Blume sucht neuen Glanz für Volkswagen
ste Berlin
Der Volkswagen-Vorstand hat in der ersten Hauptversammlung in Präsenz seit drei Jahren den Anspruch einer höheren Marktkapitalisierung des Wolfsburger Mehrmarkenunternehmens unterstrichen. „Ich bin fest entschlossen, den Wert unseres Unternehmens nachhaltig zu steigern“, erklärte Oliver Blume, seit Anfang September nicht nur Vorstandsvorsitzender der ab Montag ebenfalls im Dax gelisteten Sportwagentochter Porsche AG, sondern auch VW-Konzernchef, beim außerordentlichen Aktionärstreffen in Berlin im Zusammenhang mit dem Porsche-Börsengang.
Auf einem Kapitalmarkttag im zweiten Quartal kommenden Jahres soll auf Basis virtueller Equity Storys der Marken, Markengruppen und Werttreiber das Potenzial für Wertsteigerungen des Konzerns erläutert werden. Erwartungen, dass der Porsche-Börsengang am 29. September auch die VW-Aktie antreiben würde, erfüllten sich bislang nicht. Das Porsche-Papier lag hingegen bis zur Hauptversammlung mit 18% im Plus. An der Börse war der renditestarke Stuttgarter Sportwagenbauer am Freitag mit knapp 90 Mrd. Euro rund 10 Mrd. Euro mehr wert als der Gesamtkonzern, in dem Porsche weiterhin voll konsolidiert wird.
„Jetzt geht es darum, das Haus in neuem Glanz erstrahlen zu lassen“, meinte Blume. „Wir räumen den Keller auf, bauen einen neuen Dachstuhl, versetzen ein paar Wände, wir entrümpeln, bauen neue Teile an, nehmen alte weg.“ Er verwies auf den bei Amtsantritt verkündeten Zehn-Punkte-Plan. Wesentliche Werttreiber in den kommenden drei Jahren seien unter anderem die schnelle Umsetzung der Elektro-Strategie, verbindliche Ziele für alle Marken mit Fokus auf Umsatzrendite, Netto-Cashflow, Break-even und Fixkosten sowie die Hebung von Synergien im Konzern. An oberster Stelle stehe die finanzielle Robustheit. Dabei gehe es auch darum, die Marken resilienter aufzustellen und die Schwelle, ab der sie Gewinn erwirtschaften, weiter abzusenken.
Konzernfinanzchef Arno Antlitz, der Blume als Chief Operating Officer seit September im Tagesgeschäft unterstützt, erklärte, wenn es gelinge, die Werthaltigkeit der Unternehmensstrategie „in den kommenden Quartalen und Jahren konkret zu belegen, sollte sich dies auch positiv in der Bewertung des gesamten Volkswagen-Konzerns am Kapitalmarkt widerspiegeln“. Die Erlöse von insgesamt rund 19,5 Mrd. Euro aus der Platzierung von 25% der Porsche-Vorzugsaktien vor Durchführung von Stabilisierungsmaßnahmen sowie aus der Veräußerung der Beteiligung von 25% plus einer Aktie der Porsche-AG-Stammaktien an die von der Familie Porsche/Piëch beherrschte Porsche Automobil Holding (Porsche SE) sorgten für mehr Flexibilität, um die Erschließung künftiger Gewinn-Pools robuster zu finanzieren.
Im Zuge der gut sechsstündigen außerordentlichen Hauptversammlung votierten die stimmberechtigten VW-Aktionäre mit einem Anteil von 99,9974% für den Vorschlag der Verwaltung, 49% der Bruttogesamterlöse – 19,06 Euro je Stamm- und Vorzugsaktie bzw. 9,55 Mrd. Euro – als Sonderdividende auszuzahlen. Die am 9. Januar zur Auszahlung anstehende Sonderdividende dient der Porsche SE dazu, den Erwerb der zweiten Tranche von 7,5% ihres Porsche-AG-Stammaktienanteils zu finanzieren. Insgesamt sollen 10,1 Mrd. Euro für das Gesamtpaket von 25% zuzüglich einer Aktie an VW fließen.
Dividende nicht ohne Kritik
Anleger und Aktionärsschützer übten in der Hauptversammlung Kritik an der Sonderdividende und monierten Governance-Defizite. Ulrich Hocker, Präsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) sagte, man stimme der Dividendenhöhe zu, es sei aber „skurril“, dass erst im kommenden Jahr ausgeschüttet werden solle. Marc Liebscher, Vorstand der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK), klagte, den Investoren würde die gesamte Dividende im Vermögen wie in der Performance und im Ertrag des Jahres 2022 fehlen. Dies habe auch negative steuerliche Auswirkungen. Der Vorschlag berücksichtigte unter anderem „haushaltstechnische Erfordernisse“ des mit 20% an dem Konzern beteiligten Landes Niedersachsen, wie VW-Finanzchef Antlitz erklärte. Der Sparkassen-Wertpapierdienstleister Deka lehnte die Sonderdividende als zu hoch ab und verwies auf die Herausforderungen von VW. Zudem würden die Vorzugsaktionäre nicht ausreichend entgolten, wie auch Aktionär Christian Strenger kritisierte. Die Bevorzugung der Stammaktionäre müsse endlich ein Ende finden, so Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit & Corporate Governance bei Deka Investment. Eine gleich hohe Ausschüttung für Stamm- und Vorzugsaktien sei nicht akzeptabel. Das Argument der Verwaltung, eine ausreichende Dividendendifferenz zwischen Vorzügen und Stämmen bereits mit der regulären Dividende im Mai gezahlt zu haben, entbehre jeglicher Grundlage.
Hendrik Schmidt von der Fondsgesellschaft DWS kritisierte, die Governance-Defizite der Muttergesellschaft würden von der Tochter noch übertroffen, etwa durch die auch bei Porsche vollständige Abwesenheit unabhängiger Aufsichtsräte. Auch die von Investoren bereits kritisierte Doppelrolle von Blume als Konzernchef und Porsche-CEO nahmen Anleger aufs Korn. „Als Aktionäre wollen wir uns keinen Teilzeit-CEO leisten, weder bei der Tochter noch bei der Mutter“, so Schmidt. Blume selbst unterstrich, die beiden Rollen ergänzten sich perfekt. „Wie im Fußball, wo Spieler alles für ihren Bundesliga-Club geben und gleichzeitig in der Nationalmannschaft spielen.“ DSW-Präsident Hocker entgegnete, der Vergleich passe nicht. Blume habe mehr als „zwei Fulltime-Jobs“.