Biden und Xi sorgen für ein wenig mehr Ruhe
Über die Macht von Goodwill-Gesten kann man sich streiten. Im geopolitischen Gerangel zwischen zwei Weltmächten beziehungsweise den sie repräsentierenden Staatsoberhäuptern haben sie noch nie geschadet. Das Bild des Tages zeugt von einem warm wirkenden Händedruck zwischen den Präsidenten Chinas und der USA, die sich lächelnd in die Augen schauen. Joe Biden und Xi Jinping haben Berührungsängste abgelegt und ihre mehr als dreistündige Unterredung mit einem Schnappschuss versehen, der vor einigen Jahren noch diplomatische Routine gewesen wäre, der nun aber wirkt wie der Durchbruch einer Eisschicht, hinter der Gefahren lauern.
An der geo- und industriepolitischen Polarisierung zwischen China und den USA wird das Treffen von Biden und Xi denkbar wenig ändern, an der Geschwindigkeit von Entwicklungen, die auf militärische Auseinandersetzungen und eine damit zwangsläufig verbundene weltwirtschaftliche Katastrophe hinauslaufen könnten, vielleicht einiges. Biden und Xi haben stundenlang miteinander gesprochen. Das dürfte den am Dienstag beginnenden G20-Gipfel in eine Atmosphäre tauchen, die es den übrigen Regierungschefs der führenden Industrie- und Schwellenländer erlaubt, einem Talking Shop und nicht einem Ringgeschehen beizuwohnen. Werden damit auch weltwirtschaftliche Probleme angegangen? Auf der Sentimentebene in jedem Fall.
Das Treffen der beiden Präsidenten unterlag einem sehr glücklichen Timing. Biden hat nach dem überraschend positiven Abschneiden seiner Demokraten bei den US-Kongresswahlen und dem Erhalt der Kontrolle im Senat in einer Position der Stärke nach Bali reisen können. Eine Entspannungsgeste Richtung China kann er vor seinen heimischen politischen Gegnern damit wesentlich besser verkraften. In China wiederum hat der nach dem großen Parteitag in seiner Machtfülle weiter gestärkte Präsident Xi damit begonnen, das immer brisanter wirkende Gemisch von ideologisch überfrachteten Corona-Restriktionen und verheerenden Wirtschaftsfolgen zumindest atmosphärisch aufzulockern. Keineswegs zufällig wurde just vor dem Treffen mit Xi eine etwas pragmatischere Handhabung der Corona-Nulltoleranzpolitik und nun auch eine Unterstützungsaktion für den angeschossenen Immobiliensektor verkündet.
Aus Sicht der chinesischen Bevölkerung und der Marktteilnehmer ist das ein Hoffnungszeichen. Die Parteiführung scheint den Kopf wieder frei zu haben, um Stärke durch das Angehen von Wirtschaftsproblemen anstatt durch bedingungslose Gegnerschaft zu den USA zu demonstrieren.