Talanx punktet mit neuer Dividendenpolitik
Von Carsten Steevens, Hamburg
Um 1,9% auf 43,66 Euro zog die Talanx-Aktie am vergangenen Dienstag an und war damit größter Tagesgewinner im MDax. Anleger goutierten die Nachrichten des Versicherungskonzerns, der an seinem diesjährigen Kapitalmarkttag neben Finanzzielen für die kommende dreijährige Strategieperiode von 2023 bis 2025 auch eine neue Dividendenpolitik angekündigt hatte. Am Ende des Tages hatte sich nicht nur die Marktkapitalisierung des Mehrmarkenversicherers aus Hannover um 207 Mill. auf über 11 Mrd. Euro erhöht. Die seit Ende Oktober 2021 wieder im MDax notierte Talanx-Aktie wies mit einem Plus von 2,6% auch eine leicht positivere Wertentwicklung seit Ende vergangenen Jahres als der Branchenindex Stoxx Europe 600 Insurance (+0,45%) auf.
Branchenexperten hatten vor dem Kapitalmarkttag damit gerechnet, dass die Talanx deutlich höhere Dividendenziele in Aussicht stellen werde. Verwiesen wurde etwa auf den zunehmenden Spielraum im deutschen Leben-Geschäft für Kapitalabführungen und auf den in den vergangenen Jahren angereicherten Topf für Gewinnausschüttungen. Wie Talanx-Chef Torsten Leue beim Kapitalmarkttag mitteilte, soll der Anteil der Ausschüttung der Erstversicherungseinheiten an die Konzernmutter von durchschnittlich 44% in der ablaufenden Strategieperiode 2019 bis 2022 auf 60% in den kommenden drei Jahren steigen. Der angesparte Cash-Pool erreichte mit einem Dividendenfaktor von 1,6 den Zielwert von 1,5. Diesen hatte die Talanx als Voraussetzung für eine Überarbeitung der Dividendenstrategie vorgegeben.
Bereits in diesem Jahr setzt der Versicherer seine neue Politik um. So soll bei einem 2022 möglicherweise um 14% steigenden Nettogewinn, der mittlerweile am oberen Ende der Spanne von 1,05 bis 1,15 (i. V. 1,01) Mrd. Euro erwartet wird, eine um 25% auf 2 Euro je Aktie erhöhte Dividende gezahlt werden. Mit einer Anhebung um 40 Cent je Aktie würde die Gewinnausschüttung für dieses Jahr so stark steigen wie die Dividendenzahlungen für 2013 bis 2021 insgesamt. Den Zielkorridor von 35 bis 45% des IFRS-Konzerngewinns, der mit einer Quote von durchschnittlich 46% zwischen 2019 und 2021 übertroffen wurde, gibt die Talanx auf. Eine angestrebte Ausschüttungsquote ist nicht länger Teil der Dividendenpolitik. Stattdessen gibt der Konzern vor, dass die Dividende jährlich steigen und nicht mehr mindestens das Vorjahresniveau erreichen soll. Bis 2025 wird ein weiterer Zuwachs um ein Viertel auf 2,50 Euro je Aktie in Aussicht gestellt.
Der neue Dividendenausblick könne in Verbindung mit der attraktiven Bewertung Impulse für eine Neubewertung der Talanx-Aktie geben. Die Großbank Société Générale hatte mit dieser Sicht eine Woche vor dem Kapitalmarkttag ihre Anlageempfehlung von „Halten“ auf „Kaufen“ bei einem von 40 auf 48,50 Euro erhöhten 12-Monats-Kursziel angehoben. Nach der Präsentation beim Kapitalmarkttag erklärte ein DZ-Bank-Analyst, die neue Dividendenpolitik habe einen der Gründe für die niedrige Bewertung beseitigt. Das Institut bekräftigte die Kaufempfehlung und erhöhte seinen Fair Value für die Talanx-Aktie von 47 auf 52 Euro.
