Schwieriges Umfeld für Aufspaltung von GE
Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt
Das Konglomerat General Electric (GE) war einmal die Ikone der amerikanischen Industrie. Über viele Jahre nahm der Konzern die Position des gemessen an der Marktkapitalisierung wertvollsten Unternehmens der Welt ein. Sein langjähriger CEO Jack Welch war der amerikanische Management-Guru schlechthin. Der ab 1981 amtierende Unternehmenschef verwandelte GE durch eine über viele Jahre laufende Zukaufstrategie in das Konglomerat, das es in weiten Teilen bislang noch ist und dessen Struktur aufgrund zahlreicher Probleme und des Wertabschlags für Konglomerate an der Börse nun beseitigt werden soll.
Endgültig vorbei sind die Zeiten, in denen in Geschäftsbereiche wie Beleuchtung, Haushaltsgeräte, Medizintechnik, Leasing, Rückversicherungen, Finanzderivate, Kreditvergabe, Processing von Kreditkartenzahlungen, Diesellokomotiven, Düsentriebwerke, Wasseraufbereitung, Stromerzeugung und Verteilung, Investment Banking und nicht zuletzt Medien und Unterhaltung investiert wurde. Bereits Welchs Nachfolger Jeffrey Immelt hatte zur Reduzierung der enormen Verschuldung die Exzesse der Ära Welch abzubauen versucht, wobei die Verkäufe nicht immer zum wertmäßig besten Zeitpunkt erfolgen konnten. Der gegenwärtige Konzernchef Larry Culp räumt nun endgültig auf, er zerlegt GE in drei Bereiche.
Dabei stand GE niemals an der Spitze der Erfolgsranglisten. So erzeugte Welch über seine Amtszeit zwar einen Total Shareholder Return von 2504%, sein zeitgleich weitaus weniger im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehender Kollege Reuben Mark von Colgate-Palmolive aber 3372%. Von 1984 bis Ende 2020 kam GE auf einen Total Shareholder Return von 745%, der gesamte S&P500 aber auf 3385% und Colgate auf 10254%.
Starke Wertverluste
Das ist nun allerdings alles längst Geschichte – nun wurden die Namen der drei Gesellschaften, in die sich GE aufspaltet, bekannt gegeben. Das Energiegeschäft heißt künftig GE Vernova, die beiden anderen weniger poetisch GE Aerospace und GE Healthcare. GE Vernova soll 2024 abgespalten werden, GE Healthcare bereits Anfang 2023. Für den Anleger stellt sich nun die Frage, ob sich mit der Teilung des Konzerns die Perspektiven deutlich verbessern und ob die Aktie nun wieder attraktiv wird. Im bisherigen Jahresverlauf hat das Papier schwer enttäuscht. Es büßte mehr als 28% an Wert ein. Dies vergleicht sich mit einem Verlust des Benchmark-Index S&P500 von lediglich 17%. Die Ankündigung der Aufteilung im November 2021 hatte noch einen Kurssprung von 17% ausgelöst, von der Euphorie ist allerdings nichts mehr geblieben. Auf Sicht von einem Jahr ergibt sich für GE sogar ein Wertverlust von 33,5%, für den S&P500 lediglich ein Rücksetzer um rund 10 %.
Aktuell bietet GE ein gemischtes Bild. Im ersten Quartal per 31. März haben die Aufträge zwar um 13% zugenommen, das organische Umsatzwachstum betrug indes nur 1% – allerdings vor dem Hintergrund der Lieferkettenunterbrechungen und des Lockdowns in China. Das Luftfahrtgeschäft läuft sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich gut, wobei zu erwarten ist, dass der Militärbereich ein Highlight bleiben wird, unter anderem wegen der Fortschritte bei Triebwerken für die amerikanischen Kampfflugzeuge F-35A und F-35C. Allerdings ist die Verschuldung nach wie vor hoch und im ersten Quartal hat es beim Cashflow einen Abfluss von 0,9 Mrd. Dollar gegeben. Unterm Strich ergab sich ein Verlust von 729 Mill. Dollar, nach einem Minus von 3,5 Mrd. Dollar im Schlussviertel 2021.
Zudem hat sich mit Blick auf die kommenden Quartale das makroökonomische Umfeld stark eingetrübt. Aufgrund des Ukraine-Kriegs und der dadurch verstärkten Energiekrise droht eine schwere weltweite Rezession bei gleichzeitig hoher Inflation. Dies trifft insbesondere Unternehmen aus dem Bereich der Industrie wie GE, die als Teile der Realwirtschaft im Gegensatz zur Finanzwirtschaft kaum mit Stützung durch die Notenbanken rechnen können.
Zudem dauert die Beeinträchtigung der Lieferketten nun schon deutlich länger als erwartet und eine rasche Besserung ist nicht abzusehen. Die Probleme für die amerikanische Industrie und damit auch für GE dürften sich noch erheblich verschärfen, wenn die Biden-Administration ihren gegenwärtigen Kurs gegenüber China beibehält, der in einem umfassenden Wirtschaftskrieg münden könnte. Nicht übersehen werden sollte auch, dass die Aufspaltung des Konzerns erhebliche Risiken birgt. Eine derart komplexe Transaktion ist schwierig abzuwickeln, zumal sich das ökonomische Umfeld deutlich verschlechtert hat.
Die Analystengemeinde hingegen hat sich ihre Zuversicht hinsichtlich der Aufspaltung und der allgemeinen Aussichten bisher noch erhalten. Von 21 Banken, die die Aktie auf ihrem Radarschirm haben, raten 13 zum Kauf, während ein Haus die Aktie mit „Overweight“ einstuft. Sieben Analysten raten dazu, die Aktie im Portfolio zu behalten. Verkaufsempfehlungen gibt es gar keine. Allerdings nimmt die Skepsis zu. So haben die Analysten von Barclays nach dem Quartalsergebnis das Kursziel für GE von 115 Dollar auf 100 Dollar gesenkt und darauf hingewiesen, dass noch mehr Kostensenkungsmaßnahmen erforderlich sein könnten, um das Vertrauen der Anleger zu erhalten.
J.P. Morgan stuft den Titel mit „Neutral“ ein, die Bank rechnet im zweiten Halbjahr mit zunehmenden Risiken für GE, wobei das Management vorausgesagt habe, dass in diesem Jahr 65% der operativen Gewinne im zweiten Halbjahr erzielt werden sollen, verglichen mit einem historischen Durchschnitt von ungefähr 55%. Die eigenen Schätzungen, so betont J.P. Morgan, lägen um 30 bis 35% unter den mittlerweile revidierten Konsenserwartungen, die wiederum nun auf das untere Ende der von GE genannten Bandbreite zielen. Das Kursziel der US-Großbank für die Aktie liegt bei lediglich 55 Dollar. Der Konzern erziele einen überdurchschnittlich großen Anteil seines Geschäfts in China und Russland, wobei dieses für mehr als 15% der Gewinne verantwortlich sei. Dies habe der Marktkonsens in seinen Erwartungen noch nicht ausreichend berücksichtigt.
Nicht wenige Stimmen gehen davon aus, dass GE mit der Vorlage der Zahlen für das zweite Quartal seine Prognose für das laufende Jahr nach unten korrigieren muss.