Geld oder BriefZahlungsdienstleister

Worldline muss Vertrauen zurückgewinnen

Nach mehreren Gewinnwarnungen erwarten Analysten vom künftigen Worldline-Chef einen neuen Strategieplan und die Bereinigung des Portfolios.

Worldline muss Vertrauen zurückgewinnen

Geld oder Brief

Worldline muss Vertrauen zurückgewinnen

Von Gesche Wüpper. Paris
Von Gesche Wüpper, Paris

Der französische Bezahldienstleister Wordline will sein Portfolio aufräumen, nachdem er bereits im September seinen Vorstand in Schuss gebracht und sich von dem langjährigen Unternehmenschef Gilles Grapinet getrennt hat. Ob das ausreicht, das durch mehrere Gewinnwarnungen erschütterte Vertrauen von Investoren zurückzugewinnen, muss sich jedoch erst zeigen. Innerhalb der letzten zwölf Monate hat die Worldline-Aktie fast 55% an Wert verloren, innerhalb der letzten fünf Jahre sogar mehr als 88%, so dass die Marktkapitalisierung auf zuletzt 1,79 Mrd. Euro gesunken ist.

Zwar legte das Papier der ehemaligen Atos-Tochter am Donnerstag an der Börse von Paris im Laufe des Tages zeitweise mehr als 3% auf 6,37 Euro zu, doch damit beträgt der Kursrückgang innerhalb von einer Woche noch immer fast 5%. Der einst als europäische Tech-Hoffnung gefeierte Konzern ist letztes Jahr in die roten Zahlen gerutscht und hat sich bis heute nicht von den Folgen der Gewinnwarnung erholt, die die Aktie letztes Jahr Ende Oktober innerhalb eines Tages um fast 60% haben einbrechen lassen. Seitdem hat Worldline Anleger mit dem Abstieg aus dem französischen Leitindex CAC 40 und weiteren Gewinnwarnungen verschreckt.

Enttäuschender Vergleich

Zuletzt enttäuschte der Bezahldienstleister mit den Ergebnissen des dritten Quartals, auch wenn er dabei seine Ziele für das Gesamtjahr bestätigte. So peilt er 2024 einen bereinigten Bruttobetriebsüberschuss von rund 1,1 Mrd. Euro, ein organisches Umsatzwachstum von 1% und einen freien Cashflow von rund 200 Mill. Euro an. Allerdings musste er im dritten Quartal einen organischen Umsatzrückgang um 1,1% auf 1,163 Mrd. Euro hinnehmen, so dass er die Erwartungen der Analysten verfehlte. Sie hatten laut Bloomberg im Schnitt mit einem Umsatz von 1,175 Mrd. Euro gerechnet.

Worldline hat im Sommer den Konsumrückgang, den Verlust einiger Verträge mit Händlern sowie eine enttäuschende Entwicklung von bestimmten Zahlungsakzeptanz-Aktivitäten wie Reisen und Videospiele zu spüren bekommen. Trotz des schwierigeren Umfeldes konnten europäische Wettbewerber wie Adyen und Nexi im selben Zeitraum weiter zulegen. Im Vergleich zu ihnen ist Worldline mit einem erwarteten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 3,60 in diesem und 3,25 im nächsten Jahr jedoch auch wesentlich günstiger bewertet.

Schrumpfkur gefragt

Das durchschnittliche Kursziel der 24 Analysten, die den Wert verfolgen, beträgt laut Bloomberg 9,53 Euro für die nächsten zwölf Monate, was einem Potenzial von mehr als 50% entspricht. 16 von ihnen stufen die Aktie des Bezahldienstleisters derzeit mit „halten“ oder „neutral“ ein, fünf empfehlen, sie zu kaufen und einer, sie unterzugewichten. UBS ist in der Liste von Bloomberg nicht enthalten, hat jedoch gerade ihre Empfehlung, das Worldline-Papier zu verkaufen, bestätigt und dabei das Kursziel von 5,25 Euro auf 5 Euro gesenkt. Zwar habe Worldline die Prognosen bestätigt, „doch die Herausforderungen bezüglich der Einnahmen bleiben bestehen“, erklären die UBS-Analysten.

Worldline habe seit Jahren Wachstums- und Margenprobleme, meinen die Experten von J.P. Morgan, die die Aktie mit „neutral“ einstufen. Das Blaue vom Himmel zu versprechen werde nicht so einfach dazu führen, dass sich neue Investoren auf den Konzern einließen. „Unserer Meinung nach muss das Unternehmen kleiner werden, indem es eine Reihe an hinter den Erwartungen zurückbleibenden Rand-Aktivitäten zurückschneidet“, urteilen die J.P.-Morgan-Analysten Sandeep Deshpande und Anchal Sahu. Damit Investoren die Aktie wieder anschauen, halten sie eine Rückkehr zu einem mittleren einstelligen Wachstum oder eine signifikante Verbesserung des freien Bargeldmittelzuflusses für notwendig.

Käufer für Sparte gesucht

Die Empfehlungen der Analysten scheinen auf Gehör zu stoßen, denn Interimschef Marc-Henri Desportes erklärte kürzlich, es sei an der Zeit, das Portfolio zu optimieren. Der Bezahldienstleister hat laut Informationen von Reuters die Rothschild-Bank beauftragt, einen Käufer für die Sparte Mobilité & Services Web Transactionnels (MTS) zu finden. Zu ihr gehören diverse Aktivitäten wie digitale Fahrscheine im öffentlichen Verkehr und die Entmaterialisierung gesicherter Datenpakete. Spekulationen, dass die Sparte, die letztes Jahr auf einen bereinigten Bruttobetriebsüberschuss von 48,1 Mill. Euro gekommen ist, verkauft werden könnte, gibt es seit längerem.  

Synergien verbessern

Analysten und Investoren erwarten von dem Bezahldienstleister auch, dass er bald einen Nachfolger für den Ende September ausgeschiedenen Konzernchef Grapinet findet, um unter dessen Führung einen neuen Strategieplan zu erarbeiten. Interimschef Desportes sei Kandidat, heißt es in Paris. Da er jedoch jahrelang eng mit Grapinet zusammengearbeitet habe, stehe er bei Anlegern nicht besonders hoch im Kurs. Deshalb sei frisches Blut von außen besser. Eine der wichtigsten Aufgaben, die den künftigen Chef erwarten, ist es, die Synergien zwischen den einzelnen, teilweise dazugekauften Aktivitäten zu verbessern.