Reservierter äußerte sich die Deutsche Bank im Anschluss an den Kapitalmarkttag. Die vom Versicherer avisierte Dividende für 2022 liege weitgehend im Rahmen der Erwartungen. Zunächst positiv überraschend sei das Ziel bis 2025. Auf Basis eigener Berechnungen kommt der Bankanalyst aber auf eine Dividendenquote von unter 40%, was „als enttäuschend angesehen werden könnte“. Dies lege nahe, dass die Talanx bestrebt sein könnte, entweder ein Kapitalpolster für Akquisitionen zu schaffen oder beim Dividendenausblick positiv zu überraschen.
Vom Bankhaus Berenberg hieß es nach dem Kapitalmarkttag, der Versicherer habe attraktive neue Ziele präsentiert. Das Institut, das bei einem Kursziel von 47,20 Euro zum Kauf der Talanx-Aktie rät, verweist neben den Dividendenplänen darauf, dass der Gewinn je Aktie im neuen Strategiezyklus bis 2025 um durchschnittlich 9% pro Jahr gesteigert werden solle. Für den ablaufenden Zeitraum hatte sich die Talanx ein Gewinnwachstum um durchschnittlich 5% vorgenommen. Dieses Ziel würde – ausgehend von einem 2018 erwarteten Gewinn von 850 Mill. Euro – mit einer Steigerung um 7,8% erreicht, sollte das Konzernergebnis 2022 mit 1,15 Mrd. Euro das obere Ende der Prognosespanne erreichen. Berenberg rechnet damit, dass der Versicherer die Pläne zur Gewinnsteigerung auch im kommenden Strategiezyklus übererfüllen wird.
Die Talanx, deren 50,2-%-Beteiligung am Dax-Konzern Hannover Rück für den größeren Gewinnanteil sorgt, stellt in Aussicht, den Konzerngewinn bis 2025 auf rund 1,6 Mrd. Euro weiter zu steigern. Das Ziel geht von einer Basis von 1,25 Mrd. Euro aus, die neben dem für 2022 avisierten Konzernergebnis einen erwarteten langfristigen Ergebniseffekt von etwa 100 Mill. Euro pro Jahr im Zuge der 2023 anstehenden Umstellung der Assekuranz auf den Bilanzierungsstandard IFRS 17 berücksichtigt. Offen lässt die Talanx, bis wann die drei Erstversicherungssegmente ihren Anteil am Konzernergebnis um 10 Punkte auf 50% gesteigert haben sollen. Der Bilanzierungseffekt „schenkt“ dem Versicherer 1% bei der Eigenkapitalrendite. Für den neuen Zyklus geht die Talanx von einer Eigenkapitalrendite über 10% aus – nach im Schnitt rund 9% von 2019 bis 2022. Auch die Erstversicherer sollen dauerhaft zweistellige Renditen erreichen.
Insgesamt sei an den neuen Plänen viel zu goutieren, so die Deutsche Bank. Und die Talanx-Aktie, die mit dem Siebenfachen des geschätzten Gewinns 2024 gehandelt werde, sei nicht besonders teuer. Allerdings könne sich eine Neubewertung als schwierig erweisen, ehe es nicht zu einer deutlichen Verbesserung in der Liquidität der Aktien komme. Derzeit liege das durchschnittliche Handelsvolumen gerade bei etwas über 3 Mill. Euro pro Tag. Daher halte man an der „Halten“-Empfehlung für die Talanx-Aktie fest, so die Bank, die ihr Kursziel am 28. November von 45 auf 47 Euro erhöht hatte.
Für einen Anstieg des Handelsvolumens könnten Zukäufe sorgen, die den Versicherungsverein HDI als Talanx-Hauptaktionär veranlassen, seinen Anteil von 79% zu verwässern, und den Streubesitzanteil erhöhen. Auf Basis der aktuellen Bewertung wird die Aktie der Talanx, deren gestärkte Reserven Ergebnisrisiken abpuffern, vorwiegend positiv eingeschätzt: Vier Fünftel der von Bloomberg erfassten Analysten raten zum Kauf.