Viele Wege führen zum Kryptoinvestment
Von Alex Wehnert, Frankfurt
Eine der größten Gefahren für Kryptoinvestoren ist die menschliche Vergesslichkeit. Denn wer seinen Private Key – eine Zahlenkombination, die aus 256 aneinandergereihten Nullen und Einsen besteht – verliert, kann nicht mehr auf sein digitales Wallet zugreifen. Dies ist durchaus kein seltenes Phänomen: Laut der Datenfirma Chainanalysis sind ungefähr 20% aller bisher geschürften Bitcoin aufgrund verlorener Zugangsdaten unwiederbringlich aus der Zirkulation verschwunden.
Um solche Missgeschicke zu vermeiden, spielen Anleger Kryptoinvestments verstärkt über Bande. Derivative Produkte haben im Verlauf der Rekordrally des Kryptomarkts zwischen Oktober 2020 und Ende April des laufenden Jahres gewaltige Zuflüsse verzeichnet, im Dezember 2020 stand laut dem Informationsdienstleister Bloomberg per saldo der Rekordwert von nahezu 1,8 Mrd. Dollar zu Buche.
Nach einem starken Jahresauftakt haben sich die Nettomittelflüsse in den vergangenen Monaten volatiler entwickelt, was vor allem auf die gewaltigen Kursrücksetzer von Marktprimus Bitcoin seit Anfang Mai zurückzuführen ist. Auch Produkten auf die zweitgrößte Kryptowährung Ether flossen weniger Mittel zu, allerdings blieben sie per saldo im positiven Bereich. Der Online-Broker IG geht jedenfalls davon aus, dass die Nachfrage nach derivativen Produkten noch signifikant steigen wird.
Eine bereits seit vergleichsweise langer Zeit verfügbare indirekte Investmentmöglichkeit sind Futures. Seit Ende 2017 sind solche Terminkontrakte auf Bitcoin an der Chicago Mercantile Exchange (CME) handelbar, im Februar 2021 kamen Produkte auf Ether hinzu. Am Montag dieser Woche hat außerdem die Eurex einen Future auf einen Bitcoin-ETN gestartet. Futures bieten Investoren neben der Wette auf weitere Kursanstiege auch die Möglichkeit, Short-Positionen aufzubauen – institutionellen Anlegern bietet sich somit eine Hedging-Option. Der große Nachteil von Kryptoderivaten sind indes die hohen Strukturkosten.
Rollen verursacht Kosten
Problematisch ist laut Marktstrategen zudem, dass fast die gesamte Liquidität im jeweils aktuellen Kontrakt existiert. Wer die Futures länger halten möchte, muss sie monatlich rollen – dies bedeutet einen hohen operativen Aufwand und bringt zudem zusätzliche Kosten mit sich. Denn der Terminkurs eines Futures liegt zumeist über dem aktuellen Kassakurs. Die durch das monatliche Rollen des Kontraktes entstehenden laufenden Kosten können sich pro Jahr schnell auf 10% summieren.
Kostennachteile gegenüber der Direktanlage weisen auch Partizipationszertifikate auf – dafür dürfte sich Investoren bei diesen die größte Auswahl bieten. Vorreiter im Segment ist der Assetmanager Vontobel, der 2017 ein Zertifikat auf Bitcoin lancierte und Produkte auf die kleineren Cyberdevisen Bitcoin Cash, XRP, Litecoin und Ether nachschob.
Am Zertifikatemarkt variieren die Kosten von Emittent zu Emittent stark. Bei Exchange Traded Notes (ETNs), also börsengehandelten Inhaberschuldverschreibungen, verläuft die Preisbildung in der Regel kompetitiver. In den vergangenen Monaten haben verschiedene Anbieter solche Produkte auf Xetra gelistet. Im Sommer 2020 machte die ETC Group mit einem Bitcoin-Vehikel auf Xetra den Anfang, worauf 21 Shares und Van Eck im Verlauf der Kryptorally nachzogen.
Die Emittenten Wisdom Tree und Iconic Holding hatten weniger Glück mit den Zeitpunkten für das Listing auf dem Handelssystem: Sie sind dort seit April und Anfang Mai vertreten, starteten also kurz vor dem Markteinbruch, auf den eine volatile Erholungsphase folgte. Sie hoffen nun darauf, dass der Bitcoin-Kurssturz das Interesse der Mainstream-Anleger nicht nachhaltig belastet.
Schließlich bleibt der Markt stark vom Investorensentiment getrieben, auf Kursrücksetzer oder auch nur ausbleibende Anstiege folgen häufig großvolumige Mittelabflüsse, da sich Neuanleger aus Enttäuschung schnell verabschieden. Waren globalen Exchange Traded Products auf Bitcoin im April laut Bloomberg per saldo noch 700 Mill. Dollar zugeflossen, verzeichneten sie im Juli und August Nettomittelabflüsse.
Auch in diesem Produktsegment entwickelte sich das Interesse bei Ether stabiler. Inzwischen sind zudem börsengehandelte Inhaberschuldverschreibungen auf zahlreiche kleinere Kryptowährungen verfügbar – insbesondere 21 Shares verfügt über eine breite Produktsuite und hat auch eine Bitcoin-Cash-ETN auf Xetra gelistet.
Für institutionelle Investoren sind über die Deutsche Börse handelbare Produkte attraktiv, weil deren Tochter Eurex Clearing als zentraler Kontrahent auftritt, was die Counterparty-Risiken reduziert. Zudem besteht bei vollständig besicherten ETNs keine Gefahr, Opfer eines Diebstahls zu werden. Besonders im Gedächtnis der Marktteilnehmer ist der Skandal um den Kryptohandelsplatz Mt. Gox geblieben, in dessen Zuge im Jahr 2014 rund 850000 Bitcoin-Einheiten verschwanden. Vor den Kurseinbrüchen, die auf solche Skandale häufig folgen, sind ETN-Investoren aber nicht gefeit.
Auch stellt das in ETNs investierte Kapital kein geschütztes Sondervermögen dar – bei Exchange Traded Funds ist das anders. Dass Krypto-ETFs in der Europäischen Union zugelassen werden, ist hochgradig unwahrscheinlich, schließlich erlaubt die Ucits-Regulierung keine solchen Vehikel auf einen einzelnen Basiswert. Doch der Traum der meisten Kryptobullen bleibt ohnehin eine Zulassung in den Vereinigten Staaten.
ETFs als Durchbruch
Diese gilt als Durchbruch, um den Markt zu stabilisieren, liquider zu machen und somit in ein seriöseres Ansehen zu setzen. Die SEC hat bislang alle diesbezüglichen Anträge abgeschmettert, doch der seit April amtierende Chef der US-Börsenaufsicht, Gary Gensler, gilt gegenüber Kryptowährungen als deutlich aufgeschlossener als sein Vorgänger Jay Clayton. Investoren hoffen nun darauf, dass sich die SEC vom Erfolg der Bitcoin- und Ether-ETFs, die seit diesem Jahr in Kanada handelbar sind, überzeugen lässt.
Wohl und Wehe aller Kryptovehikel dürfte jedenfalls davon abhängen, dass sich nach Vorreitern wie Tesla mehr institutionelle Investoren aus der Mitte der Wirtschaft ins Segment wagen – und eine wachsende Zahl an Privatanlegern dem eigenen Gedächtnis nicht mehr vertraut.