Geld oder Brief ProSiebenSat.1

Spekulationen in Serie

Der Großaktionär MFE bringt in diesen Tagen der Aktie von ProSiebenSat.1 Kursfantasie. Es ist nicht das erste Mal seit dem Einstieg der Italiener vor fünf Jahren. Und es wird wohl auch nicht das letzte Mal sein.

Spekulationen in Serie

Geld oder Brief

Spekulationen in Serie um ProSiebenSat.1

Von Joachim Herr, München

Wieder sind es Gerüchte aus Italien, die ProSiebenSat.1 an der Börse Aufwind geben. Am Mittwoch ging es mit dem Kurs des Fernseh- und Internetkonzerns steil nach oben: Im Xetra-Handel legte er um 12,7% zu. Am Donnerstag folgte ein kleiner Gewinn von 0,6%. Wieder einmal ist es der italienische Großaktionär Media for Europe (MFE), der etwas Kursfantasie für den schwer gebeutelten Wert entfacht. Immerhin ist nun der Stand am Beginn dieses Jahres wieder erreicht. Verglichen mit dem Spitzenniveau vor neun Jahren, als der Kurs 50 Euro übertroffen hatte, ist es jedoch gerade einmal ein gutes Zehntel.

Für die jüngste Aufwärtsbewegung im Kurschart sorgte ein Bericht der italienischen Zeitung „Il Messagero“. Der von der Familie Berlusconi kontrollierte Konzern MFE, der früher Mediaset hieß, soll Unicredit den Auftrag erteilt haben, einen Konsortialkredit im Volumen von 3,4 Mrd. Euro zu arrangieren. Ein Angebot zur Übernahme von ProSiebenSat.1 sei für das nächste Jahr geplant.

Offerte nicht am Horizont

Ob es so weit kommt, steht freilich in den Sternen. Seit 2019 ist MFE an dem Unternehmen mit Sitz in Unterföhring bei München beteiligt. Und seitdem wiederholen sich Spekulationen über eine Übernahme so regelmäßig wie Jahreszeiten und Feiertage. Der italienische Aktionär hat seinen Anteil nach und nach aufgestockt und besitzt nach den jüngsten Informationen 29,99%. Das heißt, ein weiterer Ausbau der Beteiligung auf 30% hätte ein Pflichtangebot an alle anderen Aktionäre zur Folge.

Aus Italien ist zu hören, eine Offerte von MFE für ProSiebenSat.1 sei nicht am Horizont zu sehen. Aber dem Aktionär ist es offenbar wichtig, Zweifel an seiner Kapitalkraft für Firmenkäufe zu zerstreuen. 3,4 Mrd. Euro Konsortialkredit wären zudem weit mehr, als für ein Erwerb der restlichen Aktien notwendig wäre – also für 70% aller Anteile. Die Börse bewertet ProSiebenSat.1 mit gerade einmal noch 1,2 Mrd. Euro. 70% der Aktien kosteten sogar mit einem Aufschlag von 30% nur knapp 1,1 Mrd. Euro.

Gegen die US-amerikanische Konkurrenz

Das Management um Pier Silvio Berlusconi, dem Sohn des früheren Premierministers Silvio Berlusconi, verfolgt die Idee eines europäischen Medienkonzerns. Er gibt sich davon überzeugt, auf diese Weise den US-amerikanischen Konzernen wie Disney, Amazon und Netflix Paroli bieten zu können. MFE ist nicht nur der größte Anbieter für kommerzielles Fernsehen in Italien, sondern auch in Spanien.

Berlusconi liebäugelt mit einer Expansion nach Deutschland, Frankreich und England. Auf der britischen Insel steht nach dortigen Medienberichten das Produktionsgeschäft von ITV möglicherweise zum Verkauf. Dieses Unternehmen könnte zu Berlusconis Europastrategie passen und wäre auch eine Erklärung für den milliardenschweren Konsortialkredit.

Flaues Werbegeschäft

Abgesehen von den Übernahmegerüchten gibt es zur Zeit wenig Impulse für einen Anstieg des Kurses von ProSiebenSat.1. Die Mitte November veröffentlichten Geschäftszahlen für das dritte Quartal fielen wie erwartet und nach Ansicht mancher Analysten sogar etwas besser als erwartet aus. Doch die Latte liegt recht niedrig. Ein Kommentar von der DZ Bank spricht Bände: „Hätte schlimmer kommen können.“

Grund für die gedämpfte Stimmung ist das schwache Fernsehwerbegeschäft. Es kommt in Deutschland, dem wichtigsten Markt für ProSiebenSat.1 und auch den Konkurrenten RTL, nicht auf die Beine. Die flaue Konjunktur hierzulande und das Konsumklima auf niedriger Temperatur bremsen die Werbekunden. Die privaten Fernsehsender trifft dies hart. Mit TV-Reklame erzielen sie hohe Margen. Am Konzernumsatz von ProSiebenSat.1 hatte diese zuletzt einen Anteil von 37%. RTL kam auf 38%.

Keine Besserung in Sicht

Zwar nehmen die Erlöse der Werbung auf den Streaming-Plattformen beider Unternehmen zu, doch das Gewicht der klassischen TV-Werbung haben sie noch bei Weitem nicht. Das zeigen die Zahlen von ProSiebenSat.1 für die ersten neun Monate in diesem Jahr: Die Digitalumsätze wuchsen um 7,5% auf 214 Mill. Euro, doch die Erlöse der Fernsehreklame gingen um knapp 2% auf 986 Mill. Euro zurück.

Und die Aussichten sind trübe. Die DZ Bank rechnet für das kommende Jahr nicht mit einer „dynamischen Erholung“ des TV-Werbemarktes. Das Analysehaus Warburg Research warnt sogar davor, dass die Lage schlimmer werde. UBS kalkuliert mit einem verschlechterten Werbeumfeld.

Verkäufe könnten Auftrieb geben

Bis von dieser Seite Entspannung für den Aktienkurs von ProSiebenSat.1 kommt, wird es auf jeden Fall einige Zeit dauern. Etwas Auftrieb könnte der seit längerem geplante Verkauf des Verbraucherportals Verivox und der Online-Parfümerie Flaconi geben. Beide Geschäfte entwickeln sich nach Angaben des Unternehmens gut. Zwar fordern MFE und auch die tschechische Beteiligungsgruppe PPF, die mit rund 15% an ProSiebenSat.1 beteiligt ist, bald Abschlüsse zu erzielen, doch der Vorstand sträubt sich dagegen, Verivox und Flaconi übereilt und aus seiner Sicht unter Wert zu verkaufen.

Ohne Verivox und Flaconi wäre ProSiebenSat.1 für MFE günstiger zu haben – zudem mit einer geringeren Verschuldung. Ein Verkauf beider Beteiligungen wäre der ideale Anstoß zur nächsten Runde der Übernahmespekulationen.