SdK wettert gegen Aufsicht und Regulierung
wbr Frankfurt – Auf der Online-Jahrespressekonferenz hat die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) über die Schattenseiten des Kapitalmarktes berichtet. In diesem Jahr beklagte die SdK Missstände in der Regulierung und der Aufsicht. Dass 2020 aus Anlegersicht in die Geschichtsbücher eingehen werde, liegt für Daniel Bauer, Vorstandsvorsitzender der SdK, an Wirecard. Erstmals wurde ein Insolvenzverfahren über ein Dax-Unternehmen eröffnet. Für Bauer ist so ein jahrelanges Schauspiel an der Börse zu Ende gegangen: “Wir blicken auf beispielloses Versagen von Wirtschaftsprüfern und Behörden zurück.”Die SdK berichtete vom Stand der juristischen Verfahren in der Causa Wirecard. Sie bietet Investoren mit dem Prozessfinanzierer Litfin und Phoenix Investor Services, die sich auf die Abwicklung von Massenverfahren spezialisiert haben, die Teilnahme an einer Sammelklage an. Es geht um Schadenersatzansprüche gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY). Die Prüfer seien für die SdK einer der Hauptverantwortlichen in dem Skandal. “Wir werden daher EY als Abschlussprüfer bei Unternehmen künftig immer ablehnen, solange das Thema nicht aufgeklärt ist”, so die Schutzgemeinschaft. Das Interesse an einer Klage sei groß, berichtete Bauer. Mittlerweile hätten sich 16 000 Aktionäre und 9 000 Besitzer von Wirecard-Zertifikaten und Anlagen gemeldet. 7 000 davon hätten sich für die Klage registriert.Neben der zivilrechtlichen Schadenersatzklage gegen EY hat die SdK angekündigt, dass sie im Bilanzskandal eine Schadenersatzklage gegen Deutschland und die BaFin anstrebt. Sie argumentiert, dass Deutschland eine EU-Transparenzrichtlinie zum Anlegerschutz fehlerhaft umgesetzt habe. Damit lägen Voraussetzungen einer Haftung der Bundesrepublik und der BaFin vor, so die SdK. Vorstand Bauer erneuerte seine scharfe Kritik an der Finanzaufsicht, die vielen Hinweisen “nicht hinreichend nachgegangen” sei. Für die SdK bestehe weiterhin der Eindruck, dass Kritiker von der BaFin unangemessen angegangen worden seien. Als Beispiel nannte er das aus seiner Sicht voreilige Leerverkaufsverbot. “Die BaFin hat immer angenommen, Wirecard sind die Guten und alle anderen sind die Bösen.” Aus Sicht der SdK sollte der Bundesrechnungshof bei der BaFin eine Sonderprüfung durchführen. Bauer verweist in dem Zusammenhang auf den immensen Schaden, den die Insolvenz für die Anleger bedeute. Der SdK-Chef geht davon aus, dass Anleger wahrscheinlich mehr als 20 Mrd. Euro verloren haben. Das ist das Siebenfache des Schadens, den die Gläubiger des Finanzdienstleisters verkraften müssten. Virtuelle HV in der KritikNeben dem Wirecard-Skandal äußerte sich die SdK in ihrer Jahresbilanz zu weiteren Entwicklungen am Kapitalmarkt, die die Rechte der Aktionäre einschränken. Ein Dorn im Auge ist den Anlegerschützern die im Rahmen des Covid-19-Gesetzes eingeführte vereinfachte virtuelle Hauptversammlung. Die SdK fordert deutliche Nachbesserungen, da es keine technischen Gründe gebe, Anlegerrechte so stark einzuschränken. “Wir befürchten, dass die Aktionärskultur weiter massiven Schaden nehmen wird”, sagte SdK-Vorstand Markus Kienle. “Kein Fragerecht, kein Antragsrecht, keine Interaktion. Das darf sich in einer Post-Corona-Zeit nicht verfestigen”, meinte Kienle und befürchtet, dass eine Notfallsituation missbraucht werde, die abgespeckte HV dauerhaft einzuführen. Kienle begrüßte den Vorstoß von CDU und CSU, das Frage- und Antragsrecht wieder einzuführen.Ein großes Ärgernis ist aus Sicht der SdK die Art, wie in Deutschland einige Unternehmen von der Börse genommen werden. “Delisting führt zu einer Milliardenumverteilung, freie Aktionäre werden legal ausgeraubt”, so Kienle. Es habe sich gezeigt, dass der Durchschnittsbörsenkurs, der einer Abfindung zugrundegelegt werde, meist nicht dem fairen Wert einer Gesellschaft entspreche. Die SdK fordert, dass gerichtlich überprüft wird, ob ein Abfindungsangebot angemessen ist.