Euro-Inflation heizt EZB-Debatte an
ms/mpi Frankfurt
Die Inflation im Euroraum ist im März deutlich zurückgegangen – und das sogar stärker als erwartet von zuvor 8,5% auf 6,9%. Zugleich legte aber die sogenannte Kerninflation, die die schwankungsanfälligen Preise für Energie und Lebensmittel ausklammert, weiter zu und erreichte mit 5,7% abermals ein Rekordhoch. Das sind gemischte Signale für die Euro-Notenbanker, die derzeit zunehmend intensiv um ihren weiteren Zinskurs ringen. Dabei mehren sich die Signale für weitere Zinserhöhungen. Von außen kam zum Wochenausklang Druck in diese Richtung – auch aus dem direkten Umfeld der Bundesregierung.
Wie stark steigen die Zinsen?
Angesichts der weiter viel zu hohen Inflation hatte die Europäische Zentralbank (EZB) Mitte März ihre Leitzinsen wie zuvor avisiert erneut um 50 Basispunkte angehoben – und das trotz verbreiteter Sorgen vor einer neuen Finanzkrise. Zugleich strich sie aber die Forward Guidance, mit der sie nach den vorherigen Zinserhöhungen stets weitere Schritte in Aussicht gestellt hatte. EZB-Präsidentin Christine Lagarde sagte indes, dass weitere Zinserhöhungen möglich seien, wenn sich die Finanzturbulenzen beruhigten. Seitdem ringen die Notenbanker auf offener Bühne um den weiteren Kurs. Seit Juli hat die EZB ihre Leitzinsen um 350 Basispunkte erhöht – was seit der Euro-Einführung beispiellos ist.
Die neuen Inflationsdaten waren deshalb nun mit besonderer Spannung erwartet worden. Volkswirte hatten in einer Bloomberg-Umfrage im Median mit einem Rückgang auf 7,1% gerechnet. Jetzt fiel der Rückgang sogar noch deutlicher aus. Bereits am Donnerstag hatte das Statistische Bundesamt für die Teuerungsrate in der Bundesrepublik einen starken Rückgang vermeldet (vgl. BZ vom 31. März). Im Oktober vergangenen Jahres hatte die Euro-Inflation noch bei 10,6% ihren Höhepunkt erreicht. Die EZB strebt mittelfristig einen Wert von 2,0% an.
Der Rückgang der Inflationsrate ist allerdings trügerisch. Denn sie sank nun im Wesentlichen aufgrund von sogenannten Basiseffekten bei den Energiepreisen. Das heißt konkret: Da der russische Angriffskrieg auf die Ukraine inzwischen über ein Jahr zurückliegt, werden die aktuellen Inflationszahlen mit einem Zeitraum kurz nach Beginn des Krieges – März 2022 – verglichen, als die Energiekrise an Fahrt aufnahm und die Preise für Energie deutlich gestiegen waren. Die Kerninflation stieg dagegen sogar von 5,6% auf 5,7%. Treiber der Inflation waren die weiter steigenden Lebensmittelpreise, aber auch die Preiserhöhungen im Dienstleistungssektor, die sich in der höheren Kerninflation bemerkbar machen.
„Die unterliegende Inflation ist sehr hoch, ohne dass eine nachhaltige Entspannung in Sicht wäre“, sagte am Freitag Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. „Die EZB ist zu Recht beunruhigt. Sie sollte ihre Leitzinsen weiter anheben.“
Am Freitag betonte auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf einer Veranstaltung in Florenz vor allem die Kerninflation. „Dieser Teil ist immer noch deutlich zu hoch“, sagte Lagarde. „Daher wissen wir, dass wir eine Wegstrecke zu gehen haben.“ Auch Frankreichs Notenbankchef François Villeroy de Galhau erklärte am Freitag, dass sich die EZB im Kampf gegen die hohe Inflation noch nicht zurücklehnen könne.
Der ehemalige italienische Ministerpräsident Mario Monti sagte, frühere Fehler der EZB bedeuteten, dass sie sich jetzt nicht erlauben könne, bei der Inflationsbekämpfung schwach zu erscheinen. „Die EZB sowie die großen Zentralbanken der Welt kommen aus einer Zeit, in der sie einen erheblichen Teil ihrer Glaubwürdigkeit verloren haben, weil sie die Inflation nicht früh genug kommen sahen“, sagte er in einem Interview.
Der oberste Wirtschaftsberater von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), der Ökonom Lars Feld, schrieb in einem Beitrag für Project Syndicate, dass die heute hohe Inflation in Euroland und auch den USA eine Folge dessen sei, dass „zu viel Geld hinter zu wenigen Gütern und Dienstleistungen her ist“. Schlimmer noch sei, dass es viele Gründe gebe zu befürchten, dass sich die Inflation als hartnäckiger erweisen könnte, als viele Marktteilnehmer aktuell antizipieren.