„KI wird die Weltwirtschaft antreiben“
Im Interview: Grant Bowers
„Wir werden es künftig eher mit Magnificent Five zu tun haben“
Aktienstratege: KI wird die Weltwirtschaft antreiben – Cybersicherheit und Halbleiter profitieren
Gerade erst konnte Nvidia Anleger erneut positiv überraschen. Grant Bowers, Kapitalmarktexperte bei Franklin Templeton, erklärt im Interview der Börsen-Zeitung, warum die Magnificent Seven die Aktienmärkte in den vergangenen Monaten derart dominiert haben und was er von ihnen für die Zukunft erwartet.
Die Glorreichen Sieben waren im vergangenen Jahr der entscheidende Treiber der amerikanischen Aktienindizes. Setzt sich diese Outperformance auch 2024 fort?
Die Magnificent Seven (Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft, Nvidia, Tesla, Anm. der Redaktion) sind wirklich sehr gut für das derzeitige Marktumfeld aufgestellt. Das sind Unternehmen mit großer Marktkapitalisierung, einer starken Wettbewerbsposition und einem dauerhaften und nachhaltigen Wachstum über der aktuellen Wirtschaftswachstumsrate. Außerdem generieren sie einen erheblichen freien Cashflow, was vor allem im letzten Jahr sehr wichtig war, als Anleger sehr defensiv waren, besorgt über eine Rezession und die Auswirkungen steigender Zinsen.
Dazu der KI-Hype.
Ja. Man darf nicht vergessen, dass die generative KI gerade mal ein Jahr alt ist, was die Bekanntheit auf dem Markt angeht. Und die Magnificent Seven stehen nicht nur für Beständigkeit, Stabilität und Wachstum, sie sind auch im Bereich generative KI engagiert. Besonders Microsoft, Amazon, Nvidia, Google sind in dem Sektor sehr exponiert und haben viele Möglichkeiten. Das ist die eigentliche Geschichte, wenn wir auf das Jahr 2024 blicken. Wir glauben, dass sich die Glorreichen Sieben weiterhin gut entwickeln werden, sehen aber im bisherigen Jahresverlauf schon einige Unterschiede. Amazon, Meta, Microsoft und Nvidia haben fast die ganze Arbeit für den Markt geleistet. Wir sollten die Magnificent Seven daher einzeln betrachten und anerkennen, dass jeder von ihnen individuelle Fachgebiete, Engagements und Wachstum hat. Einige sind viel besser aufgestellt als andere.
Wie geht die Entwicklung im Bereich KI weiter?
Grundsätzlich glauben wir, dass sich der Markt 2024 verbreitern wird. Die Magnificent Seven werden weiterhin an der Spitze des US-Aktienmarktes stehen, aber viele andere Sektoren und Unternehmen werden auch an dieser starken Performance teilhaben. Die wirkliche Chance liegt in diesen Bereichen, in denen die Bewertungen noch nicht so hoch sind. Bei Unternehmen, die in Bezug auf Wachstum, Nachhaltigkeit, Rentabilität und Engagements im Bereich der generativen künstlichen Intelligenz viele ähnliche Merkmale aufweisen wie die Glorreichen Sieben.
Zuletzt gaben boomende Zahlen des Halbleiterfertigers TSMC dem KI-Hype neuen Aufwind. Stehen wir hier erst am Beginn einer nachhaltigen Aufwertung oder besteht angesichts immer weiter steigender KGVs die Gefahr einer Blase?
Halbleiter sind der wichtigste Baustein für generative KI, für den Aufbau dieser großen Sprachmodelle, sie stehen im Mittelpunkt des Investitionsthemas. Alles beginnt mit Halbleitern. Bisher hört man viel über Nvidia und ihre starke Position auf dem GPU-Markt. Die Umsätze sind im letzten Jahr dramatisch gestiegen und die Aufträge nehmen weiter zu. Wir glauben, dass mit der Entwicklung von Anwendungsfällen für generative KI, die wir jede Woche, jeden Monat und jedes Jahr mehr sehen werden, auch andere Bereiche der Halbleiterindustrie gut abschneiden werden. Stromversorgungslösungen werden sehr wichtig sein, weil Halbleiter viel Strom verbrauchen. Die Unternehmen, die die Anlagen für die Herstellung von Halbleitern bauen, werden sehr wichtig sein.
Also keine Blase?
