Finanzmärkte

Unternehmen zeigen Schuldscheinen die kalte Schulter

Unternehmen zeigen dem Finanzierungsinstrument Schuldschein derzeit den Rücken. Um 23% ist das Emissionsvolumen im ersten Halbjahr eingebrochen. Die Präsenz von Debüt-Unternehmen ist dabei aber erfreulich.

Unternehmen zeigen Schuldscheinen die kalte Schulter

Am Markt für Schuldscheine ist es im Verlauf des ersten Halbjahres zu einem kräftigen Rückgang der Aktivitäten gekommen. Es wurden nur noch Transaktionen mit Schuldscheindarlehen (SSD) mit einem Volumen von 9,7 Mrd. Euro abgeschlossen. Das sind 23% weniger als in der vergleichbaren Vorjahresperiode und sogar 41% weniger als im ersten Halbjahr 2022. „Wesentlicher Grund für diese Entwicklung ist die Zurückhaltung der Unternehmen bei größeren Investitionen. Denn daraus ergibt sich korrespondierend ein geringerer finanzieller Mittelbedarf. Dies zeigt auch ein Blick auf die Anzahl der Transaktionen, die gegenüber dem Vorjahr zwar jüngst sogar leicht gestiegen ist. Aber die durchschnittlichen Volumina haben abgenommen“, heißt es in einer Analyse zur Halbjahresmitte von Capmarcon, die der Börsen-Zeitung vorab vorliegt.

Unternehmen zeigen Schuldscheinen die kalte Schulter

kjo Frankfurt

Die Unternehmen haben sich im ersten Halbjahr bei der Emission von Schuldscheinen ausgesprochen zurückhaltend gezeigt. Das Volumen ging deutlich zurück. Impulse für eine Verbesserung im zweiten Halbjahr sind nicht erkennbar.

Erfreulich sei dagegen die Präsenz der Debüt-Unternehmen, also derjenigen Adressen, die erstmals den Schuldschein zur Finanzierung nutzen. Deren Zahl habe gegenüber dem ersten Halbjahr 2023 um die Hälfte zugenommen, das arrangierte Volumen habe sich um 19% auf 2,2 Mrd. Euro erhöht. So sei von Januar bis Juni 2024 fast ein Viertel der neuen Schuldscheindarlehen von Unternehmen, die neu in diesem Segment des Finanzmarktes sind, heißt es weiter. Capmarcon ist eine auf Nachhaltigkeitsmanagement und Unternehmensfinanzierung spezialisierte Beratungsgesellschaft. Sie entwickelt Nachhaltigkeitsziele und -strategien, erstellt Rahmenwerke und unterstützt bei Emittenten bei ESG-Ratings.

Lieber im Schatten

Die Neigung der Unternehmen, das Arrangement ihrer Schuldscheintransaktion publik zu machen, ging in diesem Jahr zurück. Hätten im ersten Halbjahr 2023 noch 20 der 48 Schuldscheingeber die Transaktionen bekanntgemacht, was zwei Drittel des Volumens entspreche, so seien es nun nur 15 der 51 Unternehmen gewesen, was einem Drittel des Volumens entspreche.

Industrieunternehmen dominierten laut Capmarcon im ersten Halbjahr unverändert unter den schuldscheinbegebenden Adressen (63% des Volumens). Dienstleister waren die zweitgrößte Gruppe im Hinblick auf neu arrangierte Darlehen. Aktiv sei jüngst die Bauwirtschaft gewesen, die auf einen Anteil am Primärmarktgeschäft von 6% komme. Die Debüt-Unternehmen seien im Wesentlichen aus dem Industriebereich gekommen mit einem Volumen von 1,3 Mrd. Euro und den Sektoren Dienstleistungen sowie Ver- und Entsorgung (jeweils mit Neugeschäft von rund 450 Mill. Euro).

„Das hinsichtlich des Volumens neu arrangierter Schuldscheine größte Land war traditionsgemäß Deutschland mit einem Anteil von 60% nach 72% im Vorjahreszeitraum. Das Ausland spielte jüngst also wieder eine bedeutendere Rolle. Frankreich und die Schweiz hatten von Januar bis Juni Anteile von jeweils 11%, nachdem sie in der Vorjahresperiode praktisch nicht präsent waren“, so die Experten.

In den ersten sechs Monaten seien zwölf Transaktionen grün oder nachhaltigkeitsorientiert arrangiert worden. Das damit aufgenommene Schuldscheinvolumen in Höhe von 3,48 Mrd. Euro habe einen Anteil am Primärmarktgeschäft von 27,4% gehabt. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres seien elf nachhaltige Schuldscheine über 2,56 Mrd. Euro an den Markt gekommen (Anteil sank leicht auf 26,4%).

Geringere Attraktivität

Auch wenn sich dies auf den ersten Blick nicht in den Zahlen spiegele, so habe doch das Arrangement nachhaltiger Schuldscheine an Attraktivität verloren. Diese Entwicklung sei bei nachhaltigkeitsorientierten Transaktionen und Sustainability-Begebungen zu beobachten. Deren Primärmarktanteil sei von 19% in der Vorjahresperiode auf aktuell 14% zurückgegangen. Geringe Finanzierungsvorteile allein würden nicht mehr den damit verbundenen Vorbereitungs- und Strukturierungsaufwand kompensieren. Allein rein grüne Schuldscheine hätten sich steigender Beliebtheit erfreut.

„Zur Jahresmitte sind keine Impulse erkennbar, die hinsichtlich des neu arrangierten Schuldscheinvolumens eine Fortsetzung der Dynamik auf den Niveaus der beiden Vorjahre vermuten ließe“, halten die Experten von Capmarcon fest. Angesichts der gegenwärtigen Konjunkturaussichten bleibe die Investitionsneigung der Unternehmen verhalten und der Finanzierungsbedarf limitiert. Gleichzeitig habe der Markt für Unternehmensanleihen wieder an Attraktivität gewonnen. Das Geschäft mit bilateralen und syndizierten Krediten sei ähnlich ruhig wie beim Schuldschein verlaufen. Nachhaltige Finanzierungen seien aktuell ebenfalls kein Impulsgeber. „Einerseits hat die Begeisterung für Green Financing im bisherigen Jahresverlauf merklich nachgelassen. Andererseits scheuen Schuldscheingeber – gerade bei den „ESG-linked-Finanzierungen“ – den mit der Vorbereitung und Strukturierung verbundenen Mehraufwand, der in den allermeisten Fällen durch nur geringfügige Vorteile bei den Konditionen nicht ausgeglichen wird.“

Mit einem Transaktionsvolumen von 4,7 Mrd. Euro in den Sommermonaten und mit einem dem zweiten Quartal ähnlichen Schlussquartal könnten im Gesamtjahr 2024 Schuldscheindarlehen in Höhe von 20,3 Mrd. Euro arrangiert werden, so die formulierte Perspektive. Dem stünden Rückzahlungen in Höhe von 23,3 Mrd. Euro gegenüber, so dass das ausstehende Gesamtvolumen bis zum Jahresende 2024 auf etwa 157 Mrd. Euro weiter zurückgehen würde, meinen die Experten.

Emissionen gehen im ersten Halbjahr um 23 Prozent zurück – Debüt-Adressen aber verstärkt präsent – Keine Impulse für die kommenden Monate in Sicht

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