armeen“. In ihrem dritten positiven Szenario gehen die Autoren von einer moderaten konjunkturellen Abschwächung aus, die aber ausreiche, um die Inflation einzudämmen. Vorbild dafür sei die inflationäre Zeitspanne der Jahre 1946 bis 1948. Der milden Rezession der ersten Jahreshälfte 1949 sei dann eine kraftvolle konjunkturelle Erholung gefolgt.

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