„Wir wachsen sehr anständig“
Werner Rüppel.
Herr Wenicker, wie entwickeln sich die Geschäfte bei iShares?
Ausgesprochen gut, wir haben jetzt im laufenden Jahr auf unserer europäischen Ucits-Plattform knapp 32 Mrd. Dollar an Nettomittelzuflüssen gesehen. Das ist ein signifikanter Anteil der gesamten Zuflüsse, die in diesem Jahr in Europa bisher in ETFs netto geflossen sind. Daran sieht man, dass der ETF-Markt auch in unsicheren und volatilen Zeiten wächst, obwohl dieses Jahr natürlich kein Rekordjahr werden dürfte. Wir wachsen nach wie vor sehr anständig.
In Europa sind Sie ja ganz klar Marktführer.
Insgesamt verwaltet iShares aktuell 2,6 Bill. Dollar. Das verwaltete Vermögen in iShares-ETFs in Europa beträgt gut 550 Mrd. Dollar, bei einem Gesamtmarkt, der 1,3 Bill. Dollar groß ist. Wir sind damit der führende ETF Anbieter auch in Europa und konnten unsere Marktposition über die letzten Jahre gut behaupten.
Wie wichtig ist der deutsche Markt für Sie?
Sehr wichtig. Die Nutzung von ETFs hat hierzulande bei Privatinvestoren in den letzten Jahren stark zugenommen. Mehr als in allen anderen Ländern. Jetzt sind auch viele sogenannte Neo-Broker an den Markt gekommen, die das Thema ETF auch sehr stark forcieren und daran arbeiten, den Zugang zum ETF-Vehikel kontinuierlich zu verbessern.
Was für aktuelle Trends stellen Sie fest?
Ein wichtiger Trend ist das Thema Nachhaltigkeit. Bereits im letzten Jahr lag der Anteil der Nettomittelzuflüsse von nachhaltigen ETFs bei über 50%. Wir beobachten ein exponentielles Wachstum bei ESG-ETFs. Und in diesem Jahr liegt der Anteil bereits bei 54%. Sprich, 54% der Nettomittelzuflüsse in iShares-ETFs im Jahr 2022 gingen in nachhaltige ETFs. Nachhaltigkeit hat sich von einer Nische vor ein paar Jahren zu einem zentralen und elementaren Grundpfeiler in der Investmentlandschaft entwickelt. Das zeigt uns, dass Nachhaltigkeit eine der größten Transformationen in der Finanzindustrie ist. Und wir sehen hier, dass nach wie vor signifikante Portfolioumschichtungen im Gange sind. Ein weiterer Trend in diesem Jahr ist die starke Nachfrage nach Anleihe-ETFs.
Wie stellt sich dieser dar?
Wir haben ja insgesamt einen starken Ausverkauf an den Märkten in diesem Jahr gesehen, sowohl bei Aktien als auch bei Anleihen. Und trotz dieses Ausverkaufs an den Anleihemärkten konnte die ETF-Industrie global knapp 130 Mrd. Dollar an Nettomittelzuflüssen in Anleihe-ETFs verzeichnen, davon ungefähr 20 Mrd. Dollar an Nettomittelzuflüssen hier in Europa. Das steht in starkem Kontrast zu signifikanten Abflüssen, die wir in aktiv gemanagten Anleihefonds weltweit beobachten konnten, denn hier beliefen sich die Abflüsse per Ende Juni auf etwa 277 Mrd. Dollar. Kurz gesprochen: Zuflüsse in Anleihe-ETFs, Abflüsse in aktiv gemanagten Anleihefonds.
Und wie entwickeln sich die Umsätze von Anleihe-ETFs?
Hier konnte der Markt ein Rekordhandelsvolumen erzielen, und zwar am 13. Juni. Etwa 58 Mrd. Dollar in Anleihe-ETFs wurden an diesem Tag gehandelt – ein historisches Hoch, und das zeigt uns, dass Investoren zunehmend auch ETFs nutzen, um die Bondmärkte zu navigieren. Vor allem institutionelle Anleger haben hierbei Risiken abgebaut. So kam es in diesem Jahr zu stärkeren Abflüssen im globalen High-Yield-Bereich, im Dollar als auch im Euro. Hingegen haben wir sehr starke Zuflüsse gesehen bei Dollar- und Euro-Staatsanleihen.
Welches Potenzial haben Anleihe-ETFs?
Der globale Markt für Anleihe-ETF ist heute ca 1,7 Bill. Dollar groß. Das sind rund 2% des globalen Anleihemarktes. Allein das verdeutlicht, wie groß das Wachstumspotenzial ist. Wir gehen daher davon aus, dass der Anleihe-ETF-Markt das Potenzial hat, bis Ende 2030 auf 5 Bill. Dollar anzuwachsen.
Wo haben Sie zuletzt Ihr ETF-Angebot weiter ausgebaut?
Wir haben im letzten und auch im laufenden Jahr unsere Angebotspalette kontinuierlich ausgebaut. 2021 haben wir 25 neue ETFs auf den Markt gebracht, davon bereits 15 mit einem ESG-Bezug, sowohl auf der Aktien- als auch auf der Anleihenseite. In diesem Jahr haben wir bisher 12 neue ETFs auf den Markt gebracht, acht Stück davon im Bereich Nachhaltigkeit, also mit einem ESG-Bezug. Dazu zählen auch innovative Konzepte. Wir haben beispielsweise dieses Jahr den ersten Fixed Income Paris-Aligned Climate ETF auf den Markt gebracht für den Euro-Anleihebereich. Eine sehr erfolgreiche Emission, die das Interesse der Investoren wecken konnte.
Was gibt es noch für neue Produkte?
