Schaefflers Finanzierung kann sich sehen lassen
Von Gerhard Wolf*)
Volatilität prägt das Bild von Schaeffler. Das zeigt sich an der Entwicklung der finanziellen Leistungsindikatoren genauso wie am Aktienkurs, an den Credit Spreads der Bonds sowie am CDS. Ist das gerechtfertigt? Vor allem für Credit-Investoren, die auf eine sichere Zinszahlung und Tilgungsleistung respektive Refinanzierungsfähigkeit setzen?
Die börsennotierte Schaeffler Gruppe produziert vor allem Präzisionskomponenten für den Antriebsstrang und das Fahrwerk im Auto. Hinzu kommen Wälz- und Gleitlagerlösungen für eine Vielzahl von Industrieanwendungen. Daher bestimmt die Zyklizität ihrer Abnehmer das Geschäftsprofil. Das Management von Schaeffler hatte gerade die Unternehmensprognose 2022 verabschiedet, mit Umsatzwachstum und einem Free Cashflow von 300 Mill. Euro – und schon machte der Kriegsausbruch in der Ukraine einen Strich durch die Rechnung. Die Prognose wurde kassiert, Firma und Investoren stehen verunsichert da.
Dabei ist es weniger die Sorge um einen Absatzeinbruch in Russland, es sind im Wesentlichen die steigenden Rohstoff- und Energiepreise, die sich in hohen Kosten für die eigene Produktion, aber auch für Vorprodukte niederschlagen. Dazu kommen Produktionsstopps bei den Herstellern durch fehlende Kabelbäume, aber auch Logistikprobleme durch fehlende Fahrer.
Dieser möglicherweise erneute Rückgang der Erträge reiht sich ein in eine Abfolge von Krisen: Halbleiterkrise 2021, Coronakrise 2020, und auch die Jahre 2018 und 2019 waren keine wirklich starken Wachstumsjahre. Ein nur leichtes Umsatzplus ging einher mit einer stetig rückläufigen Ebit-Marge.
An der Börse abgestraft
Das schlägt sich nieder im Aktienkurs. Dieser zeigt seit Jahresanfang eine Performance von –22% mit Beschleunigung seit Mitte Februar. Acht Kaufen-Empfehlungen stehen elf Halten- oder Verkaufen-Empfehlungen gegenüber. Für Credit-Verhältnisse noch schlimmer ist die Entwicklung bei den Bonds. Der derzeit relativ gesehen noch liquideste Bond mit Fälligkeit 10/2028 stürzte von 112% auf 98% ab. Der Z-Spread weitete sich von 130 Basispunkten (BP) zu Jahresbeginn auf 300 BP aus. Nach einer leichten Beruhigung steht er aktuell bei 266 BP, immer noch doppelt so hoch wie vor dem Ukraine-Krieg. Ein etwas moderateres Bild zeigt sich beim CDS, der sich von 150 BP auf aktuell 215 BP ausweitete.
Schaeffler kennt Volatilität und Unsicherheit gut – und was eine hohe Verschuldung bedeutet. Daher lohnt sich ein Blick auf die Finanzierungsseite. Mit der Coronakrise wurde die strategische Liquidität deutlich erhöht. War man bis 2019 noch mit knapp 700 Mill. Euro an Barmitteln ausgestattet, liegen diese aktuell bei 1,8 Mrd. Euro. Das entspricht 13% des Umsatzes oder einem 1,6-fachen durchschnittlichen Monatsumsatz. Mit dieser Reserve, die zwar Geld kostet, aber Sicherheit verschafft, konnte man die Coronakrise auf ihrem wirtschaftlichen Tiefpunkt gut überwinden. Auch die Vorsorge vor einem Liquiditätsengpass wurde aufgestockt. Von 1,3 auf 1,8 Mrd. Euro wurde 2019 die Barlinie (Revolving Credit Facility, RCF) erhöht. Letztes Jahr wurde zudem die Fälligkeit von September 2023 um ein Jahr auf 2024 verlängert. An die Liquiditätsbetrachtung kann man daher einen Haken machen. Diese passt mehr als gut.
