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Leitzinswende gilt als Stimmungsaufheller

Die Zinssenkungen der Fed aber auch der EZB gelten für Kreditexperten als Stimmungsaufheller für die Märkte, allen voran bei Anleihen.

Leitzinswende gilt als Stimmungsaufheller

Die EZB hat schon zweimal die Leitzinsen gesenkt, und die Fed hat mit dem Schritt um 50 Basispunkte (BP) in der vorigen Woche beim ungewohnten Rückstand gegenüber der EZB überraschend schnell aufgeholt. Mit der Aussicht auf weitere Leitzinssenkungen hoffen die großen Unternehmen auf zusätzliche Unterstützung für Umsätze und Gewinne. Die Geschäftsergebnisse zum zweiten Quartal haben bereits überwiegend positiv überrascht, und auch für die zweite Jahreshälfte sind die Perspektiven ganz ordentlich. Diese Zuversicht konnte auch den Schrecken Anfang August über enttäuschende Wirtschaftsdaten in den USA schnell wieder abfangen. Die Risikoaufschläge für Unternehmen sind daraufhin in die Nähe der Jahrestiefstände gesunken, vor allem für Kreditderivate, Kassa-Anleihen hinken teilweise noch hinterher. Sonderthemen wie die besonders schwache deutsche Industrielandschaft, die sich gerade besonders am Fall VW abarbeitet, oder fehlende chinesische Käufer für Luxusartikel aufgrund der Konsumschwäche in China finden in der Kreditbeurteilung bisher nur deutlich geringeren Niederschlag als an den Aktienmärkten.

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Leitzinswende gilt als Stimmungsaufheller

Unterzeile

Von Carsten Lüdemann *)

Wirtschaftsdaten enttäuschen

Die Konjunkturaussichten haben sich in den vorigen Monaten nicht wesentlich verändert. Zwar haben in den USA einige Wirtschaftsdaten enttäuscht und den Markt Anfang August spürbar verunsichert. Doch gehen die meisten Marktteilnehmer für die USA nur von einer vorübergehenden Eintrübung aus, nicht aber einer Rezession. In Euroland ist die Stimmung etwas schwieriger und aktuell auch wieder rückläufig. Während es in Spanien sogar richtig brummt und sich Italien recht wacker schlägt, enttäuscht die deutsche Konjunktur ein ums andere Mal. Insbesondere der Industriesektor zeigt sich sehr schwach und bietet kaum Anzeichen auf Besserung. Auch in Frankreich enttäuscht die Industrie, und der Dienstleistungssektor hat im September einen herben Rückschlag erlitten.

EZB steckt im Zwiespalt

Die EZB steckt im Zwiespalt zwischen der hartnäckig zu hohen Kerninflation und den negativen Folgen der weiterhin restriktiven Wirkung der Geldpolitik auf die Entwicklung der Wirtschaft und der Arbeitsmärkte. Die Notenbanker betonen daher ihren datenabhängigen Entscheidungspfad für weitere Zinssenkungen. Es ist davon auszugehen, dass die Leitzinsen dennoch recht konstant im Quartalsrhythmus nach unten geführt werden, bis sie ein neutrales Niveau bei etwa 2 % erreicht haben. Die Leitzinssenkungserwartungen sind zuletzt wieder deutlich nach unten angepasst worden. Da sowohl am kurzen Marktende als auch bei den längeren Laufzeiten bereits optimistische Szenarien eingepreist sind, dürfte sich erst ab dem kommenden Frühjahr eine vorsichtige Versteilerung der Zinskurve vom kurzen Ende her ausbilden bei nur geringen Renditerückgängen für längere Fälligkeiten. Unternehmensanleihen werden zwar von den erwarteten Leitzinssenkungen profitieren, doch von der Zinsseite her gibt es für den Total Return somit zunächst kaum noch eine nennenswerte Unterstützung.

Das Neuemissionsgeschäft war in den Sommermonaten auch durch politische Verunsicherung deutlich zurückgefahren worden. Mit dem Ende der Sommerpause wurde die Pipeline aber wieder kräftig befüllt. Die Nachfrage ist zwar weiterhin sehr gut, doch anscheinend reizen viele Emittenten die Überzeichnungen kräftig aus und lassen kaum noch Spielraum für eine gute Performance im nachfolgenden Sekundärmarkt. Nicht wenige neue Bonds werden daher leicht oberhalb der Emissionsspreads gehandelt.

