Southwest Airlines hat zu kämpfen
Von Lisa Schmelzer, Frankfurt
Einst pilgerten Luftfahrt-Manager aus aller Welt zu Southwest Airlines, um das Handwerk eines Low-Cost-Carriers zu lernen. Die amerikanische Airline gilt als Mutter aller Billigfluggesellschaften. Von dem einstigen Glanz ist wenig übrig geblieben. Als einer von wenigen Wettbewerbern im amerikanischen Markt blieb Southwest 2022 wirtschaftlich hinter den Erwartungen zurück, während der Weihnachtsreisezeit fiel das Unternehmen zudem wegen Tausender Flugausfälle bei den Passagieren in Ungnade. Damals fegte ein heftiger Wintersturm über die USA. Die Flugpläne der meisten Airlines normalisierten sich rasch wieder, derweil Southwest Airlines ins Chaos stürzte. Der größte Billigflieger der Vereinigten Staaten sagte in den letzten zehn Dezember-Tagen 16700 Flüge ab.
Laut Vorstandschef Bob Jordan war das Punkt-zu-Punkt-Modell schuld – kippt ein Flug, fallen wie Dominosteine automatisch weitere. Diese Erklärung wischte die Pilotengewerkschaft Swapa damals vom Tisch. Das Feiertagsdebakel sei kein Einzelfall, so die Flugzeugführer. „Systemweite Zusammenbrüche bei Southwest Airlines haben in den vergangenen 15 Jahren an Häufigkeit und Schwere zugenommen“, heißt es in einem Brandbrief des Swapa-Vorstands. Grund dafür seien veraltete IT-Systeme. Statt notwendige Investitionen in die IT zu tätigen, habe das Southwest-Führungsteam über die Jahre lieber Aktionäre mit hohen Dividenden bei Laune gehalten. Der Vorwurf ist nicht ganz von der Hand zu weisen: Southwest Airlines hat nach Berechnungen der „Seattle Times“ allein in den letzten fünf Jahren vor der Pandemie knapp 10 Mrd. Dollar für Dividenden und Aktienrückkäufe verwendet.
US-Markt floriert
Das Feiertagschaos kam das Unternehmen teuer zu stehen, die Kosten wurden auf rund 800 Mill. Dollar geschätzt – in etwa so viel, wie die Airline in den ersten neun Monaten an Gewinnen verdient hatte. Hatte Jordan Aktionären noch im Oktober „hohe Gewinne“ im Schlussquartal in Aussicht gestellt, rutschte das Unternehmen nun im letzten Vierteljahr in die roten Zahlen. Unterm Strich kam zwischen Oktober und Dezember ein Verlust von 220 Mill. Dollar zusammen. Auf Gesamtjahressicht blieb Southwest zwar in den schwarzen Zahlen, die Marge beim Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) fiel mit 4,2% aber ziemlich mager aus. Ohne die Kosten für die Ausfälle zum Jahresende hätte sie näher bei den prognostizierten 7,5% gelegen, was laut Ratingagentur Fitch zwar etwa 550 Basispunkte unter dem Niveau von 2019 liegt, aber eine deutliche Trendwende gegenüber den Verlusten in den Jahren 2020 und 2021 darstellt.
Die operative Unzuverlässigkeit treibt indes vor allem Passagiere und Mitarbeiter um. Analysten und Investoren sehen das Unternehmen dagegen weiterhin überwiegend positiv. Dazu trägt bei, dass dem amerikanischen Markt von allen Verkehrsgebieten für 2023 die besten Wachstumsaussichten nachgesagt werden. Bei den Prognosen des Airline-Verbandes IATA schneiden die US-Fluggesellschaften mit einem erwarteten Nettogewinn von 11,4 Mrd. Dollar am erfolgreichsten ab. Sie profitieren von dem großen Inlandsmarkt, auf dem die Nachfrage nach der Coronakrise schon viel früher zurückgekommen ist als anderswo. Fitch hat vor diesem Hintergrund das Rating von Southwest kürzlich mit „BBB+“ bestätigt und außerdem den Ausblick von „negativ“ auf „stabil“ angehoben. Gute Noten gab es auch für die Verbesserung der Rentabilität und des Cashflows, die der Firma trotz aller Widrigkeiten gelang. Zum Jahresende 2022 verfügte die Fluglinie über eine Nettoliquidität von insgesamt mehr als 13 Mrd. Dollar. Das Rating berücksichtige auch die führende Marktposition von Southwest auf dem US-Inlandsmarkt, betonen die Fitch-Analysten und verweisen zudem auf das Potenzial für eine Senkung der Stückkosten aufgrund der für 2023 erwarteten Verbesserungen der betrieblichen Effizienz. Southwest rechnet für 2023 mit einer Verbesserung der Stückkosten (ohne Treibstoff) um 6 bis 8%. Gegenwind droht allerdings durch den angespannten Arbeitsmarkt, der erste US-Carrier veranlasst hat, die Löhne anzuheben, um neue Mitarbeiter zu locken.
Fitch geht davon aus, dass sich die Rentabilität von Southwest nach 2023 verbessert, da sich die wirtschaftlichen Aussichten aufhellen. Zusammen mit einem sich normalisierenden wirtschaftlichen Umfeld werde Southwest von einem höheren Anteil an treibstoffeffizienten Boeing-737 Max in der Flotte und den Auswirkungen eines engmaschigeren Streckennetzes profitieren, was die Margen bis 2025 auf das Niveau von 2019 anheben werde.
Die Kosten von rund 800 Mill. Dollar für die Ausfälle am Jahresende seien zwar erheblich, „liegen aber angesichts der beträchtlichen Liquidität von Southwest durchaus im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten des Unternehmens“, heißt es bei der Ratingagentur weiter. „Der Reputationsschaden dürfte kein längerfristiges Problem darstellen.“ Darüber hinaus erwartet Fitch, dass nun zusätzliche Investitionen getätigt werden, um zukünftige Störungen zu vermeiden.
Positiv zu Buche schlägt bei Analysten und Investoren auch, dass es Southwest gelungen ist, die während der Pandemie aufgetürmte Verschuldung zurückzufahren – von 13,3 Mrd. auf 9,4 Mrd. Dollar. Die Gesamtverschuldung liegt weiter deutlich unter den Barmitteln und kurzfristigen Anlagen in Höhe von 12,3 Mrd. Dollar. Fitch geht davon aus, dass Southwest die Verschuldung weiter abbauen wird, so dass der bereinigte Verschuldungsgrad bis Ende 2023 unter den Faktor 2 sinken und sich damit dem Niveau vor der Pandemie nähern könnte. Damit hebt sich Southwest von Wettbewerbern wie American Airlines und United Continental ab, die nach Ansicht der Analysten länger brauchen werden, um zu den Verschuldungskennzahlen von vor der Pandemie zurückzukehren. Neben einem bescheidenen Schuldenstand verfügt der Low-Cost-Carrier über einen beträchtlichen Bestand an unbelasteten Vermögenswerten. Das Unternehmen schätzt den Wert seiner unbelasteten Flugzeuge zum Jahresende 2021 auf rund 11 Mrd. Dollar.
Das Urteil der Analysten ist in dieser Gemengelage fast einhellig. 70% der von Bloomberg befragten Experten raten zu einem Kauf der Southwest-Aktie, 30% empfehlen, das Papier zu halten. Zum Verkauf rät keiner.