Marktvergleich

Warum US-Aktien attraktiver sind

Trotz einer niedrigeren Risikoprämie sind amerikanische Aktien attraktiver als europäische. US-Aktien profitieren von einer deutlich vorteilhafteren Wirtschaftsstruktur.

Warum US-Aktien attraktiver sind

Die Kursrally seit dem Coronatief im März letzten Jahres hat die Bewertungen von Aktien sowohl in Europa als auch in den USA stark ansteigen lassen. Gleichzeitig erhöhten sich die Renditen von Staatsanleihen aufgrund von Inflationssorgen insbesondere in den USA deutlich. Die Risikoprämie, also der Aufschlag auf einen risikolosen Zinssatz, den Investoren zur Übernahme des Aktienrisikos erhalten, ist daher in beiden Regionen rückläufig. In Europa lag sie im Mai bei 5,3%, in den USA bei 4%. Während die Risikoprämie in Europa historisch betrachtet immer noch überdurchschnittlich hoch ist, liegt sie in den USA gerade noch im Mittel der letzten 30 Jahre. Relativ zur eigenen Historie und der US-Prämie scheinen Investitionen in den europäischen Aktienmarkt also nach wie vor attraktiv zu sein.

Allerdings lässt sich die Attraktivität eines Marktes nicht aus der Risikoprämie allein ableiten. Das liegt daran, dass die Prämie eine Sicherheitsmarge enthält: Schätzen Investoren das Risiko bzw. die Unsicherheit hinsichtlich der zukünftigen Gewinn- und Zinsentwicklung in einem Markt als hoch ein, verlangen sie einen höheren Aufschlag auf den risikolosen Zinssatz. Auffällig ist, dass sich die Differenz zwischen den europäischen und amerikanischen Risikoaufschlägen seit dem Ende der Finanzkrise im Jahr 2009 unter Schwankungen ausgeweitet hat. Die Skepsis gegenüber den europäischen Märkten hat folglich zugenommen. Signifikante strukturelle Unterschiede hinsichtlich Wachstum, Investitionen und Regulierung zwischen der Europäischen Union und den USA können dafür eine Erklärung liefern.

Die USA haben in der Vergangenheit immer wieder bewiesen, dass sie in Krisen handlungsfähiger sind als die EU-Staaten. So ist es auch dieses Mal: Die Vereinigten Staaten kommen mit mehr Schwung aus der Pandemie. Der IWF erwartet für 2021 ein Wirtschaftswachstum von 6,4%, während das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der EU nur um 4,4% steigen soll. Das hat in erster Linie mit den weniger strikten Lockdown-Maßnahmen, den umfangreichen staatlichen Hilfspaketen und dem erfolgreicheren Start der Impfkampagne zu tun. Allerdings zeigt sich, dass sich die US-Wirtschaft bereits in der Vergangenheit deutlich dynamischer entwickelt hat. So gab es seit Beginn der 1980er Jahre keine Dekade, in der das reale BIP in der EU schneller gewachsen ist als in den USA. Ein stabiles wirtschaftliches Umfeld und höheres Wachstum helfen den Unternehmensgewinnen und stärken das Vertrauen in die US-Märkte.

Europas Unternehmen laufen zudem Gefahr, im globalen Wettbewerb zunehmend abgehängt zu werden. Geringere Investitionen in Anlagen und Maschinen sowie das schleppende Tempo bei der Einführung neuer Technologien gefährden die Arbeitsproduktivität und verringern das Wachstumspotenzial der europäischen Wirtschaft. Seit 2010 sind die realen Investitionen in der EU um nur knapp 20% gestiegen, während sie in den USA um rund 50% zulegten. Das ist aus europäischer Sicht bedenklich, da Investitionen zentrale Bauelemente des langfristigen Wirtschaftswachstums darstellen.

Zusätzlich hängen die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen davon ab, wie viel sie in die Entwicklung zukunftsträchtiger Technologien investieren. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (R&D) in der EU liegen im Verhältnis zum BIP ca. einen Prozentpunkt unter denen der USA. Zurückzuführen ist die Differenz vor allem auf geringere Ausgaben auf Unternehmensebene. Gerade im Technologie- und Gesundheitssektor fielen die R&D-Ausgaben in den vergangenen Jahren deutlich hinter die Vereinigten Staaten zurück. Nicht besser sieht die Lage bei Start-ups aus. Laut der Europäischen Investitionsbank gibt es in den USA pro Einwohner viermal mehr junge Unternehmen als in der EU. Gründe hierfür sind in erster Linie der Mangel an qualifiziertem Personal sowie ein relativ unterentwickelter europäischer Risikokapitalmarkt. So haben US-Unternehmen seit 2012 zehnmal so viel für den Kauf von Start-ups ausgegeben wie europäische Unternehmen. Diese höhere Dynamik zieht neue Investoren an und schafft so weitere Anreize für Risikokapitalbeteiligungen in den Vereinigten Staaten.

Als eines der größten Investitionshindernisse wird die starke Regulierung von Unternehmen in der EU gesehen. Der „Ease of Doing Business“-Index, der das regulatorische Umfeld für Unternehmen erfasst, zeigt ein klares Bild: Während die USA regelmäßig auf den vorderen Plätzen zu finden waren, landeten die größten EU-Volkswirtschaften Deutschland, Italien, Frankreich und Spanien in den letzten Jahren abgeschlagen im Mittelfeld.

Die USA haben zudem den Vorteil, dass in ihren 50 Staaten ähnliche Bundessteuer-, Eigentums-, Vertrags- und Insolvenzgesetze gelten. Im Gegensatz dazu zielt die Gesetzgebung aus Brüssel im Allgemeinen darauf ab, nur ein Mindestmaß an Regeln zwischen den Mitgliedsländern zu schaffen. So sollen faire Wettbewerbsbedingungen in allen Ländern der Union erreicht werden. Eine aktive Wirtschaftspolitik auf europäischer Ebene ist hingegen kaum möglich. So hat die EU praktisch keine Kompetenzen im Bereich der Steuerpolitik, mit denen sie einerseits steuerpolitische Anreize setzen und andererseits eine umfassende Wettbewerbsgleichheit im Binnenmarkt garantieren könnte.

US-Aktien übergewichtet

Es gibt also einige Bereiche, in denen die USA besser aufgestellt sind als Europa. Das weniger regulierte und damit innovationsfreundlichere Wirtschaftssystem ist einer der Gründe, warum wir den US-Aktienmarkt auch zukünftig als attraktiver ansehen und in unseren Multi-Asset-Portfolien übergewichten. Auf der anderen Seite zeigen sich zum Beispiel anhand der Verabschiedung des EU Recovery Fund im Sommer 2020 zarte Zeichen einer fortschreitenden Integration der europäischen Länder. Sollte sich diese mittelfristig verstärken, zunehmend wirtschaftsliberale makroprudenzielle Regulierung Einkehr finden sowie zukunftsgerichtete Investitionsanreize gesetzt werden, könnte sich der Risikoaufschlag zwischen den USA und Europa reduzieren.

Zuletzt erschienen:

Was höhere Inflation für Aktien bedeutet (182), Metzler Capital Markets

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