Die Finanzierung selbst hat Schaeffler in den letzten Jahren konsequent in Kapitalmarktprodukte gedreht. Aktuell stehen vier Senior Bonds aus, mit einem Gesamtvolumen von 2950 Mill. Euro. Alle vier sind in Euro denominiert. Die letzte Neuemission erfolgte 2020 im Coronakrisenjahr mit dem Bond 10/2028. Konsequent wurde dabei auch am Fälligkeitenprofil gearbeitet. So verteilt sich die Fälligkeit zwischenzeitlich auf die Jahre 2024 bis 2028. Das bedeutet, kurzfristig besteht kein Refinanzierungsdruck, weshalb vorerst keine erneute Bondemission zu erwarten sein dürfte. Im Gegenteil, die Situation ist so komfortabel, dass der Bond mit der Fälligkeit 03/2022 aus der bestehenden Liquidität zurückbezahlt wurde.
Neben den vier Senior Bonds und dem RCF wurden 2020 zudem erstmals Schuldscheindarlehen in Höhe von ursprünglich 560 Mill. Euro aufgenommen, verteilt auf verschiedene Fälligkeiten bis 2030. Aktuell stehen noch 300 Mill. Euro aus. Diese SSDs sind zudem das erste Green-Finance-Produkt von Schaeffler, nachdem 2018 bereits ein Green Finance Framework aufgesetzt wurde. Die Fälligkeitenstruktur ist damit ebenfalls sehr gut, und auch der Finanzierungsmix, ergänzt um eine Commercial-Paper-Linie, ebenfalls nicht genutzt, kann sich sehen lassen.
Leverage rückläufig
Betrachtet man die Bruttoverschuldung direkt, so hat sich diese im Coronajahr 2020 zwar aufgebaut auf 4,1 Mrd. Euro, aber ausschließlich zur Erhöhung der Kassenposition. Netto ging die Finanzverschuldung zurück und liegt aktuell mit knapp 2 Mrd. Euro auf dem niedrigsten Niveau, seit Schaeffler am Kapitalmarkt tätig ist.
Das zeigt sich auch in den Kreditkennzahlen. Der Leverage, das Verhältnis von Ebitda zu Nettofinanzverschuldung, verbesserte sich 2021 auf 0,9-fach. In den Vorjahren standen hier jeweils 1,3-fach bzw. 1,2-fach. Die Verbesserung 2021 ist vor allem der Doppelpass aus Ergebnisverbesserung im Ebitda (von 1,8 auf 2,2 Mrd. Euro) bei gleichzeitiger Reduzierung der Nettoverschuldung um rund 350 Mill. Euro.
Die weniger an kurzfristigen Ertragsschwankungen orientierte Kennzahl Gearing – sie misst die Nettofinanzverschuldung im Verhältnis zum Eigenkapital – verbesserte sich ebenfalls deutlich von 114% auf 62%. Auch dies ist dem Effekt von zwei positiven Entwicklungen geschuldet. Einerseits verbesserte sich das im Vorjahr durch Abschreibungen belastete Eigenkapital um 1,1 auf 3,2 Mrd. Euro. Zum anderen reduzierte sich die Nettofinanzverschuldung.
Umbau Richtung E-Mobilität
Natürlich ist das Geschäftsprofil weiterhin hochvolatil. So macht das Automotive-Geschäft mit der Zulieferung an Autohersteller rund 60% vom Umsatz aus. Das Geschäft befindet sich mitten im Umbau in Richtung E-Mobilität. Aber gerade in diesem Zukunftsgeschäft gewinnt Schaeffler zunehmend Aufträge. 2021 lag der Auftragseingang bei sehr ordentlichen 3,2 Mrd. Euro. Geplant waren 1,5 bis 2,0 Mrd. Euro. Deutlich stabiler und margenträchtiger ist das Aftermarkets-Geschäft, auf welches rund 13% vom Umsatz entfallen. Die dritte Sparte Industrie bedient u. a. die Wachstumsmärkte erneuerbare Energien, Transport (außerhalb Autos) und Industrieautomation. Hier wurde in den letzten Jahren saniert und umgebaut. Heute erntet Schaeffler die Früchte dieses Kurses. 2021 trug diese Sparte 34% zum Gruppen-Ebit bei, und das bei einem Umsatzanteil von 26%.
Bei aller Volatilität und Unsicherheit über die Zukunft: Die Liquidität ist sehr komfortabel, die vorhandene Verschuldung solide und langfristig finanziert. Somit gibt gerade die Finanzierungsabteilung dem Geschäftsprofil die nötige Stabilität. Ein rares Gut in diesen Zeiten.
*) Gerhard Wolf ist Leiter der Gruppe Corporates im Research der LBBW.