FIRM-Forschungspreis 2022 für Gazi Kabas
Von Esther Baumann *)
Wie stark beeinflusst das Verhalten privater Haushalte den Arbeitsmarkt? Und warum sind Banken in Regionen mit stark alternder Bevölkerung zu mehr Risiko bei der Kreditvergabe bereit? Antworten dazu liefert das Forschungspapier von Gazi Kabas von der Universität Zürich, das mit dem FIRM-Forschungspreis 2022 ausgezeichnet wurde. Kabas hat sich in seinen Studien ganz auf den Wirtschaftskanal Privathaushalt konzentriert – und dabei erstaunliche Zusammenhänge offengelegt. Diese könnten auch der Politik wichtige Impulse geben, beispielsweise bei der Steuerung von Finanzhilfen am Arbeitsmarkt.
Beim FIRM-Forschungspreis wählt eine stark besetzte Jury aus Vertretern von Wissenschaft und Wirtschaft unter den eingereichten Arbeiten drei aus, die hochwertige theoretisch-konzeptionelle Grundlagenarbeit, innovativen Praxisbezug und empirische Forschung in bester Weise verbinden. In die Endrunde geschafft haben es in diesem Jahr neben Kabas auch Carina Schlam von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und Gregor Schönemann von der Universität Hohenheim. Bei der Forschungskonferenz am 23. Juni 2022 haben sie ihre Arbeiten vorgestellt und sich der kritischen Diskussion mit erfahrenen Praxisvertretern und Wissenschaftlern gestellt.
Kabas konnte mit seinen „Essays on Household Finance and Empirical Banking“ am meisten überzeugen. „Kabas hat nicht nur diverse Abhängigkeiten zwischen Haushaltsfinanzen und Realwirtschaft in seinen Modellen gründlich untersucht, sondern auch empirisch sehr anspruchsvoll und sorgfältig getestet“, erläutert der Juryvorsitzende Günter Franke von der Universität Konstanz die Entscheidung.
Kabas wurde bei seinen Forschungsarbeiten von Steven Ongena, Professor für Banking an der Universität Zürich, betreut. Ongena lobt vor allem die Kreativität des jungen Forschers. Kabas habe für seine Studien auch mit Datensätzen gearbeitet, die für diese Zwecke so bislang nicht genutzt wurden, beispielsweise Daten der Administration in Norwegen. Durch geschickte Kombination von Daten konnte er neue und bislang unerwartete Zusammenhänge aufzeigen. Damit habe er einen wesentlichen Beitrag zur wissenschaftlichen Literatur im Finanzbereich geleistet. Die Essays wurden bereits auf mehreren internationalen Konferenzen vorgestellt und sind auf gutem Weg zur Veröffentlichung in erstrangigen Zeitschriften.
Konsum und Konsequenz
Die Dissertation von Kabas untersucht Wechselwirkungen zwischen dem finanziellen Verhalten privater Haushalte und anderen Wirtschaftsakteuren, insbesondere Banken. Auch Auswirkungen der Arbeitsmarktpolitik auf die Realwirtschaft werden analysiert. So geht es im ersten Essay um die Wirkung der Arbeitslosenversicherung, analysiert anhand von US-Mikrodaten. Darin wird gezeigt, dass in Regionen mit höherer Arbeitslosenversicherung Arbeitnehmer weniger sparen, die Bankeinlagen sinken, Banken weniger Kredite am kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) geben und das Lohnwachstum geringer ist. Überraschende und vermutlich unbeabsichtigte Folgen von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen werden so belegt.
Der zweite Aufsatz beschäftigt sich mit Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf das Kreditvergabeverhalten der Banken. Anhand von Daten für den US-Markt wird untersucht, ob die Bevölkerungsalterung einen Einfluss auf das Verhalten der Banken hat. Gezeigt wird, dass Banken im Umfeld einer stärker alternden Bevölkerung mehr Einlagen erhalten und eher geneigt sind, mehr und risikoreichere Kredite zu vergeben. Bedenken hinsichtlich der Finanzstabilität sind hier angebracht.
Der dritte Beitrag analysiert Zusammenhänge zwischen der Verschuldung der privaten Haushalte und der Arbeitssuche der Haushaltsmitglieder anhand detaillierter norwegischer Daten. Wird die Verschuldung durch schärfere Vorschriften zu Hypothekarkrediten eingeschränkt, dann lassen sich die Haushalte mehr Zeit bei der Arbeitsplatzsuche. Dadurch bleiben Arbeitssuchende länger arbeitslos, erwirtschaften dann aber höhere Einstiegslöhne.
Neben den Arbeiten der drei Finalisten standen weitere wichtige Themen auf der Agenda der Forschungskonferenz. So haben Sigrid Kozmiensky, Risikovorständin der ING-DiBa, und Jürgen Steffan, Risikovorstand Wüstenrot & Württembergische, über neue Formen des Arbeitens, insbesondere agiles Arbeiten, referiert und diskutiert. Wie lässt sich der hybride Ansatz – die Kombination aus Büroarbeit und Working from Home – in die Unternehmens- und Personalstrategie übersetzen? Kozmiensky zeigte am Beispiel der ING-DiBa auf, wie Teams ihr geeignetes Maß an Flexibilität finden und welche Unterstützung von Unternehmensseite dafür erforderlich ist. Steffan skizzierte zudem die Auswirkungen auf Raum- und Gebäudeplanungen. Der Blick galt auch den Risiken: Für ein fehlendes Kontrollumfeld, Informations- und Datensicherheit wie auch andere Kultur- und Leadership-Erfordernisse müssen neue Konzepte erarbeitet und in einem Lernprozess entwickelt werden.
ESG und Kleinanleger
Zum Abschluss präsentierte Lars Hornuf von der Universität in Bremen seine aktuellen Forschungsergebnisse zur Frage, ob Kleinanleger bei ihren Investitionsentscheidungen Wert auf Umweltverträglichkeit legen. Sein Feldversuch ergab: 60% der Investoren verzichten auf eine höhere Rendite für ausreichend große Umweltvorteile. Bei grünen Investitionsprojekten steht die Umwelt klar im Fokus, soziale Auswirkungen haben dagegen eine geringe Relevanz.
Der FIRM-Forschungspreis wird alle zwei Jahre vergeben und steht unter der Schirmherrschaft von Tarek Al-Wazir, dem hessischen Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen. Die nächste FIRM-Forschungskonferenz wird im Juni 2023 stattfinden.
*) Esther Baumann ist Geschäftsführerin FIRM.