Die generative KI treibt einen massiven Investitionszyklus voran. Das ist ein technologischer Wandel, der wahrscheinlich genauso groß oder größer ist als das Internet Mitte der neunziger Jahre oder als die Mobilkommunikation Mitte 2000. Oder als Cloud Computing in den zwanziger Jahren. Vom Dollar-Standpunkt aus gesehen wird dieser Wandel größer sein und wahrscheinlich auch länger andauern. Also ja, es gibt definitiv aktuell einen Hype, aber wir glauben, dass dies im Laufe der Zeit ein sehr großer Markt sein wird und dass viele verschiedene Unternehmen davon profitieren werden. Die Chancen sind groß. Die Entwicklung wird aber nicht linear sein. Wir werden Höhen und Tiefen sehen. Es wird auch andere Bereiche des Marktes geben, die davon profitieren.
Welche Unternehmen und Branchen abseits der Glorreichen Sieben könnten durch die KI-Technologie profitieren?
Software, Halbleiter, Anwendungssoftware. Einer der wirklich interessanten Bereiche ist auch die Cybersicherheit. Wir werden einen großen und nachhaltigen Anstieg der Ausgaben für Cybersicherheit erleben, weil die generativen KI-Tools in beide Richtungen wirken. Sie geben auch Hackern eine Menge Macht und die Möglichkeit, mit weniger Mitteln deutlich mehr zu erreichen.
Welche Bereiche profitieren noch?
Wenn man anfängt, über die Anwendungsfälle für generative KI im Gesundheitswesen, bei Finanzdienstleistungen für Verbraucher und im Bildungswesen nachzudenken, dann zeigt sich der lange Schwanz der generativen KI. Man kann das Ganze von einzelnen Sektoren aus betrachten, die davon profitieren werden, aber man kann auch noch weiter gehen und darüber nachdenken, wie sich das auf das globale Wachstum, das globale BIP, auswirken wird.
Wie?
Wir werden Produktivitätssteigerungen erleben. Wir werden Kosteneinsparungen sehen. Und das wird sich in höheren Renditen und höherem Wachstum niederschlagen. Das wird nicht nur ein US-Phänomen sein, sondern marktweit. Das wird eine Art Rückenwind für das globale Wachstum sein und sich wahrscheinlich über die nächsten zehn Jahre oder länger auswirken.
Können Sie uns Unternehmen nennen, auf die Sie setzen?
Ein großartiges Unternehmen aus dem Softwarebereich ist Service Now. Service Now ist im Grunde ein Unternehmen für Workflow-Anwendungssoftware. Im Wesentlichen haben sie viel von dem, was auf Papier gemacht wurde, in ein digitales Format gebracht. Mit generativer KI können sie das noch weiter in Richtung Vorhersage verschieben und ihren Workflow beschleunigen. Wir glauben, dass Service Now da sehr gut positioniert ist.
Noch ein Tipp?
Wir glauben, dass es da draußen eine Menge wirklich interessanter Bereiche gibt, die über die Glorreichen Sieben hinausgehen. Das ist für uns die Story für den US-Aktienmarkt in den nächsten Jahren. Alles andere wird davon profitieren.
Sehen Sie denn auch Unternehmen, die das Potenzial haben, in die Phalanx der Großen Sieben einzubrechen? Adobe etwa?
Uns gefällt die Positionierung von Adobe. Wir glauben, dass sie eine klare KI-Geschichte haben, indem sie KI-Tools in ihre aktuelle Plattform einbauen – und die Kunden werden dafür bezahlen. Die Magnificent Seven sind allerdings so etwas wie der 1-Billion-Dollar-Club, das sind die Mega-Cap-Unternehmen. Ich bin mir nicht sicher, ob sie durch neue Unternehmen ergänzt werden. Ich habe eher das Gefühl, dass sich vier bis fünf der sieben von der Gruppe absetzen werden. Einige werden ihren Aufwärtstrend fortsetzen und andere vielleicht ins Stocken geraten oder ein wenig zu kämpfen haben. Ich halte es für wahrscheinlicher, dass wir es künftig mit Magnificent Five als mit Magnificent Ten zu tun haben.
Für 2024 gehen die Märkte von mehreren Leitzinssenkungen in den USA und Europa aus. Bringt das neuen Rückenwind?
