Renminbi bleibt in der Nebenrolle
Von Xueming Song *)
An den Kapitalmärkten wird derzeit intensiv über die Aussichten für den Renminbi diskutiert: Während die eine Fraktion der Ansicht ist, dass die chinesische Landeswährung wieder stärker werden wird, wenn die Wirtschaft nach dem Corona-Lockdown Fahrt aufnimmt, vertritt die andere die Auffassung, dass der Außenwert des Renminbi angesichts der Herausforderungen, vor denen China steht, sinken wird. Doch mit Verlaub – nachdem Russland die Ukraine überfallen hat, in Europa ein kalter Krieg ausgebrochen ist und der Konflikt zwischen China und dem Westen immer schärfer wird, gibt es grundsätzlichere Fragen als die kürzer- und längerfristige Bewertung der chinesischen Landeswährung.
Nutzung im Außenhandel
Ganz allgemein bemisst sich die internationale Bedeutung einer Währung daran, wie sie für den Zahlungsverkehr und Investitionszwecke verwendet sowie als Reservewährung gehalten wird. Für den Außenhandel wurde die chinesische Landeswährung seit 2008 verstärkt eingesetzt, vor allem im Geschäft mit den Nachbarländern. Mit der Unterstützung der chinesischen Zentralbank stieg der Anteil des Renminbi innerhalb einer Dekade allmählich auf rund 15%. Seit der Covid-19-Krise dürfte sich die Nutzung im Außenhandel zwischen 15 und 20% eingependelt haben. Nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs wird der Anteil aber wohl stark steigen, da Russland verstärkt auf die chinesische Landeswährung zurückgreift. Für Chinas Außenhandel spielt der Renminbi also eine bereits wichtige Rolle.
Auf Grundlage des Swift-Zahlungsverkehrs sieht die Lage zunächst anders aus: Die chinesische Landeswährung macht nur etwa 2% der weltweit durchgeführten Zahlungen aus – fast unverändert seit 2015. Der Hauptgrund dürfte unbestritten sein: Der Renminbi steht weiterhin unter Kapitalverkehrskontrolle und ist somit nicht frei konvertierbar. Der Swift-Anteil erfasst allerdings auch nicht alle Zahlungen. Die inzwischen großen Investitionen der internationalen Investoren in China etwa werden in der Regel direkt über das China Foreign Exchange Trade System abgerechnet, nicht über Swift.
Gleichzeitig haben seit 2017 die weltweit großen Indizes, die für internationale Investoren als Benchmark gelten, die chinesische Landeswährung aber allmählich aufgenommen. Die Stärke der chinesischen Landeswährung in den vergangenen zwei Jahren ist nicht zuletzt durch diesen Kapitalzufluss zu erklären. Schätzungen gehen hier von bis zu 500 Mrd. Dollar aus.
Als Reservewährung spielt der Renminbi mit einem Anteil von rund 2% noch keine große Rolle. Es ist jedoch davon auszugehen, dass dieser Anteil steigen wird, nachdem der Internationale Währungsfonds Chinas Anteil in den Special Drawing Rights (SDR) von bisher 10,92 auf 12,23% angehoben hat. Auch wirtschaftlich sind die Voraussetzungen für eine Weltwährung gegeben: China hat die zweitgrößte Ökonomie der Welt, ist größter Handelspartner für fast alle bedeutenden Länder und hat einen inzwischen durchaus gut ausgebauten Kapitalmarkt.
Doch auch die institutionellen Bedingungen sind unverzichtbar, nämlich freier Kapitalverkehr und Rechtsstaatlichkeit. Ausgerechnet hier ist keine Besserung in Sicht, und so stehen internationale Handelspartner und Investoren dem Renminbi skeptisch gegenüber, weshalb seine Rolle auch weiterhin beschränkt bleiben wird.
