Weltall-Investments starten durch
Von Alex Wehnert, Frankfurt
Die Börsianer entdecken das All: An deutschen Handelsplätzen sind inzwischen mehrere Vehikel verfügbar, die Investitionen in die Weltraumwirtschaft ermöglichen. So ist der von HANETF und Procure Innovation aufgelegte Procure Space Ucits ETF seit Mitte Juni über die Deutsche Börse handelbar, auch der aktiv verwaltete Fonds Echiquier Space des französischen Vermögensverwalters LFDE hat in der Bundesrepublik und Österreich Zulassung gefunden.
Die Produktanbieter versuchen somit, auf den Hype um die sogenannte Space Economy aufzuspringen. Morgan Stanley etwa sieht in der Weltraumwirtschaft gewaltiges Wachstumspotenzial: Laut der US-Investmentbank und dem Datendienstleister Haver Analytics belief sich das Volumen der Weltraumwirtschaft im Jahr 2015 noch auf 335 Mrd. Dollar, im laufenden Jahr soll es 395 Mrd. Dollar erreichen und bis 2040 die Marke von 1 Bill. Dollar knacken. Dabei ist die Raumfahrt als Anlagethema allerdings sehr weit definiert: Neben Erdbeobachtungsdiensten und Raumfahrttechnik fallen auch Satellitenanwendungen wie TV-, Radio- und Breitbandinstallationen darunter. Letztere dürften laut Morgan Stanley für die Hälfte des Wachstums der Space Economy bis 2040 verantwortlich werden.
Der Bedarf an Daten wachse exponentiell, Satelliteninternet könne gerade für die Entwicklung des autonomen Fahrens und anderer Zukunftsfelder wie künstlicher Intelligenz entscheidend werden.
Auch der Assetmanager Baillie Gifford argumentiert, dass das Internet ein existierendes Produkt darstellt, das sich durch die Erschließung des Weltraums optimieren lässt. So verfügten viele ländliche Gegenden nicht über eine ausreichende Netzanbindung, während der Wettbewerb zwischen Kommunikationsdienstleistern in zahlreichen Städten nicht stark genug sei, um die Preise ausreichend zu deckeln. In der Folge bestehe wohl bereits eine hohe Nachfrage nach privatem Satelliteninternet.
Milliardäre mischen mit
Diese wollen zwei der populärsten Köpfe der globalen Unternehmenswelt bedienen: Amazon-Gründer Jeff Bezos mit seinem Unternehmen Blue Origin und Tesla-Chef Elon Musk mit der Starlink-Sparte seines Raumfahrtanbieters SpaceX. Über einen Börsengang beider Gesellschaften kursieren immer wieder Spekulationen, konkrete Pläne sind nicht bekannt. Dies dürfte laut Marktstrategen auch daran liegen, dass die von ihnen verfolgten Projekte teils auf Jahrzehnte angelegt sind und es für sie folglich eher hinderlich wäre, an den Kapitalmärkten nach der kurzfristigen Liquiditätssituation beurteilt zu werden. Ohnehin sind Bezos und Musk laut dem Informationsdienstleister Bloomberg derzeit die beiden reichsten Menschen der Welt und dürften als solche in der Lage sein, ihre Weltraumambitionen selbst zu finanzieren.
Anders sieht die Situation bei der vom britischen Milliardär Richard Branson gegründeten Virgin Galactic aus, die im Oktober 2019 per Rückwärtsfusion mit einer Special Purpose Acquisition Company (Spac) an die Börse gekommen war. Die Aktie des Unternehmens, das Suborbitalflüge veranstalten will, hatte im vergangenen Jahr heftige Kursschwankungen hingelegt. Seit Anfang 2021 gerechnet liegt sie aber mit über 100% im Plus und ist seit Mai kräftig durchgestartet. Schwung brachte dabei auch, dass die US-Flugaufsicht FAA Virgin Galactic grünes Licht für kommerzielle Flüge erteilt hat – die Raumfahrtfirma darf also Touristen ins All bringen. Das Fenster für den ersten vollständig bemannten Testflug soll laut einer Mitteilung des Unternehmens bereits am 11.Juli öffnen. Auch Amazon-Gründer Bezos hat es eilig: Er will sogar persönlich an einem für den 20. Juli geplanten kommerziellen Erstflug von Blue Origin teilnehmen.
Zweifel an Virgin Galactic
Die Weltraumtourismus-Anbieter könnten künftig um eine kleine, aber äußerst zahlungskräftige Kundschaft ringen. Bei Virgin Galactic sind nach Unternehmensangaben mehr als 600 Reservierungen für 90-minütige Suborbitalflüge anhängig, ein Ticket soll 250000 Dollar kosten. Allerdings zeigt sich die Analysefirma Paragon Intel bezüglich der Aussichten des Branson-Unternehmens skeptisch und setzt die Aktie auf „Sell Short“. Virgin Galactic werde voraussichtlich frühestens im Frühjahr 2022 in der Lage sein, Kunden zu transportieren. Zudem sei die Reservierungsliste seit 2018 kaum länger geworden – und selbst um die vorgesehene limitierte Kundengruppe zu bedienen, reichten die Kapazitäten des Unternehmens nicht aus. Die Konsensschätzungen bezüglich des Umsatzes bis 2025 seien daher wohl nicht zu erreichen. Die Bank of America sieht zudem die Gefahr, dass die Konkurrenz ebenfalls bald FAA-Lizenzen erhalten könne und der First-Mover-Vorteil von Virgin Galactic im Tourismus-Segment, der bisher als starker Treiber der Aktie gewirkt habe, dadurch zusammenschmelzen werde. Das US-Geldhaus hat die Aktie daher zuletzt von „Overweight“ auf „Underperform“ herabgestuft.
Positiver nimmt sich die Analystenmeinung über den italienischen Raumfahrtkonzern Leonardo aus: Laut Bloomberg beläuft sich der Anteil der Kaufempfehlungen für die Aktie auf 73,7%, jener der „Verkaufen“-Vota auf lediglich 5,3%. Zum Produktportfolio des Unternehmens gehören neben Komponenten für die Raumfahrt, allerdings ist Leonardo auch an der Produktion von Kampfjets beteiligt und schreckt damit viele nachhaltig orientierte Investoren ab.
Ohnehin raten Strategen dazu, langfristige Chancen ins Auge zu fassen, die sich durch die Erschließung des Weltraums beispielsweise in der Forschung und dem Healthcare-Sektor ergeben. Denn durch die Schwerelosigkeit bestünden im All Laborbedingungen, die auf der Erde nur aufwendig herzustellen seien – dies könne für die Entwicklung von Medikamenten wichtig werden. Allerdings werde die Gesundheitsbranche im All erst später durchstarten als Tourismus- und Satellitenanbieter.