Warnung vor unsicherer Versorgung
ku Frankfurt
Die Rohstoffanalysten der Commerzbank sind der Meinung, dass es hinsichtlich des Erdgasangebots und der Versorgungslage im kommenden Winter einige Unsicherheitsfaktoren gibt. Zwar seien Deutschlands Gasspeicher auch zum Ende der Heizperiode deutlich besser gefüllt, als dies im Herbst zu erwarten gewesen sei. Dies schaffe eine gute Ausgangsbasis, um auch in den kommenden Winter mit gut gefüllten Speichern zu starten und diesen ohne Rationierungen zu überstehen. Allerdings könne es sein, dass der nächste Winter nicht so mild ausfalle wie der abgelaufene, und eine stärkere Nachfrage anderer Länder könne die ausreichende Versorgung mit LNG-Flüssiggas zumindest in Frage stellen. Zudem könne der Verbrauch angesichts der niedrigeren Preise wieder steigen.
Ende März seien die Gasspeicher in Deutschland zu knapp zwei Dritteln gefüllt, damit liege der Füllstand um gut 30 Prozentpunkte höher als vor dem Winter erwartet. In den vergangenen drei Wochen habe sich der Füllstand per saldo kaum noch verändert, während in früheren Jahren im März meist noch Gas aus den Speichern entnommen worden sei. Ein Grund für den höheren Füllstand sei, dass seit Oktober im Durchschnitt pro Woche knapp eine Terawattstunde mehr Gas importiert worden sei als erwartet. Zudem sei ein größerer Teil der Importe in Deutschland verblieben, sei also nicht in die Nachbarländer weitergeliefert worden.
Allerdings seien die Einsparziele sowohl von den privaten Haushalten inklusive des nichtindustriellen Gewerbes als auch von der Industrie verfehlt worden. Dies sei der Fall gewesen, obwohl die Witterung zuletzt sowie über weite Strecken milder gewesen sei als im Jahr zuvor. Die Temperatur sei seit Anfang Oktober um durchschnittlich 0,8 Grad höher gewesen als im Winter 2021/22. Dies habe den Verbrauch um etwa 23 Terawattstunden verringert. Wäre das Klima wie im Winter 2021/22 ausgefallen, würde der Füllstand der Gasspeicher heute um 10 Prozentpunkte niedriger ausfallen.
Sparbemühungen erlahmt
Die Analysten weisen darauf hin, dass die Einsparbemühungen in den vergangenen Wochen insbesondere bei den Haushalten deutlich erlahmt seien. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass sich die Versorgungslage nach dem allgemeinen Empfinden spürbar entspannt habe. „Eine Rolle spielen zum anderen sicherlich auch die wieder deutlich gefallenen Marktpreise, weshalb manches Unternehmen unter Umständen die zwischenzeitlich wegen der hohen Energiepreise unrentabel gewordene Produktion wieder hochgefahren hat“, erläutern die Analysten Ralf Solveen und Bernd Weidensteiner.
Sie weisen darauf hin, dass sich der Gasverbrauch in der Industrie ab Mitte April auch deshalb weiter erhöhen könnte, weil dann die letzten drei Atomkraftwerke vom Netz gingen, die zuletzt zusammen pro Woche etwa 500 Gigawattstunden an Strom erzeugt hätten. Wenn dieser Ausfall vollständig durch das Hochfahren von Gaskraftwerken ersetzt würde, müssten jede Woche etwa eine Terawattstunde Gas zusätzlich eingesetzt werden. Auf das Jahr hochgerechnet ergäbe sich damit ein zusätzlicher Verbrauch von gut 50 Terawattstunden, was immerhin etwa 6 % des gesamten deutschen Gasverbrauchs im vergangenen Jahr entsprechen würde.
Ein Fragezeichen stehe auch hinter der weiteren Entwicklung der LNG-Importe. „In den ersten drei Monaten dieses Jahres kamen weniger als 5% der deutschen Importe über die neu errichteten LNG-Terminals nach Deutschland“, so die Commerzbank-Experten. Die Terminals seien deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Im April solle das dritte Terminal in Brunsbüttel in den Regelbetrieb gehen, bis Ende des Jahres drei weitere schwimmende Terminals hinzukommen. Würden diese voll ausgelastet, könnte hierdurch etwa ein Drittel des deutschen Bedarfs gedeckt werden, so die Analysten. „Allerdings ist es nicht sicher, dass auch entsprechend viel LNG auf dem Weltmarkt zur Verfügung stehen wird“, warnen sie. Nach dem Ende der Null-Covid-Politik in China werde dort die Nachfrage wieder zunehmen, was die Beschaffung der benötigten Gasmengen am Weltmarkt zumindest schwieriger und teuer machen werde, warnen die Experten der Commerzbank.