Der Anfang vom Ende
Noch einmal ist es Haruhiko Kuroda gelungen, die Märkte durchzuschütteln. Vor zehn Jahren feuerte der Gouverneur der Bank of Japan seine „Bazooka“ von gewaltigen Anleihekäufen ab, später führte er ebenso unerwartet einen Negativzins und eine Steuerung der Renditekurve ein. Nun schockte der 78-Jährige mit einer Verdoppelung der oberen Grenze für die Rendite von Staatsanleihen mit einer Restlaufzeit von zehn Jahren. Diese scheinbar geringe Anpassung könnte der Anfang vom Ende der ultralockeren Geldpolitik in Japan gewesen sein. Kuroda dementierte diese Interpretation und führte technische Gründe an. Die höhere Bandbreite solle die Kontrolle der Renditekurve nachhaltiger machen und nicht eine Zinserhöhung einleiten.
Doch der japanische Notenbankchef hätte ehrlicher sein müssen. Seine unorthodoxe Geldpolitik bedarf dringend einer Normalisierung, weil ihre Kosten und Nebenwirkungen in einem weltweiten Umfeld von steigenden Zinsen untragbar für Japan geworden sind. Das Beharren der Bank of Japan auf einem Nullzins vergrößerte den Renditeabstand zu US-Staatsanleihen und drückte den Yen auf ein effektives 50-Jahres-Tief.
Die unterbewertete Währung verteuert die japanischen Importe von Brennstoffen, Nahrungsmitteln und Zulieferteilen und treibt japanisches Anlagekapital ins Ausland. Die Regierung musste mit massiven Subventionen der Energiepreise auf Pump gegenhalten und am Devisenmarkt intervenieren. Gleichzeitig konnte die Zentralbank die zehnjährige Rendite nur noch durch unlimitierte Kaufangebote in Schach halten. Seit Kurzem hält sie erstmals die Hälfte aller langfristigen staatlichen Schuldtitel. Kurodas Strategie ist eindeutig an ihre Grenzen gestoßen.
Die Heftigkeit der Bewegungen an den Aktien-, Anleihe- und Währungsmärkten beweist, welch starke Spannungen sich durch seine gegenläufige Geldpolitik aufgebaut haben. Gleichzeitig liefern diese Kursausschläge einen Vorgeschmack auf die Turbulenzen, die Japan im Falle von Zinserhöhungen drohen. Darauf ist die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt nicht vorbereitet. Im Gegenteil: Japan ist süchtig nach billigem Geld.
Der Staat stopft damit seit Jahr und Tag sein gewaltiges Haushaltsdefizit – wegen der alternden und schrumpfenden Bevölkerung ohne Aussicht auf Besserung. Und viele Bürger können sich nur dank variabler Hypothekenkredite zu Niedrigraten den Wohnungs- oder Hauskauf leisten.
Deswegen ist es keineswegs ausgemacht, dass nach dem Stabwechsel an der Spitze der Notenbank im nächsten Frühjahr tatsächlich eine Zinserhöhung auf die Tagesordnung rückt. Eine Überprüfung der Geldpolitik könnte auch zu dem Schluss kommen, nur geringfügige Anpassungen vorzunehmen, um das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten, zumal der Zinszyklus im Ausland dann seinen Höhepunkt überschritten haben dürfte.
Immerhin war es fair von Kuroda, die Korrekturen seiner Politik nicht komplett seinem Nachfolger zu überlassen. Die jetzige Anpassung dürfte dessen Start erleichtern. Eines ist jedenfalls sicher: Bis zu seiner Pensionierung Ende März war es sicher das letzte Mal, dass Meister Kuroda die Finanzmärkte auf dem falschen Fuß erwischen konnte.