Strafzölle setzen Kanadas Märkten zu

Landeswährung seit Jahresbeginn mit 5 Prozent im Minus - Vor allem Rohstoff- und Energiewerte schwach

Strafzölle setzen Kanadas Märkten zu

Die vom US-Präsidenten Donald Trump angekündigten Strafzölle setzen den kanadischen Finanzmärkten zu. Der Aktienmarkt hat mit deutlich nachgebenden Notierungen reagiert, die Landeswährung seit Jahresbeginn 5 % gegen den US-Dollar verloren.Von Markus Gärtner, TorontoAn der von Rohstoff-, Energie- und Finanzwerten dominierten kanadischen Börse überwiegen derzeit politische Faktoren. Die Ankündigung von Strafzöllen durch US-Präsident Donald Trump hat die Aktienkurse in Toronto mächtig unter Druck gesetzt, auch wenn Kanada wegen der laufenden Neuverhandlungen über das Nafta-Abkommen zunächst von den Maßnahmen ausgenommen ist. Notenbank hält stillDoch sowohl bei Stahl als auch bei Aluminium gilt das Ahornland als der größte Lieferant der USA. Bei der Commerzbank sehen die Analysten die drohenden Zölle als eine Belastung in den Neuverhandlungen der nordamerikanischen Freihandelszone, deren Scheitern “letztlich nicht mehr ausgeschlossen werden kann”. Kanadas Notenbank, die Bank of Canada, hat vor wenigen Tagen auf die vierte Anhebung der Leitzinsen seit dem vergangenen Juli verzichtet, ein Schritt, den Beobachter angesichts der Handelsstreitigkeiten als “Schockstarre” bezeichnen. Sogar Timothy Lane, als zweiter Mann der Bank of Canada für die Analyse der globalen Wirtschaft zuständig, sprach vergangene Woche von “bemerkenswerten Unsicherheiten.” Hinzu kommt ein Konjunkturzyklus, der laut Robert Kavcic, dem Topökonomen der Bank of Montreal, in den letzten Zügen liegt und von Finanzminister Bill Morneau sowie dem Finanzminister der Provinz Ontario, Charles Sousa, wegen nahender Wahlen mit einer expansiven Budgetpolitik verlängert wird. Das Risiko sei, so warnt die Zeitung National Post in ihrem Finanzteil, “dass die zusätzlichen Ausgaben nicht mehr das Wachstum, sondern die Inflation anheizen”. Tatsächlich hat die wirtschaftliche Dynamik des Landes von 4,2 % Zuwachs beim BIP im ersten Halbjahr 2017 auf gerade noch 1,6 % im zweiten Halbjahr nachgelassen. So wundert es nicht, dass der Conference Board of Canada nun bemüht ist, die Nervosität zu dämpfen. Die Wirtschaftsvereinigung beteuert, selbst ein Scheitern der Nafta würde das Land im ersten Jahr lediglich 85 000 Jobs kosten und nur 0,5 Prozentpunkte vom BIP-Zuwachs abziehen.Auf die Anleger und Investoren an der Börse von Toronto wirkt diese Beruhigungspille allerdings kaum, zumal der Streit um die Zölle auch den Kanada-Dollar stark unter Druck setzt. Er hat seit Jahresbeginn zum US-Dollar um 5 % nachgegeben, was die Inflationsängste sicher nicht dämpfen hilft. Der Leitindex S & P/TSX brach im Februar nach Erreichen des Allzeithochs binnen weniger Tage um mehr als 8 % ein. Er verbucht seit dem ersten Handelstag des Jahres ein Minus von 5 %. Die starken Verluste vom Februar konnte das Börsenbarometer nur zu knapp der Hälfte wieder gutmachen.Gelitten haben seit Jahresbeginn vor allem Aktien in den Sektoren Energie und Gesundheit (jeweils -11,5 %), die Goldwerte (-11,2 %) und die Versorger (-7,4 %). Viele Börsianer sind in IT-Titel geflüchtet oder haben sich Aktien von Branchen ins Depot gelegt, die sich einigermaßen aus der Affäre ziehen können: Banken, Industriewerte und die Hersteller langfristiger