Aktienmarkt

Nach der Wahl ist vor der Wahl

Die hohen Umsätze, welche die Kursrückgänge der letzten Wochen begleiteten, deuten auf eine Ausverkaufssituation hin. Das eröffnet die Aussicht auf ein Jahresendfeuerwerk.

Nach der Wahl ist vor der Wahl

Von Christoph Geyer*)

Die Bundestagswahl in Deutschland ist gelaufen und es wurde knapper, als sich das viele Beteiligte vorgestellt hatten. Es ist eine alte Weisheit, dass politische Börsen kurze Beine haben. So waren vor der Wahl wieder Szenarien zu lesen, in denen Experten angeblich ganz genau wussten, was der Markt tun würde, wenn die Wahl so oder anders ausfallen würde. Diese Vorhersagen haben ja schon bei der US-Präsidentschaftswahl nicht so funktioniert. Die amerikanischen Märkte stiegen gewaltig an, obwohl bei einer Wahl von Trump eher ein Einbruch vorhergesagt wurde. Auch in Deutschland wurde vor der Wahl das eine oder andere Schreckensszenario für den Dax ausgerufen. In der Realität hat sich der Markt aber eher so verhalten, wie es von der Statistik her zu erwarten war. Vor der Wahl sind die Notierungen nämlich tendenziell rückläufig gewesen, was im Übrigen auch zur Statistik der Jahreszeit passt.

Positivere Phase

Allerdings sollte ab Anfang Oktober eine positivere Phase beginnen, was sich bislang noch nicht eingestellt hat. Das aktuelle Verhalten der Marktteilnehmer zeigt wieder einmal, dass Statistik zwar eine gute Orientierung bei der Beurteilung der Lage bietet, aber eben nicht alles ist. Die technische Lage und die Indikatoren sollten eben auch anzeigen, dass es nach oben geht, damit ein Anstieg erfolgen kann. Ungeachtet dessen soll noch auf eine andere besondere statische Größe an dieser Stelle hingewiesen werden, die viele so sicher nicht auf dem Plan haben. Eine Untersuchung der letzten acht Bundestagswahljahre hat gezeigt, dass es in allen acht Fällen in diesen Jahren ab Ende September bis ca. Jahresende zu Kursavancen gekommen ist. Dabei war es völlig gleichgültig, welche politische Kombination bei der Koalitionsbildung herausgekommen ist. Es war auch nicht von Relevanz, dass zwei dieser acht Wahlen nicht Ende September stattgefunden haben.

Trendbruch

Beim Blick in die Vereinigten Staaten, deren Märkte ja gemeinhin als Leitbörsen für die Weltwirtschaft im Allgemeinen und Europa im Besonderen gelten, fällt auf, dass der volatilitätsarme Aufwärtstrend des S&P500 Anfang September gebrochen wurde. Seit diesem Trendbruch befindet sich der breitgefasste Index, mit 500 Werten der US-Wirtschaft, in einem kurzfristigen Abwärtstrend. Ein solch kurzfristiger Trend ist noch kein Grund zur Sorge, da es sich bislang nur um eine Konsolidierung im übergeordneten Aufwärtstrend handelt. Allerdings sollte diese nicht ausgeweitet werden, da sonst ein neuer übergeordneter Abwärtstrend droht.

Ähnlich sieht es an der Technologiebörse Nasdaq aus. Auch hier besteht ein übergeordneter Aufwärtstrend, der aber deutlich volatiler abläuft als beim S&P500. Wegen dieser erhöhten Volatilität ist die aktuelle Abwärtsbewegung auch deutlich als Konsolidierung zu erkennen, da sie nicht mehr und nicht weniger ausgeprägt ist als die Korrekturbewegungen der letzten Abwärtsphasen im Aufwärtstrend. Sowohl beim S&P500 als auch beim Nasdaq-Index stehen die Indikatoren vor Kaufsignalen. Dies sind gute Chancen, die Korrekturbewegungen zu beenden und die laufenden Trends wieder aufzunehmen.

Durchbruch verhindert

Beim Dax sollte sich nun auch eine bessere Phase einstellen als die der vergangenen Wochen. Schon seit April dieses Jahres war zu beobachten, dass zwar die Notierungen noch immer leicht zugelegt hatten, die Aufwärtsdynamik aber deutlich nachgelassen hat. Bei nachlassender Aufwärtsdynamik dauert es meist nicht lange, bis eine Gegenbewegung einsetzt. Nachdem das deutsche Leitbarometer im August nur noch auf der Stelle getreten hat, war es fast mit Ansage, dass der September, der ohnehin als Krisenmonat an den Börsen bekannt ist, wenig erfreulich werden würde. In der Spitze verlor der Dax dann auch rund 1000 Punkte. Auch die Volatilität hat sichtbar zugenommen. Als zuletzt die Notierungen wieder abrutschten und das Tief vom Mai getestet haben, war zu befürchten, dass ein Durchbruch nach unten erfolgt und damit ein neuer Abwärtstrend etabliert werden würde. Dieser konnte dann Anfang Oktober verhindert werden. Als kleine Randnotiz sei hier erwähnt, dass an dem Tag Anfang Oktober, an dem das Tief getestet wurde, eine Kerzenformation in Form eines Hammers generiert wurde. Solche Trendwendeformationen kommen nicht selten im Bereich von wichtigen Trendwenden vor und haben eine hohe Trefferquote.

Ausverkaufssituation

Ebenso auffällig sind die hohen Umsätze, die in den letzten Wochen der Kursrückgänge entstanden sind. Dies deutet auf eine Ausverkaufssituation hin. Unbestritten sind die Themen, die derzeit am Markt diskutiert werden (hier sei exemplarisch die Inflationsangst genannt), nicht von der Hand zu weisen. Wie lange die Marktteilnehmer diese Angst „spielen“, ist ungewiss. Die Indikatorenlage hat sich jedenfalls verbessert, und die ersten Widerstandslinien werden bereits zurückerobert. Vielleicht hält sich der Dax ja an den statistischen Plan und geht schon jetzt in den „Jahresendrally-Modus“ über. Die Chance darauf ist jedenfalls gegeben, die Marktteilnehmer haben die Wahl.

*) Christoph Geyer ist technischer Analyst bei der Commerzbank.

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