Rally geht die Puste aus
Von Christopher Kalbhenn,
Frankfurt
Am Aktienmarkt mehren sich die Zeichen, dass der Rally die Puste ausgeht. Der Dax, der am Freitag mit einem Wochenplus von 0,3% bei 15650 Zählern geschlossen hat, hat in abgelaufenen Woche gezeigt, dass es ihm zunehmend schwer fällt, auf neue Höhen vorzurücken. An drei Tagen stieg der Index, der Mitte Juni bei 15803 sein Rekordhoch erreicht hat, über 15700, musste sich aber wieder unter die Marke zurückziehen. Letztendlich hat er sich seit Anfang Juni seitwärts bewegt.
Allerdings stagniert der Markt auf sehr hohem Niveau, was angesichts einiger Faktoren wie der Ausbreitung der Delta-Variante, der in vielen Ländern wieder steigenden Infektionen und der zunehmenden Mobilitätsbeschränkungen nun auch nicht gerade eine schlechte Performance bedeutet. Die Helaba sieht das allerdings skeptisch. „Bemerkenswert ist, dass derartige Meldungen am Aktienmarkt auf taube Ohren treffen“, so das Institut am Freitag, dem u. a. die Bewertungen Sorgen bereiten. Das KGV des Dax sei im historischen Vergleich weiterhin ambitioniert. Noch deutlicher falle die Durchschnittsabweichung beim Zwölf-Monats-Forward-KGV aus. Parallelen zum Jahr 2000 seien nicht von der Hand zu weisen. Andere Kennziffern wie das Kurs-Buchwert-Verhältnis lieferten ähnliche Hinweise. So seien Niveaus erreicht, die in der Vergangenheit Abwärtskorrekturen nach sich gezogen hätten. Die Bank verweist u. a. auch auf zunehmende Spekulation. Die immer größer werdende Community, die sich durch das Spekulieren mit den sogenannten Meme-Aktien ein bisschen Spaß gönne und problembehafteten Firmen zu enormen Kurssprüngen verhelfe, könne als Warnsignal verstanden werden. Bislang schienen die Märkte angesichts des Niedrigzinsumfeldes mit Blick auf hohe Bewertungen sorglos zu agieren. Die überwiegend geringe Marktvolatilität untermauere diesen Eindruck. Aber genau diese Konstellationen bärgen die Gefahr für deutliche Momentum-Ausbrüche, so das Institut, das ein erhöhtes Risiko für Rücksetzer sieht und den Dax Ende September bzw. zum Jahresende bei 14000 bzw. 14500 Punkten erwartet.
Die Commerzbank geht zwar davon aus, dass der Dax zunächst noch neue Rekorde erreichen wird, ist aber mittelfristig ebenfalls eher skeptisch. Das Konjunkturumfeld und die Unternehmensgewinne sprächen weiterhin für Kursgewinne. Hingegen mahnten die bereits hohe Bewertung und das sehr positive Anlegersentiment zur Vorsicht. „Somit dürfte der Dax im Vorfeld der Berichtssaison für das zweite Quartal zwar über 16000 Punkte steigen“, so die Bank. Für das zweite Halbjahr sei aber zumindest mit einer größeren Volatilität zu rechnen. „Denn dann könnten das schwache Geldmengenwachstum in China, das relativ hohe Niveau der Inflationserwartungen und die bereits rekordhohen Frühindikatoren die Kurse zunehmend belasten.“
Die LBBW hält das Potenzial des zweiten Halbjahres für begrenzt und erwartet den Dax zum Ultimo bei 16000 Punkten. Die Gewinndynamik habe ihren Zenit inzwischen weltweit überschritten. „Mit der sukzessiven Rückkehr zur Normalität dürften die Gewinnwachstumsraten in den kommenden Monaten sogar noch weiter sinken und sich damit wieder ,normaleren‘ Niveaus angleichen“, so die Bank. Aus Sicht der Anleger bedeute dies nichts anderes, als dass ein gutes Stück Fantasie nun sukzessive schwinde. „Temporär täte dem Markt eine sommerliche Atempause daher wohl durchaus gut.“