Reich der Mitte

Neuer Zinsschock für China-Aktien

Wer chinesischen Aktien die Treue halten möchte, sieht sich einer neuen Mutprobe ausgesetzt. Die Spielräume der Zentralbank für geldpolitische Manöver zur Belebung der Konjunktur werden verringert.

Neuer Zinsschock für China-Aktien

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Wer chinesischen Aktien die Treue halten möchte, sieht sich einer neuen Mutprobe ausgesetzt. Da die US-Zentralbank Federal Reserve (Fed) eine immer härtere Gangart in Sachen Entzug von monetären Stimuli anschlägt und auf globaler Ebene Zinserhöhungserwartungen neue Nahrung gibt, werden die Spielräume der chinesischen Zentralbank für geldpolitische Manöver zur Belebung der heimischen Konjunktur weiter verringert und drücken auf die Stimmung an den Märkten in Hongkong und Schanghai.

Am Freitag hat sich der latente Frust von China-Investoren wieder einmal an der Technologiefront entladen, wobei vor allem die führenden E-Commerce-Betreiber aus dem Reich der Mitte schwer Federn gelassen haben. Die Aktie des Marktführers Alibaba rutschte um 6,6% ab, während Erzrivale JD.com 6,2% im Hongkonger Handel verlor. Auch bei anderen Schwergewichtlern aus dem Internetsektor wie Tencent Holdings und Meituan Dianping halten die Investoren den Daumen nach unten, hier sah man am Freitag Kursverluste von jeweils 4,7%. Das Branchenbarometer Hang Seng Tech Index rutschte gar um 5,2% ab.

Zuletzt hatte die chinesische Regierung im Bemühen, das Marktsentiment ein wenig aufzuhellen, weitere verbale Verrenkungen gemacht, um zu bedeuten, dass die seit fast zwei Jahren laufende Regulierungs- und Restriktionskampagne im heimischen Techsektor an ideologischer Schärfe verliert. Marktteilnehmer werten dies als halbherziges Signal für einen möglichen Verzicht auf weitere Foltermaßnahmen, an das sich mittlerweile keine Kursfantasie mehr knüpfen mag. Zum einen, weil die Schäden des sich ewig hinziehenden Pekinger Feldzuges im Techsektor längst als irreparabel gelten, zum anderen, weil die starrsinnige chinesische Corona-Restriktionspolitik der heimischen Konsumkonjunktur so heftig zusetzt, dass die Internetdienstleister keine Chance haben werden, an die einstmals gewohnte Wachstumsdynamik wieder anzuknüpfen.

So geht der Kursrutsch vom Freitag auch nicht nur auf die Zinsklimamalaise zurück, sondern ist auch eine Reaktion auf einen neuerlichen Appell des chinesischen Staatspräsidenten, keinen Zentimeter von der Nulltoleranzpolitik zu Corona (Zero Covid) abzurücken und sich dem Diktat der Partei zu beugen. Demgegenüber wirkten fast zeitgleich verbreitete Versprechungen des Pekinger Regierungskabinetts, Konjunktur und Kleinunternehmen weiter zu unterstützen und die Beschäftigung zu stabilisieren, so zaghaft und schüchtern, dass kein Zweifel an einem Fortgang der Lockdown-Politik ohne Rücksicht auf Wirtschaftsverluste aufkommen mag.

Kellerkind der Börsen

Entsprechend sah man auch abseits der Tech-Szene breite Abverkaufsstimmung in Hongkong, die den Leitindex Hang Seng am Freitag 3,9% verlieren ließ und wieder unter die Marke von 20000 Punkten drückte. Auch auf dem Festland fällt die Reaktion auf den US-Zinskurs und das Zero-Covid-Bekenntnis dezidiert aus. Der Leitindex CSI 300 rutschte am Freitag um 2,5% ab und durchbrach die Resistenzmarke von 4000 Punkten erneut nach unten. Damit liegen die chinesischen Blue Chips nun wieder mehr als 20% unter dem Niveau zu Januarbeginn und „festigen“ Chinas Position als Kellerkind im weltweiten Performancevergleich der großen Börsenplätze.