Wir haben beispielsweise auch die Palette unserer ESG-Sektor-Range ausgebaut, das heißt Sektor-ETFs mit einem ESG-Bezug. Wir haben allerdings auch im Bereich der Core-Exposures das ESG-Angebot ausgeweitet. So haben wir jetzt eine ESG-Variante auf den S&P Index. Und wir haben auch im Bereich der thematischen ETFs die Produktpalette vergrößert. Ziel ist es, den Kunden auch in Zukunft eine große Auswahl an Portfolio-Bausteinen zur Verfügung zu stellen. Wir haben darüber hinaus bestehende ETFs konvertiert, das sind neun ETFs aus dem Aktien- und Anleihebereich, die wir in eine ESG-Variante überführt haben.
Was planen Sie für die Zukunft?
Ein ganz großer Fokus bleibt für uns natürlich auf dem Thema Nachhaltigkeit, das ist bei uns bereits der Standard bei den Anlagelösungen. Insofern sind wir bemüht, unser Angebot bei den nachhaltigen ETFs weiter kontinuierlich auszubauen, um unseren Kunden eine Vielfältigkeit und Auswahlmöglichkeit zu bieten. Neben dem Vorstoß in neue Anlageklassen, wie zum Beispiel Fixed Income, sind wir auch bestrebt, unser Angebot an Nachhaltigkeits-ETFs im Bereich der Themenfonds, im Bereich Net Zero und bei den erneuerbaren Energien zu erweitern. Ein zweiter Schwerpunkt sind sicherlich thematische Investments, die gerade von Privatinvestoren zunehmend und auch von institutionellen Investoren sehr stark angenommen werden. Wir wollen Megatrends investierbar machen. Dazu haben wir jetzt in diesem Jahr bereits einen ETF auf den Markt gebracht und gedenken das auch in Zukunft zu tun, wenn wir die passenden Themen finden, die sich auch effizient und effektiv mit ETFs abbilden lassen.
Sie sind ja mit Ihrer Vielzahl von ETFs Komplettanbieter?
In der Tat. Wir möchten uns in allen Produktbereichen möglichst stark positionieren und weiterhin unser Angebot sehr zielgerichtet ausbauen.
Wie wichtig sind für Sie Sparpläne?
Sparpläne sind für uns ein Wachstumstreiber, wie auch Nachhaltigkeit, thematisches Investieren und Anleihe-ETFs. In Deutschland gibt es heute etwa 5 Millionen ETF-Sparpläne, Wir gehen davon aus, dass wir bis zum Jahr 2026 hierzulande etwa 20 Millionen Sparpläne erreichen werden. Bei ETF-Sparplänen ist Deutschland Vorreiter, und wir sehen, dass dieses Thema auch in anderen Ländern Europa jetzt aufgegriffen wird. ETF-Sparpläne stellen auch ein Einstiegsinstrument dar, wir sehen viele First-Time-ETF-User. Das ist ein Phänomen, was wir natürlich sehr begrüßen, weil es die Demokratisierung der Geldanlage weiter vorantreibt.
Wie wichtig sind für Sie Faktor-ETFs?
Nach wie vor sind Faktor-ETFs ein ganz wichtiger Bereich für uns, und wir sehen eine kontinuierliche hohe Nutzung. Allein in diesem Jahr hat der europäische ETF-Markt bisher Zuflüsse von 4,2 Mrd. Dollar in Smart Beta gesehen. Dabei sind institutionelle Investoren ab dem Ende des ersten Quartals stärker in defensive Faktoren gewechselt.
Halten Sie an der vorwiegend physischen Abbildung bei ETFs fest?
Ja, rund 98% unserer Angebotspalette sind physisch replizierend, wir haben Ausnahmen bei Commodities, weil da eine physische Darstellung nicht möglich ist. Das reflektiert die Nachfrage von Kunden, weil es hier de facto eine ganz starke Präferenz für die physische Replikationsmethodik gibt.
Werden Sie die laufenden Kosten weiter senken? Wird oder kann die ETF-Branche die Preise noch weiter senken?
Wir beobachten laufend unser Produktangebot und behalten uns Preissenkungen natürlich vor. Entgegen der vielfachen Annahme sind nachhaltige ETFs übrigens nicht teurer als die herkömmlichen Produkte, vielfach sind sie sogar noch günstiger.
Was gibt es denn auf der Vertriebsseite Neues?
Wir konzentrieren uns in ganz Europa auf den Vertrieb aller Kundensegmente, von institutionell bis zu Retail, also letztlich Privatinvestoren. Hier fühlen wir uns gut aufgestellt und streben weiterhin Partnerschaften mit entsprechenden Plattformen an. Für viele Kunden rückt auch das Thema Portfoliokonstruktion in den Vordergrund. Hier sind wir bestrebt, unsere Kunden zu unterstützen. Hier bringen wir unsere Expertise als größter Assetmanager und als Risikomanager ein. Wir entwickeln da zusammen mit dem institutionellen Kunden gemeinsam Portfolios auf Basis ihrer jeweiligen Bedürfnisse.
Wie beurteilen Sie das Wachstumspotenzial von ETFs in Europa. Es besteht ja noch immer Nachholbedarf im Vergleich zu den USA?
Der europäische ETF-Markt ist heute 1,3 Bill. Dollar groß. Wir erwarten, dass er Ende 2025 bei 2,2 Bill. Dollar steht. Wir gehen von Wachstumsraten im zweistelligen Prozentbereich aus. Und ja, wir sehen, dass ETFs in Europa in den Portfolios nach wie vor geringer repräsentiert sind als in den USA. Wir sehen in Europa daher Potenzial für eine höhere „Index-Adoption“. Da liegen wir heute bei zwischen 15 bis 20%. Und das kann durchaus in den nächsten Jahren auf 25 bis 30% nach oben gehen.
Das Interview führte