Dax-Aufsteiger mit Governance-Schwächen
Der Dax schreibt am kommenden Montag Geschichte. Nur knapp zwölf Wochen nach ihrem Neustart auf dem Handelsparkett wird die Porsche AG an diesem Tag in die deutsche Börsenoberliga aufsteigen. In Deutschland ist es einem Unternehmen zuvor noch nie so schnell gelungen, nach einem Börsengang in den Leitindex aufgenommen zu werden. Für den Sportwagenbauer aus Stuttgart-Zuffenhausen ist es fünf Tage vor Heiligabend eine vorgezogene Bescherung der besonderen Art. Denn maßgeblich für den schwungvollen Direkteinstieg („Fast Entry“) unter die Top-40-Werte von Europas größter Volkswirtschaft ist die Marktkapitalisierung des Streubesitzes, wie die traditionsreiche schwäbische Edelmarke Anfang voriger Woche nach einem Beschluss der Deutschen Börse verkündete.
Und in der Tat ist das Börsen-Comeback der Porsche AG beeindruckend. Ende September kam die Aktie für 82,50 Euro an den Start. Das Umfeld war seinerzeit, und ist es noch heute, alles andere als günstig. Die Anleger sind verunsichert – erkennbar an einer hohen Volatilität. Trotz einer vom Ukraine-Krieg, einer galoppierenden Inflation und der Zinswende geprägten schwierigen Situation an den Kapitalmärkten sprang der Titel Mitte November auf über 112 Euro. Am Dienstag notierte das Papier bei 105 Euro. Das entspricht einem Kurszuwachs seit der Börsen-Rückkehr im Frühherbst von über einem Viertel. Der Anteilschein ist ein Outperformer. Zum Vergleich: Nach dem Kurssturz von Jahresbeginn bis in den Spätsommer erholte sich der Dax im gleichen Zeitraum um 18 %. Die Porsche AG bringt mit einer Marktkapitalisierung von 96 Mrd. Euro rund 27 Mrd. Euro mehr auf die Waage als ihr Mutterkonzern Volkswagen – wenn man unterstellt, dass die gehandelten stimmrechtslosen Vorzugsaktien gleich viel wert sind wie die stimmberechtigten Stämme. Der Dax-Riese aus Wolfsburg hält mit 75 % die Mehrheit an der Luxusautoschmiede.
Die Aufnahme der Porsche AG bewirkt strukturelle Einschnitte in die Zusammensetzung des Dax. Die Stuttgarter, die den Sportartikelhersteller Puma verdrängen, erhöhen das Gewicht der Automobilwerte unter den deutschen Blue Chips. Mit BMW, Continental, Daimler Truck, Mercedes-Benz, Porsche Automobil Holding SE, Volkswagen und künftig Porsche AG gehören insgesamt sieben Unternehmen aus der Branche dem Dax an. Das unterstreicht zwar die Stellung des wichtigsten Wirtschaftszweiges der Bundesrepublik, der sich mit der Elektromobilität mitten in einer Transformation befindet, macht aber den Leitindex auch anfälliger für Störungen bei den Auto- und Nutzfahrzeugherstellern sowie deren Zulieferern. 2023 kommt die befürchtete Rezession. Die schwindende Konsumlaune spiegelt sich schon im schwächelnden Neugeschäft wider.
Zwar kann sich die Porsche AG diesem allgemeinen negativen Trend aufgrund ihres Geschäftsmodells weitgehend entziehen, doch die Ausrichtung auf die gehobene, relativ preisunelastisch agierende Luxusauto-Käuferschicht ist allein noch kein Garant für eine ungebrochene Erfolgsfahrt. Das veranschaulicht aktuell die Schwäche der britischen Marke Aston Martin. Das zeigt auch die Vergangenheit der Porsche AG selbst. Wendelin Wiedeking war es, der in den 1990er Jahren die Schwaben vor dem Untergang rettete und auf die Erfolgsspur brachte. Daran knüpft der heutige Vorstandschef Oliver Blume an. Die Porsche AG und Ferrari sind die profitabelsten Autobauer der Welt. Der seit über sieben Jahren an der Spitze des Unternehmens stehende Topmanager leistet eine gute Arbeit.
Bedenklich stimmt allerdings seine Machtballung im komplexen Reich des Wolfsburger Mehrmarkenkonzerns. Blume ist seit Anfang September zugleich Vorstandsvorsitzender der Muttergesellschaft der Porsche AG. Damit schreibt der Dax mit dieser Doppelrolle auch Geschichte auf dem Gebiet der Corporate Governance. Erstmals wird ein CEO zwei Dax-Mitglieder gleichzeitig führen. Diese skurrile Konstellation ist allein dem Interesse der mächtigen Eigentümerfamilien Porsche und Piëch geschuldet, die auf diesem Feld eine gewisse Tradition pflegen. Blume mag diese Personalunion aus Effizienzgründen gutheißen, sie wirft aber erneut ein schlechtes Licht auf das Verständnis der deutsch-österreichischen Familiendynastie zur guten Unternehmensführung. Dabei sind mögliche Interessenkonflikte bei Blume noch das geringere Übel. Diese eklatante Schwäche passt nicht in eine Zeit, in der unter dem Aspekt der ESG-Kriterien institutionelle Investoren mehr denn je auf die Governance eines Emittenten achten. Für die Porsche SE birgt das ein Kursabschlagsrisiko. Dem Eigentümerclan ist das offenbar egal. Denn dieser herrscht nach dem Motto „family first“.