Energie

Datteln IV – das nächste Kapitel einer unendlichen Geschichte

Der von der EU angeordnete Verkauf des Steinkohlekraftwerks Datteln IV wird zur Bürde. Hat das Kraftwerk doch nicht nur unter Nachhaltigkeitsaspekten einen schlechten Ruf.

Datteln IV – das nächste Kapitel einer unendlichen Geschichte

Von Annette Becker, Köln

Seit Mitte vergangener Woche steht es fest: Uniper muss das Steinkohlekraftwerk Datteln IV bis spätestens Ende 2026 veräußern. Wo sich ein Käufer finden soll, steht dahin, zumal der Ausstieg aus der Kohleverstromung laut Koalitionsvertrag „idealerweise“ auf 2030 vorgezogen werden soll. Doch nicht nur wegen der Gefahr eines um acht Jahre vorgezogenen Aus für die Kohle dürfte sich die Käufersuche mühsam gestalten. Denn auch juristisch steht der Betrieb von Datteln IV weiterhin auf wackeligen Beinen. Das Kraftwerk steht nämlich geradezu symbolhaft für die Probleme, die Deutschland mit Infrastrukturprojekten hat.

2005 und damit lange vor der Abspaltung von Uniper stand der Bau eines neuen Steinkohlekraftwerks im westfälischen Datteln erstmals in der Investitionsplanung von Eon für den Zeitraum 2006 bis 2008. Doch 2009, nach zwei Jahren Bauzeit, erklärte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster den Bebauungsplan für unwirksam und stellte damit den Weiterbau in Frage. Ein halbes Jahr später stand fest, dass der Bebauungsplan endgültig aufgehoben ist, da das Bundesverwaltungsgericht keine Revision gegen das Urteil des OVG Münster zuließ. Damit war die für 2011 geplante Inbetriebnahme des Kraftwerks Makulatur. Zu diesem Zeitpunkt hatte Eon bereits 800 Mill. Euro in den Kraftwerksneubau gesteckt.

Inbetriebnahme 2020

Es musste ein neuer Bebauungsplan her. Voraussetzung dafür war ein geänderter Regionalplan, dem der zuständige Regionalverband Ruhr im Sommer 2011 zustimmte. Doch es sollte bis Mitte 2014 dauern, bis der Stadtrat der Kommune Datteln den neuen Bebauungs- und Flächennutzungsplan genehmigte und damit die planungsrechtliche Grundlage für das Kraftwerk wiederherstellte. Am Ende dauerte es bis ins Frühjahr 2016, bevor Eon mit der Fertigstellung des Baus fortfahren konnte. Bis dato waren mehr als 1 Mrd. Euro verbaut und das Kraftwerk zu 80 % fertiggestellt.

Um dem Ganzen noch eins draufzusetzen, kam es dann obendrein zu technischen Problemen, die den Weiterbau weiter verzögerten. Nachdem es Uniper gelungen war, im Zuge der Verhandlungen über das Kohleausstiegsgesetz für Datteln IV eine Ausnahme zu erringen, ging Deutschlands modernstes Steinkohlekraftwerk im Sommer 2020 endlich in Betrieb mit einer gesetzlich zugesicherten Laufzeit bis 2038. Der Kraftwerksbau hatte letztlich 1,5 Mrd. Euro verschlungen.

Der Schlusspunkt war damit jedoch längst nicht gesetzt, denn auch der neu aufgesetzte Bebauungsplan wurde juristisch angefochten – abermals mit Erfolg. Im Unterschied zum ersten OVG-Urteil über die Unwirksamkeit des Bebauungsplans ließ das Bundesverwaltungsgericht diesmal jedoch die Revision gegen das Urteil des OVG Münster zu.

So lange die Causa juristisch in der Schwebe ist, dürfte sich ein Verkauf verbieten, es sei denn, die Verkäuferin und damit der Bund übernimmt das damit verbundene Rechtsrisiko.

Entschädigung ade

Ohnehin stellt sich aber die Frage, warum die Europäische Kommission ausgerechnet den Verkauf des umstrittenen Steinkohlekraftwerks zur Auflage für die beihilferechtliche Genehmigung zur Verstaatlichung des Gasimporteurs machte. Zufällig war es das von Robert Habeck geführte Bundeswirtschaftsministerium, das mit der EU-Kommission die Auflagen für Uniper erarbeitete. Den Grünen war der Kraftwerksneubau von Anbeginn ein Dorn im Auge und erst recht die bis 2038 währende Betriebserlaubnis. Mit 1,1 Gigawatt steht Datteln IV gerade einmal für 3 % der gesamten Erzeugungskapazität des Konzerns und für 13 % der Kohlekapazität.

Zwar hatte die Uniper-Führung seit der Verabschiedung des Kohleausstiegesgesetzes stets Gesprächsbereitschaft über die Laufzeit signalisiert, jedoch schwang dabei stets die Frage der Entschädigungszahlung mit. Diese Frage erübrigt sich nun.

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