Britisches Pfund

Unruhige Zeiten für Sterling

Die Bank of England hat den Devisenmarkt zuletzt auf dem falschen Fuß erwischt. Doch auch ungeachtet des Kommunikationswirrwarrs um mögliche Zinserhöhungen türmen sich für das Pfund Wolken auf.

Unruhige Zeiten für Sterling

Von Ann-Katrin Petersen*)

Das britische Pfund hat es derzeit nicht leicht – und daran ist die Bank of England (BoE) nicht ganz unschuldig. Denn aus Devisenmarktsicht ist die Unsicherheit über die geldpolitische Reaktionsfunktion der Notenbank seit deren November-Sitzung gestiegen.

Zugegebenermaßen war es ein Entscheid auf Messers Schneide. Überraschend falkenhafte Kommentare im Vorfeld, nicht zuletzt durch Notenbankgouverneur Andrew Bailey, hatten die Zinserhöhungserwartungen des Marktes befeuert. Dessen ungeachtet blieb der Leitzins mit einem Votum von 7:2 unverändert bei 0,1%. Verwundert nahmen Beobachter dabei zur Kenntnis, dass selbst Bailey gegen einen Zinsschritt votiert hatte. Diese „Forward Misguidance“ erwischte den Markt nicht nur auf dem falschen Fuß, sondern ließ ihn auch mit Blick auf die Glaubhaftigkeit künftiger Notenbankkommunikation verwirrt zurück.

Als Grund für ihre Entscheidung führte die BoE vor allem Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Arbeitsmarkt an. Erst Ende September ist das Kurzarbeiterprogramm („Furlough“) der Regierung ausgelaufen, und es muss sich noch zeigen, inwieweit dies negative Folgen für die Beschäftigung hat. Gleichzeitig bestätigte die BoE aber, dass aufgrund der Inflationsentwicklung eine Zinserhöhung in den nächsten Monaten notwendig sei.

Fahrplan für Straffung

Eigentlich gehört die BoE eher zu den orthodox ausgerichteten Notenbanken – lange galt sie als „Bruder im Geiste“ der Deutschen Bundesbank. Früher noch als andere große Zentralbanken – etwa die Fed, ganz zu schweigen von der taubenhaften EZB – hatte die BoE damit begonnen, ihren seit Ausbruch der Pandemie geltenden Notstandsmodus zu verlassen. Bereits im Mai beschloss sie, das Tempo der Anleihekäufe zu drosseln, und es zeichnete sich im Jahresverlauf ab, dass sie als erste der G4-Notenbanken einen Zinserhöhungsschritt wagen würde. Zudem veröffentlichten die Briten bereits im August einen konkreten Fahrplan für eine passive und aktive quantitative Straffung: Bei einem Leitzins von 0,5% sollen die Reinvestitionen von Anleihen eingestellt und bei einem Niveau von (mindestens) 1% Bestände verkauft werden.

Eines ist klar: Die Argumente für eine baldige moderate Straffung der Geldpolitik sind mächtiger geworden. Im Oktober beschleunigte sich die Inflation sprunghaft und der Gipfel der Preisdynamik scheint noch nicht erreicht. Der noch entscheidendere Faktor für den Zinsausblick ist aber die Arbeitsmarktentwicklung und der damit einhergehende binnenwirtschaftliche Kostendruck. Wenngleich die jüngsten Indikatoren noch durch „Furlough“ verzerrt sind, signalisieren sie einen robusten Arbeitsmarkt und lassen in Kombination mit den angefachten Inflationserwartungen auf höhere Lohnabschlüsse im kommenden Jahr schließen. Vor diesem Hintergrund rechnen Anleiheinvestoren mehrheitlich mit einer Zinserhöhung auf der nächsten Notenbanksitzung im Dezember.

Bemerkenswert ist dabei, dass das Pfund bereits im Vorfeld der kommunikativ schlecht vorbereiteten November-Sitzung kaum noch durch den sich ausweitenden Renditevorteil beflügelt wurde. Vielmehr koppelte sich die Währung von der gravierenden Verschiebung der Zinserwartungen seit der September-Sitzung ab, als die BoE eine Erhöhung vor Ende 2021 in Aussicht stellte. Hierbei dürfte auch die unbehaglichere Mischung aus nachlassender Konjunkturdynamik und erhöhten Inflationsraten – und damit einhergehend fallenden Realzinsen – eine Rolle gespielt haben.

Wolken am Himmel

Doch auch ungeachtet des Kommunikationswirrwarrs haben sich am britischen Währungshimmel Wolken aufgetürmt. Eine Zinserhöhung lässt wohl nicht mehr lange auf sich warten, dennoch gibt es Enttäuschungspotenzial. Relevanter für das Pfund dürfte nämlich der antizipierte Pfad über den gesamten Zinserhöhungszyklus sein. Die überschießende Inflation erhöht zwar den Handlungsdruck, noch aber sieht die BoE den Preisanstieg als vornehmlich temporär an. Sie könnte daher zögerlicher handeln, als der am Markt gepreiste Zinsanstieg von über 100 Basispunkten bis Ende 2023 vermuten lässt.

Zugleich ist das Risiko einer geldpolitischen Fehleinschätzung in Zeiten unklarer Inflationsaussichten nicht zu vernachlässigen. Sollte die Teuerung hartnäckig bleiben und Zweitrundeneffekte drohen, müsste die BoE früher und vehementer reagieren, um das Inflationsgespenst zu bändigen. Eine – kurzfristig nicht zu beantwortende – Kernfrage in diesem Kontext ist, ob das Arbeitsangebot in Großbritannien nachhaltig geschrumpft ist.

Drittens bergen der akute Arbeitskräftemangel und die Lieferprobleme, die sowohl auf die Pandemie als auch auf den Brexit zurückzuführen sind, Risiken für die Konjunkturerholung. Diese Herausforderungen sind noch nicht ausgestanden. Dass der EU-Austritt kein singuläres Ereignis, sondern ein fortlaufender Prozess ist, offenbaren die jüngsten Schlagzeilen um eine mögliche Eskalation des Streits um das Nordirland-Protokoll. In diesem Umfeld könnte es der BoE schwerer fallen, gleichzeitig die geldpolitischen Zügel anzuziehen.

Viertens schließlich bleibt das Zwillingsdefizit aus struktureller Sicht ein Gegenwind, auch wenn der neue Budgetentwurf einen niedrigeren Fehlbetrag vorsieht.

Unterm Strich haben die Belastungsfaktoren für das Pfund daher an Bedeutung gewonnen, insbesondere gegenüber dem Dollar. Mit anderen Worten: Die Aussichten für die Währung erscheinen ähnlich trübe wie ein Novemberhimmel über London.

*) Ann-Katrin Petersen ist Investmentstrategin bei Allianz Global Investors.