Konsumgüter.Vor allem Rohstoff- und Energiewerte stehen derzeit stark unter Druck. Barrick Gold hat seit Jahresbeginn knapp 20 % verloren. Crescent Point Energy gaben um 25 % nach. Der Gasförderer Encana verbucht ebenfalls ein Minus von rund 20 %. Kanadas Energieaktien könnten sogar noch weiter fallen, wird befürchtet. Denn wegen der drastischen Steuersenkungen in den USA Ende 2017 verlegen viele Unternehmen Investitionen in die Vereinigten Staaten, weg aus den Ölsandgebieten in Alberta. Zudem wogt zwischen British Columbia und dem ölreichen Alberta ein heftiger Streit, weil British Columbia wegen Umweltbedenken weniger Öl in Richtung Westen an die Pazifikküste durchleiten will. Die Aktie von Enbridge, der größte Pipeline-Betreiber für Öl und Gas in Nordamerika, büßte von Jahresbeginn bis zum 8. März über 16 % ein. Dagegen kommt Suncor Energy mit einem Minus von knapp über 9 % fast schon mit einem blauen Auge davon. Der Energiesektor hat die niedrigste Bewertung in zwei Jahren erreicht.Besser gefahren sind die Anleger im laufenden Jahr mit kanadischen Bankaktien. Die fünf führenden Institute haben für das erste Finanzquartal solide Zahlen vorgelegt und vor allem von ihrer seit Jahren betriebenen Expansion im US-Retailgeschäft sowie von guten Zinsergebnissen profitiert. Die fünf Topinstitute haben ausnahmslos die Geschäfts- und Gewinnprognosen der Analysten übertroffen. Die Toronto-Dominion Bank (TD Bank) hat ihre Dividende um 11,7 % erhöht. Der Bank of Nova Scotia, die international stark aufgestellt und auch in Lateinamerika gut präsent ist, werden langfristig die besten Wachstumsaussichten bescheinigt. Die TD Bank gilt derzeit als dasjenige Institut, das gemessen am Wachstum am stärksten unterbewertet ist. Die Gewinne sollen in den kommenden fünf Jahren um jeweils etwas mehr als 10 % zunehmen. Die Aktie der TD Bank konnte seit der Delle Anfang Februar schon wieder 7 % zulegen.Wohin gehen die Aktienkurse von hier aus? Die Zeitung Globe and Mail ließ kürzlich einen ausgemachten “Bullen” und einen erklärten “Bären” mit ihren Prognosen bis Ende 2018 gegeneinander antreten. Der Bulle, Brian Belski, seines Zeichens Chefstratege bei der Investmentbank BMO Capital Markets, sieht den TSX zum Jahresschluss bei 17 600 Punkten. Das wäre ein Plus von 13 % gegenüber dem aktuellen Stand. Die starken Fundamentaldaten der meisten kanadischen Unternehmen, argumentiert Belski, werden die Nervosität in Sachen Handel überstrahlen. Zudem würden kanadische Anleger bei negativen Nachrichten überreagieren, sagt er. Belski lag mit seiner Prognose für 2016 von 15 300 Punkten beim TSX nur ganze zwölf Zähler daneben. Auch 2017 konnte er fast eine Punktlandung hinlegen. Mangel an KurstreibernDer Bär, Matt Barasch, ein Aktienstratege bei der größten Bank des Landes, der Royal Bank, sagt lediglich einen Anstieg des TSX auf 16 300 voraus. Das wäre ein Plus von immerhin noch 4 %. Seine Begründung für die vorsichtige Einschätzung: Stark gedehnte Bewertungen der Aktien und ein Mangel an weiteren Kurstreibern. Langsameres Wirtschaftswachstum und stagnierende Ölpreise gehören ebenso zu seinem Szenario wie ein anhaltender Handelsstreit und der beginnende Abbau der Anleihebestände durch die Notenbanken. In diesem Umfeld raten Analysten für Kanada eher zu Technologiewerten, den Herstellern zyklischer Konsumgüter sowie Aktien von Industrieunternehmen.