Banken bei Kreditvergabe erheblich restriktiver
rec Frankfurt
Für Privatkunden wie Unternehmen in der Eurozone wird es zunehmend schwierig, an Kredite zu kommen. Die Banken hätten ihre Kreditstandards für Haushalte und Firmen „deutlich verschärft“, berichtet die Europäische Zentralbank (EZB). Grundlage ist die vierteljährliche Umfrage zum Kreditgeschäft. Demnach dürften die Finanzierungsbedingungen bis Jahresende noch restriktiver werden.
Der sogenannte Bank Lending Survey (BLS) liefert der EZB wichtige Anhaltspunkte für die Gestaltung ihrer Geldpolitik. Die Notenbank steckt mit Blick auf Inflation und Wachstum in einem Dilemma: Während sie die mit knapp 10% viel zu hohe Teuerung bekämpft, entzieht sie der schwächelnden Konjunktur mit jeder Zinserhöhung Unterstützung. Im Augenblick wiegen die Sorgen über die Inflation im EZB-Rat erkennbar schwerer.
Mehrere Ursachen
Kurz vor der EZB-Ratssitzung am Mittwoch und Donnerstag liefert die aktuelle Auflage des BLS den Euro-Notenbankern dahingehend gemischte Signale. Bestätigt sehen dürften sie sich in der Erkenntnis, dass ihre Zinswende zu wirken beginnt: Den Banken zufolge gesellt sich das steigende Zinsniveau zu den Gründen, die die Kreditnachfrage bremsen. Insbesondere im Immobiliensektor sind die Marktzinsen den Leitzinsen bereits weit enteilt, was die Nachfrage deutlich dämpft.
Allerdings hat das stockende Kreditgeschäft weitere Ursachen, die nicht in den Händen der Notenbank liegen – und die Sorgen vor einem wirtschaftlichen Abschwung nähren. Denn die Unternehmen fahren der Kreditumfrage zufolge in erster Linie ihre Investitionen zurück. Das deutet in der Regel auf eine wirtschaftliche Schwächephase hin. Stattdessen fragen Unternehmen verstärkt kurzfristige Kredite nach, um angesichts instabiler Lieferketten und steigender Kosten für Vorprodukte und Energie ihre Lager zu vergrößern.
Auch auf Verbraucherseite trübt sich das Kreditgeschäft der Banken in der Eurozone ein. Die Nachfrage privater Haushalte nach Krediten schwächele im Zusammenspiel steigender Leitzinsen und nachlassenden Verbrauchervertrauens, heißt es bei der EZB. Diese Trends dürften sich auf absehbare Zeit eher noch verstärken: Die befragten Banken rechnen damit, dass sie die Kreditstandards im vierten Quartal weiter substanziell verschärfen werden – und zwar auf breiter Front: Sowohl Unternehmenskredite als auch Immobilien- und Verbraucherkredite werden nach Einschätzung der Mehrheit der 153 befragten Banken schwieriger zu bekommen sein.
Wende bei Immobilien
Was die Ergebnisse für Deutschland betrifft, so hebt die Bundesbank die Entwicklungen am Immobilienmarkt hervor. So hätten Banken ihre Richtlinien für private Wohnungsbaukredite zum zweiten Mal in Folge verschärft – und zwar so stark wie nie seit Einführung der vierteljährlichen Umfrage zum Kreditgeschäft im Jahr 2003. Besonders hierzulande sind die Hypothekenzinsen deutlich stärker gestiegen als die Leitzinsen, was die Nachfrage bremst. Erste Verbände erwarten für das laufende Jahr sogar erstmals seit der Weltfinanzkrise einen Rückgang des Neugeschäfts mit Wohnimmobilien.
Außer der Reihe fragten die Notenbanken des Eurosystems die Refinanzierungslage der Banken ab. Hintergrund sind Überlegungen, im Zuge der Zinswende Liquidität zu entziehen. Dabei stehen die Anleihekaufprogramme und die speziellen Refinanzierungsgeschäfte für Banken aus der Zeit der Coronakrise (TLTRO) im Fokus. Beide Instrumenten hätten in den vergangenen sechs Monaten laut Angaben deutscher Banken keinen nennenswerten Einfluss auf ihre Kreditvergabepolitik und ihr Kreditvolumen mehr gehabt, berichtet die Bundesbank. Ähnliches ist laut EZB in der gesamten Eurozone zu beobachten.
In der Coronakrise hatte die EZB den Banken sehr günstig und quasi unbegrenzt Liquidität zur Verfügung gestellt. Die Erkenntnisse der Kreditumfrage dürften sie darin bestätigen, diese Praxis zu beenden – zumal die Banken dank der Sonderkonditionen inzwischen beträchtliche Zinsgewinne einstreichen.