Ausweitung

Deutsche Industrie produziert mehr

Im November hat die deutsche Industrie die Produktion leicht hochgefahren – obwohl sich die Auftragslage unerwartet deutlich verschlechtert hat. Ökonomen führen dies auf die wieder besser funktionierenden Lieferketten zurück. Die Aussichten bleiben aber verhalten.

Deutsche Industrie produziert mehr

ba Frankfurt

Die deutsche Indus­trie hat im November trotz des unerwarteten Auftragsrückgangs die Produktion leicht ausgeweitet. Die Aussichten für den Dezember fallen indes gemischt aus. Für Zuversicht sorgen sinkende Materialengpässe, die stabile Energieversorgung und eine bessere Unternehmensstimmung. Dem gegenüber stehen ein geringerer Lkw-Verkehr, die sich abkühlende globale Wirtschaft und die Sorgen vor neuen Lockdowns in China – infolge der rasant steigenden Infektionszahlen nach der abrupten Abkehr von der Zero-Covid-Politik.

Laut vorläufigen Daten des Statistischen Bundesamts (Destatis) stellten Industrie, Bau und Energieversorger saison- und kalenderbereinigt im November 0,2% mehr her als im Vormonat. Ökonomen hatten einen Anstieg von 0,3% prognostiziert. Zudem fiel der Rückgang im Oktober mit 0,4% kräftiger aus als zunächst mit −0,1% gemeldet. Im Vergleich zum Vorjahr fiel die Fertigung um 0,4% geringer aus.

Materialmangel legt sich

„Die Industrieproduktion stabilisierte sich im November nach dem schwachen Start ins vierte Quartal“, kommentierte das Bundeswirtschaftsministerium. Die Stimmung in den Unternehmen habe sich zuletzt aufgehellt, und in den kommenden Monaten könnten langsam schwindende Materialengpässe die Industriekonjunktur weiter stützen.

Laut dem Ifo-Institut berichteten im Dezember 50,7% der Unternehmen von Lieferproblemen. Im November waren es noch 59,3%. „Eine Auflösung der Engpässe scheint sich nun in vielen Branchen abzuzeichnen“, erklärte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe zum dritten Rückgang in Folge. Dennoch, so mahnt das Wirtschaftsministerium, „bleibt der Ausblick auf die Industriekonjunktur im ersten Quartal verhalten“. Darauf deuteten die zuletzt schwachen Auftragseingänge sowie die sich abkühlende Weltwirtschaft hin. Im November waren die Neubestellungen im Monatsvergleich um 5,3% eingebrochen.

Bemerkenswert an den zu Wochenbeginn vorgelegten Daten findet LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch, „dass diese Zahlen so unauffällig sind“. Vor ein paar Monaten musste man befürchten, dass die Industriekonjunktur wegen einer drohenden Gasmangellage einknicken könnte. Dass es dazu nicht gekommen sei, zeige die bemerkenswerte Flexibilität der Industrie, die in einem erheblichen Maße zur Senkung des Gasverbrauchs beigetragen habe.

Für Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank, stehen die wieder besser funktionierenden Lieferketten im Fokus: „Die Industrie kann die aufgrund des Materialmangels liegengebliebenen Aufträge abarbeiten.“ Im Jahr 2022 legte die Industrieproduktion bis November nun in acht Monaten zu, während das im Jahr 2021 nur in fünf Monaten der Fall war. Besonders deutlich zeige sich die bessere Materialversorgung bei der Industrie im engeren Sinne, die 0,5% mehr fertigte. Die Produktion von Vorleistungs- und Investitionsgütern legte um 1,1% bzw. 0,7% zu. In den energieintensiven Industriezweigen stieg die Fertigung insgesamt um 0,2%. Für die chemischen Erzeugnisse weist das Wirtschaftsministerium ein Plus von 3,3% aus „Die Energiethematik verlor also im November auch etwas an Brisanz“, resümiert Gitzel. Während der Autosektor 5,6% mehr fertigte, bewegte sich die Produktion in den anderen Sektoren weitgehend seitwärts. „Offensichtlich halten die Unternehmen ihre Produktion trotz der nachlassenden Nachfrage stabil, um die in den vergangenen zwei Jahren aufgelaufenen Auftragsbestände nun abzubauen“, mutmaßt Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen. Bei diesen dürfte nun aber bald auch eine Trendwende einsetzen. Die Energieerzeugung legte um 3,0% zu. Die Baubranche verzeichnete ein Minus von 2,2%.

Weniger Lkw unterwegs

Eine geringere Produktion in den kommenden Monaten deutet der Lkw-Maut-Index an: Destatis zufolge waren im Dezember 4,9% weniger Lkw auf den Autobahnen unterwegs. Für den stärksten Rückgang seit April 2020, während der ersten Coronawelle, waren laut Destatis aber auch der Wintereinbruch und hohe Krankenstände ursächlich. Die grenzüberschreitenden Fahrten von und nach Deutschland gingen um 4,8% zurück.

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