Und obwohl China die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine Weltwährung erfüllt, bleibt die Frage der Nachhaltigkeit. Die Null-Covid-Politik hat das Vertrauen internationaler Handelspartner und Investoren erschüttert. Viele internationale Unternehmen wollen ihre Präsenz in China verringern, um ihre Lieferketten sicherer zu machen. Das hat unweigerlich Folgen für den Arbeitsmarkt und damit den Konsum.
Mittel- bis langfristig sind auch der Immobiliensektor, die Demografie und die Innovationskraft von großer Bedeutung. Zurzeit stecken fast alle Immobilienentwickler in Zahlungsschwierigkeiten. Ferner können viele Hauskäufer aufgrund des Lockdowns ihre Hauskreditraten nicht voll zahlen. Beides zusammen kann sich zu einem explosiven Gemisch entwickeln. Erste Zeichen einer „Balance Sheet Recession“ – ein Begriff aus der jahrzehntelangen Rezession nach dem Immobilien-Crash in Japan – kann man in China schon beobachten. Das ist eine Rezession, in der die Haushalte oder Unternehmen ihre Finanzmittel nur einsetzen, um Immobilienkredite zurückzuzahlen, nicht aber um zu konsumieren.
Das Immobilienproblem könnte noch verstärkt werden durch die Entwicklung der Demografie. Die Anzahl der aktiven Bevölkerung schrumpft schon seit 2017 jährlich um fünf bis zehn Millionen Menschen. Mit der Alterung nimmt die Innovationskraft der Volkswirtschaft ebenfalls ab. Die binnenwirtschaftlichen Herausforderungen sind also enorm und damit könnten sie die Basis des Renminbi als Weltwährung erodieren.
Außenwirtschaftlich sind die Herausforderungen nicht geringer. Der Handelskonflikt mit den USA hat dem Export bisher zwar nicht geschadet, das hat aber mit der Covid-19-Krise und der damit einhergehenden Verschiebung der Nachfragestruktur zu tun: Der Export von Masken und Homeoffice-Produkten boomte. Auch bei den Wirtschaftsbeziehungen zur EU steht es nicht zum Besten: Das Einfrieren des Investitionsabkommens, gegenseitige Sanktionen aufgrund der Menschrechtsverletzungen in Xinjiang sind nur die prominentesten Beispiele für die Probleme. Das alles schwächt die Rolle Chinas in der Weltwirtschaft und des Renminbi als Weltwährung.
Noch größere Probleme
Die zuletzt aufgetretenen geostrategischen Aspekte bringen China und seiner Landeswährung sogar noch größere Probleme. Nachdem China im Februar 2022 „unbegrenzte Freundschaft“ zu Russland geschworen hatte, musste das Land an der Seite Russlands bleiben, nachdem Russland die Ukraine angegriffen hatte. Einerseits bietet das China leichten Zugang zu billigen Rohstoffen, allem voran Erdöl und -gas, bringt das Land aber auch an den Rand möglicher Sanktionen durch den Westen. Falls China mit Russland wirtschaftlich und militärisch eng kooperieren würde, könnten die bestehenden Sanktionen beziehungsweise Exporteinschränkungen bei Hightech-Produkten erweitert werden. Das würde China empfindlich treffen.
Ginge es nach China, wäre der Renminbi längst eine der wichtigsten Währungen der Welt. In Realität spielt die Währung international aber eine viel geringere Rolle, als es der Wirtschaftskraft Chinas entsprechen würde. Das liegt an binnenwirtschaftlichen Herausforderungen, aber auch außenwirtschaftliche und geopolitische Gründe spielen eine große Rolle. Würde China mit dem Westen kooperieren, wäre das nicht mit dem eigenen Anspruch einer Weltmacht vereinbar. Bildet China mit Russland einen Block, würde das Land den gesamten Absatzmarkt im Westen verlieren, und somit wäre die Vision von der Weltwährung Renminbi am Ende.
*) Xueming Song ist Chief Currency Strategist der DWS.