Aktuell liegt das Nominal von neuen Investmentgrade Titeln um etwa 30% über dem Vorjahr und bei High-Yield-Bonds sogar gut 60% darüber. Inklusive Nachranganleihen wird gar das doppelte Nominal erreicht. Gerade für den High-Yield-Bereich ist das eine gute Nachricht, da dort die Sorge über vergleichsweise hohe Fälligkeiten in den nächsten Jahren schon für Unruhe gesorgt hatte.

Kurzer Schrecken

Nach dem kurzen Schrecken Anfang August aufgrund einiger enttäuschender US-Wirtschaftsindikatoren haben sich Risikoassets sehr schnell wieder gefangen. Vor allem Kreditderivate waren gesucht, und die iTraxx-Indizes fielen in die Nähe der Jahrestiefstände. Anders als Aktien, die im Hochsommer neue historische Höchststände erreicht haben, bleiben Kreditmärkte aber ein Stück von den sehr euphorischen Bewertungen von vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine entfernt. Ein Großteil der Kursgewinne aus der Zeit war hauptsächlich durch die Kaufprogramme der EZB getrieben worden. Kassa-Anleihen aus dem Unternehmenssektor konnten dem jüngsten positiven Trend jedoch nicht ganz folgen. Sie leiden unter der kräftigen Wiederaufnahme der Neuemissionstätigkeit nach der Ferienpause und dem aggressiven Pricing der Emittenten. Hiervon werden auch ausstehende Altanleihen etwas belastet. Zudem wirkt sich der deutliche Rückgang der Bund-Swap-Spreads aus, denn in der Folge ist der Ausgangs-Swapsatz für Unternehmensanleihen niedriger und damit die absolute Rendite. Investoren mit Blick hierauf verlangen daher als Ausgleich teilweise höhere Risikoaufschläge für Corporates.

Besser als die Anleihen von Unternehmen haben sich seit Jahresanfang Financials entwickelt. Diese haben den Schreck über die Bewertungsprobleme von Gewerbeimmobilien-Finanzierungen schnell abschütteln können und setzten mit der Hoffnung auf eine Reihe von Leitzinssenkungen die Outperformance aus dem vorigen Jahr fort.

Die Aussicht auf nahezu weltweit sinkende Leitzinsen ist ein starker Unterstützungsfaktor für die Kreditmärkte. Dies insbesondere, weil die Konjunkturerwartungen trotz der zuvor massiven Zinsanhebungen nicht eingebrochen sind. Die aktuell nachlassende Dynamik am US-Arbeitsmarkt scheint sanft genug zu sein, um keine ernsthaften Rezessionssorgen aufkommen zu lassen. Als mögliches Risiko wird diese Sorge aber dennoch für einige Zeit über den Märkten schweben. Ein anderes Risiko ist der Ausgang der US-Wahlen sowie eine mögliche Eskalation bei Zoll-Streitereien mit China und den USA.

Auch in Europa hält sich die Wirtschaft zumindest außerhalb Deutschlands ganz passabel. Große deutsche Unternehmen sind stark global ausgerichtet und dürften ihre Umsätze und Gewinne trotz der Schwäche im Heimatland weiter steigern können. In den Renditen sollte all das bereits größtenteils eingepreist sein. Daher dürften sowohl die Spreads als auch das Zinsniveau insgesamt keine allzu großen Kursgewinne in nächster Zeit mehr beisteuern. Immerhin aber bieten die laufenden Erträge eine gute Überbrückungshilfe, bis auch weitere nachfolgende Zinssenkungsrunden in Blickweite geraten. Mit der Aussicht auf eine wieder normale Form der Zinsstrukturkurve wird auch das „Abreiten der Zinskurve“ zunehmend attraktiv, vor allem im High-Yield-Bereich.  

*) Carsten Lüdemann ist im Makro-Research der DekaBank tätig.

Von Carsten Lüdemann *)
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