Verbraucherpreise

Deutsche erwarten hartnäckig hohe Inflation

Bundesbankpräsident Joachim Nagel warnt eindringlich davor, dass sich die hartnäckig hohe Inflation über anziehende Inflationserwartungen verfestigen könnte. Eine neue Umfrage nährt nun die Sorge vor einer neuen „Inflationsdenke“.

Deutsche erwarten hartnäckig hohe Inflation

ms Frankfurt

Die Mehrheit der Deutschen glaubt einer Umfrage zufolge nicht an eine deutliche Entspannung bei den Verbraucherpreisen. Das dürfte Sorgen schüren, dass sich die hartnäckig hohe Inflation immer stärker ins Bewusstsein der Bürger einbrennt und zu einer neuen „Inflationsdenke“ führt – mit der sich die Teuerung dann verfestigen könnte. Dagegen setzt der Chef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln, Michael Hüther, auf einen deutlichen Inflationsrückgang im Jahr 2023 – wobei er aber letztlich von weiter sehr hohen Inflationswerten ausgeht.

Die Inflation in Deutschland liegt so hoch wie seit Anfang der 1950er Jahre nicht und wird immer mehr zur Belastung für Unternehmen und Privathaushalte. Im November hatte die Teuerung überraschend deutlich nachgegeben – auf 11,3% laut EU-Berechnung und 10,0% in nationaler Rechnung (siehe Grafik). Das schürte Hoffnungen, dass das Schlimmste allmählich vorbei sein könnte. Politik und Europäische Zentralbank (EZB) stehen wegen der hohen Teuerung extrem unter Druck. Nicht zuletzt Bundesbankpräsident Joachim Nagel warnt eindringlich davor, dass sich die Inflation über anziehende Inflationserwartungen verfestigen könnte.

Laut einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov hält es nun die Hälfte (50%) der 2057 befragten Erwachsenen in Deutschland für wahrscheinlich, dass die Inflation 2023 weiter steigen wird. 28% rechnen mit Teuerungsraten auf dem hohen Niveau der vergangenen Monate. Aus Sicht von Jürgen Wache, Vorstandssprecher der Hannoverschen Volksbank, zeigen die Umfrageergebnisse, „dass sich die Teuerungsrate bereits jetzt in den Köpfen der Menschen zu verfestigen droht – mit entsprechenden Auswirkungen auf ihr Verhalten“, wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet.

Auch mit Blick auf die nächsten drei Jahre erwartet die Mehrheit der Befragten eine weiter steigende (35%) oder gleichbleibend hohe (24%) Inflation. 28% gehen in diesem Mittelfristszenario davon aus, dass die Teuerungsraten sinken werden, 12% machten dazu keine Angaben. Noch mehr als der kurzfristige Ausblick dürfte das die EZB-Notenbanker beunruhigen. Ihre Geldpolitik wirkt nach verbreiteter Einschätzung mit einer zeitlichen Verzögerung von 12 bis 24 Monaten. Wenn die Bürger nun auch auf mittlere Frist nicht an eine Rückkehr zum EZB-Inflationsziel von 2% glauben, bedeutet das de facto auch, dass sie der EZB nicht mehr vertrauen – was deren Glaubwürdigkeit und Reputation belastet.

„Dass die EZB bei 10% Inflation nur den Expansionsgrad ihrer Geldpolitik zurückgefahren hat, ohne wirklich restriktiv zu werden, hat ihre Glaubwürdigkeit schon angekratzt“, sagte Markus Demary, leitender Volkswirt und EZB-Experte am IW Köln, der Börsen-Zeitung. Wenn der EZB jetzt weiterhin nicht zugetraut werde, die Inflationsentwicklung in den Griff zu bekommen, „dann droht ein Vertrauensverlust und die Inflationserwartungen verlieren auch längerfristig ihre Verankerung“, so Demary.

Laut IW-Chef Hüther kann die EZB aber zumindest darauf hoffen, dass die Inflation 2023 deutlich zurückgehen wird. Dafür sprächen der sich zumindest abschwächende Preisdruck auf Herstellerebene, die sinkenden Öl- und Gaspreise, die Aufwertung des Euro und die bislang gemäßigten Tarifabschlüsse, wie er im Deutschlandfunk sagte. Die Inflation werde 2023 „deutlich niedriger“ sein. Dennoch erwartet er im Jahresschnitt 2023 immer noch rund 6% Inflation.

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