Energiemärkte

Versagen der Politik

In Europa ist nun auf vielen Gebieten der Energiepolitik ein Kurswechsel erforderlich. Erfolgt dieser nicht schnell genug, drohen aufgrund der hohen Energiepreise sehr ernste Konsequenzen.

Versagen der Politik

Die europäische Energiekrise hat sich auch am Freitag weiter verschärft. Die deutschen Strompreise haben abermals neue Rekordniveaus erreicht, und die Notierungen für Erdgas in Europa bleiben auf exorbitant hohem Niveau oberhalb von 300 Euro je Megawattstunde. Und zum Jahresende hin dürfte sich auch Rohöl spürbar verteuern. Zwar sind hier keine Rekordniveaus in Sicht, doch angesichts der hohen Belastungen durch die Kosten anderer Energieträger tut auch eine zusätzliche Verteuerung von Öl erheblich weh.

Man kann und man sollte die teilweise explosionsartige Preisentwicklung an den Energiemärkten zu einem großen Teil als ein Versagen der Politik interpretieren. Es ist leider so, dass auch gut gemeinte Interventionen der Politik in Märkten nur in seltenen Fällen zu den gewünschten Ergebnissen führen. Diejenigen, die die Welt zum Besseren verändern wollen, sollten sich dieser Risiken von Markteingriffen bewusst werden.

Externe Stressfaktoren

Ein gutes Beispiel dafür sind die schon erwähnten europäischen Energiemärkte. Die EU-Kommission hat, indem sie ihre Präferenz für börsengestützten Handel signalisiert hat, die Entstehung eines europäischen Spotmarkts für Erdgas befördert. Die üblichen langfristigen Lieferverträge haben durch das Drängen der EU-Behörde an Bedeutung verloren. Für ein paar Jahre ging das gut und zeigte sogar die gewünschten Ergebnisse: Die Notierungen im Erdgashandel lagen unter den Preisen der langfristigen Lieferverträge. Nun aber, da der Erdgasmarkt externen Stressfaktoren ausgesetzt ist, fliegt er der EU-Kommission und den Mitgliedsländern der Union spektakulär um die Ohren. Es handelt sich eindeutig um einen dysfunktionalen Markt, was bei der Berechnung des Erdöläquivalents deutlich wird: Gemessen an der in den Brennstoffen enthaltenen Energie passt zu den gegenwärtigen Erdgasnotierungen ein hypothetischer Brent-Ölpreis von 500 bis 600 Dollar je Barrel.

Auch der Strommarkt ist erheblichen politischen Eingriffen ausgesetzt, vor allem durch die Umstellung auf umweltfreundlichere Energiequellen. Bei der Abschaltung von besonders schädlichen Kohlekraftwerken, aber auch von weitgehend CO2-neutralen Kernkraftwerken wurde nicht ausreichend berücksichtigt, dass Windkraft und Solarenergie nicht ständig ausreichend verfügbar sind und dass sich elektrische Energie nicht im großen Maßstab speichern lässt. Da dann verstärkt Erdgas zur Stromerzeugung eingesetzt wurde, nahm der Preisdruck nach Beginn des Ukraine-Kriegs und der Sanktionen gegen den weltweit wichtigsten Erdgasproduzenten Russland auf dem Strommarkt erheblich zu. Auch hier gilt, dass durch den politischen Eingriff der Markt sehr viel krisenanfälliger geworden ist – wie bei Erdgas mit desas­trösen Auswirkungen für die betroffenen Volkswirtschaften, die so weit gehen können, dass Deutschland seine Rolle als Industrieland einbüßt. Wenn jetzt die tschechische Regierung, die den EU-Vorsitz für sechs Monate innehat, den Vorschlag einer Preisobergrenze für Strom erwägt, ist zu befürchten, dass dessen Umsetzung das Chaos eher noch vergrößert, etwa durch Insolvenzen von Stromproduzenten.

Nie so recht funktioniert hat der künstlich geschaffene Markt für CO2-Verschmutzungsrechte. Angesichts nach wie vor steigender CO2-Emissionen wird deutlich, dass er seine Steuerungsfunktion nie erfüllt hat. Entweder waren die Preise für die Verschmutzungsrechte so niedrig, dass die Emittenten die Kosten quasi aus der Portokasse zahlen konnten, oder aber die Belastungen werden an die Endverbraucher weitergereicht, wo sie ähnlich einer Steuer wirken. Eine solche Abgabe entwickelt aber keine Steuerungsfunktion, weil diejenigen, die sie letztlich zu tragen haben, die Entscheidungen über den Energieeinsatz nicht selbst treffen können.

Das Gegenbeispiel eines relativ gut funktionierenden Marktes ist der historisch gewachsene Ölmarkt, dem es gelungen ist, die auch hier zunehmende politische Einflussnahme einigermaßen abzufedern. So ist der Ölpreis noch nicht ins Unermessliche gestiegen (vgl. Grafik). Aufgrund der Internationalität des Marktes gibt es keinen einzelnen staatlichen oder transnationalen Akteur, der einen stark überproportionalen Einfluss oder quasi die Oberaufsicht hätte.

In Europa ist nun auf vielen Gebieten der Energie- und Außenpolitik ein Kurswechsel erforderlich. Erfolgt dieser nicht schnell genug, drohen aufgrund der hohen Energiepreise sehr ernste Konsequenzen für die deutsche Wirtschaft und die europäischen Volkswirtschaften.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.