Wir haben wahrscheinlich den Höhepunkt der Zinssätze gesehen. Jerome Powell hat angedeutet, dass wir im Jahr 2024 Zinssenkungen sehen könnten, und der Markt ist zuversichtlich, dass es bald dazu kommen wird. Wir sind aber der Ansicht, dass die US-Wirtschaft sehr stark ist, da Löhne und Beschäftigung gesund sind. Zinssenkungen könnten also verfrüht sein. Das ist eher eine Geschichte für die zweite Jahreshälfte, vielleicht sogar erst 2025. Man darf nicht vergessen, dass sich die Fed auf die Inflation konzentrieren wird. Wenn die Inflation weiterhin über dem Zielwert von 2% liegt, ist die Notwendigkeit von Zinssenkungen nicht wirklich gegeben. Wir gehen davon aus, dass die Fundamentaldaten auf dem Markt eine größere Rolle spielen werden als die Zinssätze.
Sind die Magnificent Seven nicht ohnehin so finanzstark, dass ihnen die Höhe der Leitzinsen weitgehend egal ist?
Das ist ein guter Punkt. Die Magnificent Seven, vor allem die Microsofts und Googles und Apples, haben großartige Bilanzen. Sie haben eine sehr niedrige Verschuldung und erwirtschaften einen sehr hohen freien Cashflow. Damit sind sie wirklich nicht von den Kapitalmärkten abhängig, wenn es um ihr Wachstum geht. Das macht diese Unternehmen sehr viel unempfindlicher gegenüber höheren Zinsen. Und das ist auch einer der Gründe, warum sie letztes Jahr so gut abgeschnitten haben.
Sie investieren auch in die lokale Start-up-Szene im Silicon Valley. Können Sie uns verraten, welche Trends und Themen sich dort abzeichnen?
Die Franklin Equity Group hat ihren Sitz im Silicon Valley in Kalifornien, das für uns die Wachstums- und Innovationshauptstadt der Welt ist. Wir konzentrieren uns zwar in erster Linie auf die öffentlichen Märkte, aber wir haben auch eine sehr große und wachsende Risikogruppe, die vorbörsliche oder private Investitionen tätigt. Diese Investitionen sind nicht nur gute Investitionen für unsere Portfolios, sondern sie verschaffen uns auch enorme Forschungsergebnisse, Einblicke und Vorteile, um diese Unternehmen zu verstehen, bevor sie an die Börse gehen.
Und wie ist dort aktuell die Lage?
Die derzeitige Marktlage ist so, dass nach einer Verlangsamung in den Jahren 2022 und 2023, als die Zinsen stiegen, eine Menge neuer und aufregender Unternehmen auf den Markt kommen. Der Markt für Risikokapital ist gesund. Wir sind noch nicht wieder auf dem Niveau von 2021, aber das Interesse ist groß und der Unternehmergeist ist beispiellos. Natürlich schauen wir auch hier auf generative KI, aber auch auf Bereiche rund um Datenanalyse, Unternehmens- und Verbrauchersoftware. Wirklich erwähnenswert ist die Biotechnologie, bei der wir in den letzten Monaten gesehen haben, dass sie zu neuem Leben erwacht ist, nachdem sie viele, viele Jahre lang am Boden lag. Das ist auf neue Entdeckungen und neue Medikamente zurückzuführen, aber auch auf die vielen Fusionen und Übernahmen, die von den großen Pharmaunternehmen getätigt wurden. Und ich denke, dass sich die Bewertungen weiter stabilisieren und nach oben bewegen werden.
Zur Person: Grant Bowers ist Senior Vice President und Portfoliomanager bei der Franklin Equity Group. Er ist der leitende Portfoliomanager des Franklin Growth Opportunities Fund, des FTIF Franklin U.S. Opportunities Fund (SICAV) und des FTVIP Franklin Large Cap Growth Fund sowie der damit verbundenen Portfolios. Er ist außerdem Mitglied des U.S. Growth Teams der Franklin Equity Group. Bowers kam 1993 als Analyst für festverzinsliche Wertpapiere zu Franklin Templeton Investments und wechselte 1998 als Analyst zur Franklin Equity Group. Zu seinen früheren Forschungsgebieten gehörten die Branchen Telekommunikation, Medien, Verlagswesen, Transport und Unternehmensdienstleistungen. Bevor er seine derzeitige Position übernahm, war er Leiter des Research-Teams für Telekommunikation und leitender Portfoliomanager des Franklin Global Communications Fund von 2002 bis 2008.
Das Interview führte Tobias Möllers.Das Interview führte Tobias Möllers .