Flugzeugbau

Die Grenzen der emissions­freien Luftfahrt

Bis zu einem weltweiten emissionsfreien zivilen Luftverkehr auf Mittel- und Langstrecken ist es noch ein langer, beschwerlicher Weg.

Die Grenzen der emissions­freien Luftfahrt

Nach der Autoindustrie wächst auch der Druck auf die Luftfahrtbranche, angesichts des Klimawandels schadstofffreie Antriebstechnologien zu entwickeln und künftig einzusetzen. Während die Politik den Autoherstellern vor allem in Europa ein Zeitlimit bis 2035 setzt, um von fossilen Brennstoffen völlig wegzukommen und komplett auf Elektromobilität umzuschalten, werden die Flugzeughersteller und ihre Triebwerkzulieferer auf politischer Ebene (noch) weitgehend verschont.

Aufgrund der von Treibhausgasen verursachten rasanten Erderwärmung sind aber auch in der Luftfahrtindustrie die Zeiten, in denen auf dem Feld der Forschung und Entwicklung von Zukunftstechnologien gezögert und gezaudert wurde, längst vorüber. Die Internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO hat sich selbstverpflichtend auferlegt, bis 2050 den Flugverkehr emissionsfrei zu gestalten, um die Pariser Klimaziele zu unterstützen. Das bekräftigte der Council President der in Montreal sitzenden Sonderorganisation der Vereinten Nationen, Salvatore Sciacchitano, erst kürzlich vor dem Europäischen Parlament.

Doch zwischen den Ankündigungen auf höchster Ebene und deren Umsetzbarkeit in der Praxis klafft eine große Lücke. Das betrifft sowohl die technische Weiterentwicklung von Antrieben als auch die Versorgung mit Kraftstoffen als Alternative zum herkömmlichen Kerosin. Hinzu kommt als Problem der tendenziell weiter wachsende Luftverkehr mit dem Transport von Passagieren und von Waren. Was nutzen all die schönen Versprechungen, wenn schon infolge dieses Wachstums mit hoher Wahrscheinlichkeit die Ziele gar nicht erreicht werden können? Selbst kleine Fortschritte werden dadurch zunichtegemacht. Schlussendlich dürften die Schadstoffemissionen der Airlines im laufenden und im nächsten Jahrzehnt im Zeitalter der Globalisierung sogar deutlich zunehmen nach dem kurzen Rückgang 2020 aufgrund der Corona-Pandemie. Eine nachhaltige Reduktion des Flugverkehrs ist politisch kaum durchsetzbar.

Festzuhalten bleibt, dass auf dem Gebiet der Technik bereits deutliche Verbesserungen erreicht wurden, wie das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betont. Der Kraftstoffverbrauch pro Flugzeug verringerte sich seit 1990 nach Angaben der ICAO um rund zwei Drittel. Dazu trugen moderne Kurz- und Mittelstreckenmaschinen vom Airbus-Typ A320neo bei. Doch was nützt diese Effizienzsteigerung dem Klimaschutz, wenn der globale Luftverkehr unvermindert steigt? Unter dem Strich nichts. Das zeigt, dass die Vision vom grünen Luftverkehr schnell an ihre Grenzen stößt. Nach Schätzungen von Fachleuten ist das Fliegen zwischen 3 und 7% am weltweiten CO2-Ausstoß beteiligt. Hinzu kommen schädliche Auswirkungen durch Stickoxide, Ruß und Kondensstreifen.

Ein Königsweg aus Sicht von Forschern wäre, konsequent bei der Entwicklung von modernen Antrieben und Kraftstoffen mehrgleisig zu fahren – frei nach dem Motto: Konkurrenz belebt das Geschäft und das Tempo der Transformation. Diesen Weg schlägt die Luftfahrtindustrie auch ein. Hierzu einige Beispiele: Unter Teilnahme der Triebwerkbauer MTU Aero Engines und Pratt & Whitney sowie Airbus forscht die Branche an noch verbrauchseffizienteren Flugzeugtriebwerken. Dabei geht es im Kern um die Weiterentwicklung eines Getriebefans mit modernen Metalllegierungen. Parallel dazu arbeitet MTU im Rahmen von Forschungskooperationen (Bauhaus Luftfahrt, DLR) an gasturbinenbasierten Antrieben, welche die aerodynamischen Anforderungen des Fliegens erfüllen wie herkömmliche Triebwerke. Ziel ist, dass dabei vollständig emissionsfreie Kraftstoffe, sogenannte Sustainable Aviation Fuels (SAFs), eingesetzt werden. Airbus entwickelt derweil ein wasserstoffbetriebenes Brennstoffzellen-Triebwerk.

Wer allerdings erwartet, dass diese Konzepte in abseh­barer Zeit in Großserien zum Einsatz kommen, sieht sich getäuscht. Dafür gibt es drei Gründe. Erstens: Die Forschung befindet sich erst am Anfang. Zweitens: Die Produktion von SAFs ist aufwendig und sehr teuer. Die Frage steht im Raum, ob es aufgrund einer wachsenden Weltbevölkerung bei kritischer Ernährungslage in Entwicklungsländern Sinn hat, diese alternativen Mittel auf Basis von Biomasse zu fertigen. Drittens: Grüner Wasserstoff ist nur begrenzt verfügbar. Hinzu kommen die langen Lebenszyklen von Flugzeugen und zeitraubende Zulassungsverfahren der Aufsichtsbehörden. Dadurch ist ein revolutionärer Wandel der Branche bis Mitte dieses Jahrhunderts unrealistisch. Wer, wie die ICAO, daran festhält, irrt.

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