China

Peking stupst den Bondmarkt an

Die chinesische Regierung scheint eine überraschende geldpolitische Kehrtwende einleiten zu wollen. In einer Verlautbarung des Staatsrates heißt es, dass die Wirtschaft zusätzliche Unter­stützung seitens der Zentralbank gebrauchen könnte und dabei...

Peking stupst den Bondmarkt an

nh Schanghai

Die chinesische Regierung scheint eine überraschende geldpolitische Kehrtwende einleiten zu wollen. In einer Verlautbarung des Staatsrates heißt es, dass die Wirtschaft zusätzliche Unter­stützung seitens der Zentralbank gebrauchen könnte und dabei insbesondere dem Bankensystem mehr Liquidität zur Verfügung gestellt werden sollte, um die Kreditvergabeaktivität im Reich der Mitte weiter anzuregen.

Das Statement des chinesischen Regierungskabinetts wird von Marktteilnehmern als regelrechter „Wink mit dem Zaunpfahl“ verstanden, dass die keineswegs unabhängig vom Staat agierende People’s Bank of China in Kürze monetäre Lockerungsschritte vornehmen wird. Dabei wird als erste konkrete Maßnahme mit einer Rücknahme des Mindestreservesatzes für chinesische Geschäftsbanken gerechnet, mit dem mehr, ansonsten bei der Zentralbank geparkte Mittel in den Geldkreislauf zurückwandern und für Kreditaus­reichungen oder auch Bond­engagements zur Verfügung stehen.

Der von oben quasi verordnete Lockerungsimpuls hat am Donnerstag seine Wirkung auf die chine­sischen Bondmärkte nicht verfehlt. Die seit Wochen zu beobachtende an­gespannte Lage am Geldmarkt dürfte nun einer Senkung von kurzfristigen Refinanzierungskosten weichen, während Bondmarktinvestoren zu Zukäufen regelrecht ermuntert werden. Die freudigen Anpassungsreaktionen haben sich am Donnerstag vor allem im Staatsanleihenmarkt entladen, den insbesondere ausländische Investorenkreise im Zuge einer Versteifung der US-Geldpolitik zugunsten von US-Treasuries gemieden hatten.

Rendite unter 3 Prozent

So fiel die Rendite auf zehnjährige heimische Regierungsanleihen um 6 Basispunkte auf 2,99% zurück und lag damit erstmals seit August 2020 wieder knapp unter der Marke von 3%. Future-Kontrakte auf dieselbe Laufzeit wiederum konnten die größten Avancen seit dem Frühjahr 2020 verbuchen. Analysten rechnen damit, dass die Rendite auf Zehnjährige nun rasch auf 2,95% zugehen wird und bis auf 2,90% fallen könnte, denn im Futures-Markt signalisiert der sogenannte Open Interest von Kontrakten, dass die Anleger Long-Positionen auf fallende Renditen eingehen.

Vor Tilgungswelle

Marktteilnehmer betonen, dass die chinesische Regierung ein manifestes Interesse daran hat, den heimischen Anleihemarkt wieder zu beleben, weil die immensen Anstrengungen zur Anregung der Konjunktur in Reaktion auf die Corona-Epidemie auf Lokalregierungsebene einen drastisch erhöhten Finanzierungsbedarf zeitigen, der nur über die Bondschiene erfüllt werden kann. Gleichzeitig stehen die Gebietskörperschaften vor einer regelrechten Tilgungswelle im Laufe der zweiten Jahreshälfte, die nur mit einer erneuten Schuldenaufnahme bewältigt werden kann.