Staatsanleihen

Zins und Spread bringen Total-Return-Kummer

Die Zins- und Spread-Entwicklung beschert Verluste bei Staatsanleihepositionen. Mit den höheren Zinsen wird der Blick der Anleger auch immer mehr in Richtung der Schuldentragfähigkeit gelenkt.

Zins und Spread bringen Total-Return-Kummer

Von Sophia Oertmann*)

Mit Blick auf die Gesamtertragsentwicklung (Total Return) hat der Staatsanleihemarkt der Europäischen Währungsunion (EWU) einen rabenschwarzen Monat hinter sich. Der iBoxx Euro Eurozone Sovereign Index gab im April um sage und schreibe 3,7% nach und erreichte damit einen neuen Negativrekord – der schwächste Monat seit Einführung des Euro. Es sind vor allem die Sorgen der Investoren vor dem geldpolitischen Schwenk der Europäischen Zentralbank (EZB) infolge einer stark gestiegenen Teuerung, die massiv auf den Gesamterträgen im EWU-Staatsanleihemarkt lasten. Selbst bei einer Erholung des Marktes dürfte das Verlorene nur schwer wiederzugewinnen sein, denn seit Jahresbeginn ist der Gesamtindex für die Eurozone in Summe um fast 8% gefallen.

Auf Basis der einzelnen Länderindizes wird deutlich, dass aktuell in erster Linie die Zins-Komponente den Total Return belastet. Aber auch die Spread-Komponente, also die Höhe der Risikoaufschläge der EWU-Staatsanleihen gegenüber als sicher geltenden Bundesanleihen, trägt zur schwachen Performance des Staatsanleihesegments bei. Dabei gilt: je höher die Duration eines Länderindex, also die durchschnittliche Restlaufzeit der Staatsschulden, desto größer der bisherige Jahresverlust. Die einzige Ausnahme bildet der griechische Länderindex, der trotz einer nahezu durchschnittlichen Duration von 8,4 Jahren die höchsten Verluste verzeichnet.

Höhere Inflationserwartung

Auf der Suche nach den „Per­formance-Killern“ blicken wir zunächst auf die Zins-Komponente: Je länger die EWU-Inflationsrate über dem EZB-Ziel von 2% verharrt, desto mehr sorgen sich die Marktteilnehmer über die Preisstabilität im Euroraum und eine bevorstehende restriktivere Geldpolitik der EZB. Dadurch wurde Ende vergangenen Jahres ein Aufwärtstrend der (nominalen) Renditen ausgelöst, der bislang kein Ende gefunden hat. Mittlerweile notiert die zehnjährige Bund-Rendite rund um die 1-%-Marke. Derweil bleiben die realen Renditen weitestgehend fest verankert und spiegeln damit die weiter steigenden Inflationserwartungen wider.

Konjunkturelle Risiken, die in den vorigen Monaten in Form der Omikron-Mutation des Coronavirus oder des Ukraine-Krieges zutage getreten sind, konnten den allgemeinen Anstiegstrend der Renditen lediglich für kurze Zeit durch Safe-Haven-Flows aufhalten. Die Inflationsthematik schaffte es immer wieder aufs Neue, die Investoren in ihren Bann zu ziehen und den Total Return durch weitere Rendite-Anstiege noch tiefer in den Keller gehen zu lassen.

Doch auch die Spread-Komponente hat dazu ihren Teil beigetragen. Seit der Ankündigung des EZB-Kurswechsels im Oktober vorigen Jahres sind die Risikoaufschläge der Peripherie-Staaten gegenüber Bundesanleihen deutlich gestiegen. Zuletzt hat sich diese Dynamik durch die schrittweise Reduzierung der Nettoanleihekäufe der EZB nochmals verstärkt. Zunächst wurden die Anleiheneukäufe im Rahmen des Pandemie-Ankaufprogramms PEPP im März eingestellt. Verstärkend kommt nun hinzu, dass das Volumen der Anleihekäufe im Rahmen des Asset Purchase Programme (APP) im zweiten Quartal zügig reduziert wird, um voraussichtlich Anfang des dritten Quartals gänzlich eingestellt zu werden.

