Mobilitätswende

Der Traum vom Elektro-Langstrecken­flieger

Aufgrund des Klimawandels wächst der Druck auf die Luftfahrtindustrie, emissionsfreie Antriebe zu bauen. Doch reine Elektro-Langstreckenflugzeuge sind technisch nicht möglich.

Der Traum vom Elektro-Langstrecken­flieger

Von Stefan Kroneck, München

Der Druck auf die Luftfahrtindustrie aufgrund des Klimawandels wächst. Angesichts der zunehmenden Erderwärmung ist in der Hightech-Branche die Erkenntnis gereift, dass auch über den Wolken der umweltschonendere Transport von Passagieren und Waren das Motto der Zukunft sein muss. Flugzeughersteller und Triebwerkbauer wollen es vermeiden, wie die europäische Autoindustrie durch die Politik zu Getriebenen zu werden. Keine Frage, mit verschärften Emissionsgrenzwerten und dem Aus für Verbrenner von 2035 an bei Neuwagenzulassungen hat die EU erheblich dazu beigetragen, dass die Pkw-Hersteller und ihre Zulieferer die Transformation zur Elektromobilität beschleunigen.

Für die Luftfahrtindustrie existieren solche Vorgaben aus Brüssel nicht. Das hat seine Gründe. Denn Flugzeuge sind weitaus komplexere Mobilitätssysteme als Autos. Die Gesetze der Physik lassen eine Umstellung der Branche auf breiter Front von kerosin- zu batteriegetriebenen Mittel- bis Langstreckenflugzeugen in der Geschwindigkeit der Autoindustrie erst gar nicht zu. Und dennoch ist die Erwartung der Politik hoch, dass auch dieser Wirtschaftszweig sich bewegt, schließlich ist dieser für einen Großteil der in die Luft geblasenen Schadstoffe mitverantwortlich. Nach dem empfindlichen Dämpfer infolge des Coronaschocks befindet sich die Branche auf Erholungskurs. Auf lange Sicht wächst der weltweite Luftverkehr nach Expertenschätzungen über das bereits vor Ausbruch der Pandemie erreichte hohe Niveau weit hinaus. Damit steigen künftig auch wieder deutlich die CO2-Emissionen, die den Treibhauseffekt verstärken. Es besteht daher Handlungsbedarf, gegenzusteuern. Airbus und Boeing sowie die Triebwerkbauer sind sich dessen bewusst. Vor diesem Hintergrund forschen sie an alternativen (synthetischen) Kraftstoffen, verbrauchsärmeren, umweltverträglicheren Triebwerken durch den Einsatz moderner Metalllegierungen und am Gebrauch deutlich leistungsfähigerer Batteriesysteme.

Ein Trugschluss

Doch ein „Durchbruch“ auf diesen Ebenen braucht seine Zeit. Das fordert den Beteiligten viel Geduld und Forschungsmittel ab. Ein Einsatz in naher Zukunft ist kaum denkbar. Das liegt an den langen Produktentwicklungs- und -lebenszyklen in der Luftfahrtindustrie. In der Entwicklung betragen diese im Schnitt 10 bis 15 Jahre; der Lebenszyklus rund 50 Jahre. Ganz zu schweigen von den Langstreckenmaschinen, also den Interkontinentalflügen. Ohne Kerosin sind auch in weiter Zukunft solche Entfernungen ohne fossile Brennstoffe nicht zu bewältigen. Synthetische Kraftstoffe sind teuer. Ihr Einsatz dürfte sich zunächst auf Kurz- bis Mittelstreckenflugzeuge in der zivilen Luftfahrt beschränken. Vor diesem Hintergrund wird der Traum von einem reinen Elektro-Langstreckenflieger ein Traum bleiben.

Ganz anders ist die Situation bei Kleinflugzeugen im überwiegend urbanen Gebrauch. Auf diesem Feld sind eine Reihe von Start-up-Unternehmen aktiv, die sich Marktchancen ausrechnen, weil deren Geschäftsmodelle aus ihrer Sicht tragfähig sind. Dies ist insofern nachvollziehbar, da ein solcher Einsatz mit einer geringen Personenzahl mit Elektroantrieben technisch umsetzbar ist.

Allerdings sind in diesem Segment die Möglichkeiten eines rasanten, un­aufhaltsamen Wachstums be­grenzt. Denn die Lufträume von Metropolen wie Los Angeles und London lassen den gleichzeitigen Einsatz tausender solcher Flugtaxis nicht zu. Daher ist es ein Trugschluss zu vermuten, dass Flugtaxis in ähnlicher Zahl und zu ungefähr gleichen Preisen für die Nutzer auf den Markt kommen werden wie Fahrzeuge mit ihren Fahrgästen auf den Straßen einer Großstadt. Flugtaxis dieser Art werden eine Nische sein.

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