Reden ist besser als Verkaufen
Von Wolf Brandes, Frankfurt
Im Rahmen einer zunehmenden Bedeutung von ESG wird auch die Governance (G) für Assetmanager immer wichtiger. Eine verantwortungsvolle Unternehmensführung wird dabei oft als Schlüsselelement angesehen, um ESG-Risiken zu beherrschen. Wichtig für Investoren sind dabei Engagement und Proxy Voting, wie M.M.Warburg und ihre Fondsgesellschaft Warburg Invest herausstellen.
Stimmen organisieren
Nach Ansicht von Christian Aselmann, Sustainable Investment Manager bei Warburg Invest, liegt in dem Thema Engagement ein großer Hebel, um die anstehenden ökologischen und sozialen Herausforderungen angehen zu können. „Damit hat man Einfluss auf die Unternehmen, der bei einem Desinvestment fehlt.“ Eine wichtige Methode für ihn ist das Proxy Voting, also die gezielte Stimmrechtsvertretung. „Das haben wir neu aufgesetzt, um in der Breite und umfassend bei den Hauptversammlungen abstimmen zu können.“ Diese digitale Abstimmungsmethode sei sehr effizient und dazu hat das Haus eine Vereinbarung mit dem Stimmrechtsberater ISS abgeschlossen. „Das ist eine gute Lösung für kleine und mittelständische Assetmanager wie unser Haus, denn wir verfügen nicht über die Ressourcen, uns um jede einzelne Hauptversammlung und jede einzelne Abstimmung direkt zu kümmern.“
Das Daten- und Analysehaus ISS ist seit einem Jahr eine Tochter der Deutschen Börse und wirbt mit einer integrierten Plattform für Proxy Research, Abstimmung und Berichterstattung. Der internationale Ansatz war Warburg wichtig. „In der Vergangenheit haben wir nur für die deutschen Titel abgestimmt und dazu mit der DSW zusammengearbeitet“, sagt Aselmann und weist daraufhin, dass sein Haus die Abstimmungsergebnisse auf dessen Webseite publiziert. „So sorgen wir für ein hohes Maß an Transparenz.“
Auf den Zahn fühlen
Im Rahmen der direkten Gespräche mit Unternehmen (Engagement Calls) über Nachhaltigkeitsthemen will Robin Saerbeck, Portfoliomanager bei M.M.Warburg, Einfluss nehmen. „Wir haben beispielsweise mit Adidas über die WM in Katar gesprochen sowie die Möglichkeit eines Boykotts diskutiert.“ Sponsoring bei sportlichen Großveranstaltungen ist in der Branche immer wieder ein Thema. Meist wird versucht, zwischen zweifelhaften Rahmenbedingungen und sportlichem Wettkampf zu trennen. Wie wichtig diese Unterscheidung für Sponsoren ist, zeigte Adidas. So kündigte das Unternehmen 2016 seinen Sponsorenvertrag mit dem Leichtathletikweltverband wegen dessen Verstrickungen in ein weltweites Dopingsystem.
Ein weiteres Beispiel sind Gespräche von Warburg mit Shell, bei denen die Portfoliomanager die Aktivitäten in Nigeria kritisieren und auf einen Verkauf gedrängt haben. „Zu dem Zeitpunkt hatten wir die Aktie auf unserer schwarzen Liste. Wir waren nicht die Einzigen, die das Problem angesprochen haben und etwa sechs Monate später hat Shell reagiert“, berichtet Saerbeck. Shell hatte angekündigt, sein Nigeria-Joint Venture zu veräußern, weil die Aktivitäten im Nigerdelta mit dem Netto-null-Ziel unvereinbar seien. Für Warburg geht der Schritt in die richtige Richtung.
Ein anderer Konzern, dessen Aktivitäten Warburg kritisch hinterfragt, ist das norwegische Energieunternehmen Equinor. „Das haben wir mit dem Thema Fracking konfrontiert. Dabei haben wir erfahren, dass das Unternehmen versucht, über Carbon Capture CO2 einzusparen.“ Das Problem bei Kohlenstoffabscheidung und -speicherung sind die hohen Kosten.
Transparenz als Ziel
Das jüngste Engagement-Gespräch führte Warburg mit dem Baustoffunternehmen Heidelberg Cement, das einer der größten Treibhausgasemittenten in Europa und gleichzeitig ein wichtiger Wert im Portfolio ist. Im Anschluss an die Gespräche mit den jeweiligen Unternehmensvertretern veröffentlicht die Bank einen Kurzbericht auf der Webseite. „Hierdurch können wir einerseits zusätzlichen Druck auf das Unternehmen ausüben. Andererseits ist dies auch eine Möglichkeit, positive Maßnahmen bzw. Fortschritte des jeweiligen Unternehmens transparent darzustellen“, so Aselmann. Dabei nutzen die ESG-Fachleute auch zusätzliche Ressourcen wie Research von MSCI. Ziel sei es, ein Gespräch pro Monat zu führen und zu dokumentieren. „Ein K.-o.-Kriterium ist der UN Global Compact. Wenn dieser nicht eingehalten wird, ist das gleichbedeutend mit einem Ausschluss“, sagt Aselmann.
Gemeinsam agieren
Ein weiteres Instrument ist das Pooled Engagement. „Dabei arbeiten wir auch mit ISS zusammen, die die Gespräche inhaltlich vorbereiten und durchführen. Leider ist dieses Instrument nicht ganz so transparent wie ein One-on-One-Gespräch. ISS möchte nicht, dass der Gesprächsverlauf öffentlich wiedergegeben wird, damit in den Gesprächen mit den Unternehmen offen und kontrovers gesprochen werden kann“, berichtet Aselmann.
Unter Active Ownership fassen Saerbeck und Aselmann zudem Aktivitäten im Bereich der Nebenwerte. Bis zu 60% der Titel werden oder wurden von ESG-Ratingagenturen nicht bewertet. „Um hier dennoch transparent zu sein, haben wir die nicht gecoverten Unternehmen in unseren Portfolios kürzlich mit einem von uns entwickelten Fragebogen kontaktiert. So erfahren wir, wie sie im Bereich ESG positioniert sind“, so Aselmann. Die gesammelten Informationen sollen im ersten Quartal 2022 auf der Webseite veröffentlicht werden. „Ziel unserer Arbeit ist es, dass wir mit unseren Investitionen keine negativen externen Effekte verursachen.“