Damit trifft ein weiterhin be­trächtliches Anleiheangebot, be­dingt durch den hohen Refinanzierungsbedarf der Staaten, auf eine strukturell schwächere Nachfrage, da der Anteil der EZB-Käufe am Bruttoemissionsvolumen drastisch zurückgeht. Das damit einhergehende Crowding-in privater Investoren zieht erwartungsgemäß höhere Risikoaufschläge nach sich, die sich nun schrittweise in den Spreads der Peripherie-Staaten widerspiegeln. Etwas Linderung dürfte lediglich die Tatsache verschaffen, dass die weiterhin hohen Anleihebestände in der EZB-Bilanz sowie die fortlaufenden Reinvestitionen fällig werdender Anleihen im Rahmen der Kaufprogramme PEPP und APP einem Überschießen der Risikoprämien vorerst entge­genwirken dürften.

Schulden im Blick

Ausgerechnet der Ukraine-Krieg hatte den Trend zu weiteren Spreads zeitweise gestoppt, da Anleger auf einen langsameren Richtungswechsel der EZB gehofft hatten. Mit der zuletzt verstärkten Diskussion über EZB-Leitzinsanhebungen gewinnt der Spread-Anstiegstrend aber wieder an Fahrt. In Kombination mit dem allgemeinen Renditeanstieg blicken einige Investoren daher auch zunehmend besorgt auf das Thema der Schuldentragfähigkeit. Denn die neue Anstiegsdynamik bei Spreads bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die Refinanzierungskosten der EWU-Staaten, die die höheren Kosten im Emissionsgeschäft bereits zu spüren bekommen. So ist die zehnjährige spanische Benchmark-Rendite zuletzt über die Marke von 2% gestiegen. Zum Vergleich: So hoch war diese Rendite zuletzt im Frühjahr 2015, als die EZB die Staatsanleihekäufe im Rahmen des Public Sector Purchase Programme (PSPP) gerade erst begonnen hatte.

Zwar ändern sich die Refinanzierungsgrößen aufgrund des Durationseffekts nur langsam, da in jedem Jahr nur ein kleiner Teil der gesamten Staatsverschuldung refinanziert werden muss, allerdings endet mit dem geldpolitischen Schwenk der EZB das Zeitalter der ultra-günstigen Schuldenaufnahme der Staaten. Am aktuellen Rand vermeldet das spanische Schatzamt nach einem Allzeittief bei −0,04% im Jahr 2021 einen Anstieg der Kosten bei Emission neuer Staatstitel auf den höchsten Stand seit 2018.

Gefahr eines Teufelskreises

Der nicht zuletzt coronabedingte Anstieg der Schuldenstände der EWU-Staaten könnte sich im Fall einer länger andauernden Zinsanstiegsphase damit als Katalysator für weitere Spread-Ausweitungen herausstellen. Denn je höher die Schuldenstände und je teurer die dafür aufzubringenden Refinanzierungskosten, desto schwieriger dürfte es für die Staaten werden, einem weiteren Anstieg der Staatsverschuldung entgegenzuwirken. Damit könnte im ungünstigsten Fall ein Teufelskreis in Gang kommen, der früher oder später auch die Ratingagenturen auf den Plan rufen würde.

In der kurzen Frist bleibt den Anlegern also der ernüchternde Blick auf den rekordnegativen Total Return der EWU-Staatsanleihen im vergangenen Monat. Mittel- bis längerfristig könnte sich dies aber nur als Vorbote einer deutlich größeren Hürde herausstellen: Wie können die Staaten den Anlegern glaubhaft vermitteln, dass ihnen unter deutlich höheren Refinanzierungskosten der Abbau der Schuldenstandsquoten gelingt, der selbst in den expansivsten Phasen der ultraexpansiven EZB-Geldpolitik zum Teil nicht umgesetzt werden konnte? Den Anlegern bleibt damit zu hoffen, dass die EZB zu ihrem Wort steht und im Zweifelsfall einer Fragmentierung an den Anleihemärkten entgegenwirken würde – und vielleicht steuern die Finanzmittel aus dem EU-Wiederaufbaufonds noch zum richtigen Zeitpunkt ihren Wachstumsimpuls bei.

*) Sophia Oertmann ist Rentenmarktanalystin bei der DZ Bank.

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