Teuerung

Euro-Inflation überrascht positiv

Der EZB-Rat kommt am Donnerstag zu seiner ersten Zinssitzung im neuen Jahr zusammen. Eine neuerliche Zinserhöhung um 50 Basispunkte gilt als ausgemachte Sache. Der weitere Kurs ist aber zunehmend umstritten – auch im EZB-Rat selbst. Ein neuerlicher deutlicher Rückgang der Inflation befeuert die Diskussion nun.

Euro-Inflation überrascht positiv

Einen Tag vor der mit Spannung erwarteten EZB-Zinssitzung am Donnerstag hat es eine weitere positive Überraschung von der In­flationsseite gegeben. Die Teuerung im Euroraum ging im Januar erneut deutlich und auch wieder stärker als erwartet von zuvor 9,2% auf 8,5% zurück, wie Eurostat am Mittwoch in einer ersten Schätzung mitteilte. Zwar gilt eine neuerliche Zinserhöhung am Donnerstag um 50 Basispunkte trotzdem als ausgemacht. Die neuen Daten dürften aber auch im EZB-Rat die Debatte über einen künftig weniger aggressiven Zinskurs befeuern. Die Daten enthalten allerdings durchaus gemischte Signale und sie sind zudem dieses Mal mit großer Unsicherheit behaftet.

Der EZB-Rat kommt am Donnerstag zu seiner ersten Zinssitzung im neuen Jahr zusammen. Mitte Dezember hatte der Rat die Märkte überrascht, als er mehr Zinserhöhungen als zuvor avisiert und auch länger als erwartet hohe Zinsen in Aussicht stellte. Konkret signalisierte EZB-Präsidentin Christine La­garde insbesondere für Februar und März erneut Zinserhöhungen um jeweils 50 Basispunkte. Einige Euro-Notenbanker liebäugeln aber mit einer Drosselung des Zinserhöhungstempos – womöglich schon im März. Hintergrund sind der deutliche Rückgang der Euro-Inflation und die merkliche Abschwächung der Euro-Konjunktur.

Der Rückgang der Euro-Inflation im Januar übertraf nun erneut die Erwartungen. Volkswirte hatten im Mittel mit einer Teuerung von 9,0% gerechnet. Hintergrund für den Rückgang war insbesondere die Entwicklung bei den Energiepreisen. Sie stiegen im Vorjahresvergleich um 17,2% – nach 25,5% im Dezember. „Auf dem Weg zu sinkenden Inflationsraten ist das heutige Ergebnis ein Meilenstein. Der Inflationsgipfel liegt hinter uns“, sagte Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank.

Tatsächlich werden in den nächsten Monaten nicht zuletzt wegen positiver Basiseffekte bei den Energiepreisen weiter deutlich sinkende Inflationsraten erwartet. Jörg Angelé, Senior Economist bei Bantleon, hält sogar schon Ende 2023 wieder eine Rate von etwa 2,0% für wahrscheinlich. Die EZB strebt mittelfristig eine Inflationsrate von 2,0% an.

Die Befürworter einer eher lockeren Geldpolitik im EZB-Rat („Tauben“) dürften diese Aussicht zunehmend als Argument dafür nehmen, die Zinsen weniger stark als im vergangenen Halbjahr und auch weniger dynamisch als avisiert zu erhöhen. Seit Juli hat der EZB-Rat die Leitzinsen um 250 Basispunkte erhöht – so aggressiv wie nie seit Einführung des Euro 1999. Zugleich beginnt das Eurosystem ab März mit dem Abbau seiner durch die Anleihekäufe extrem aufgeblähten Bilanz.

Allerdings sehen viele Ökonomen noch keinen Grund zur Entwarnung und die neuen Daten mahnen tatsächlich auch zur Vorsicht. Die Inflation ist immer noch sehr weit vom Zielwert entfernt und sie wird aktuell auch durch staatliche Maßnahmen gegen die hohen Energiekosten gedämpft. Insbesondere aber verharrte die Kerninflation ohne Energie und Lebensmittel auf dem im Dezember erreichten Rekordwert von 5,2%. Die Kernrate gilt als besserer Gradmesser für den zugrundeliegenden Preisdruck in einer Volkswirtschaft. „Der Energiepreisanstieg des Vorjahres wälzt sich jetzt durch alle möglichen sonstigen Gütergruppen und hält die Inflationsrate damit erst einmal hoch“, sagte Jens-Oliver Niklasch, Senior Economist bei der LBBW. Tatsächlich argumentieren die „Falken“ im EZB-Rat sehr stark mit der Kernrate.

Was nun die weitere Entwicklung der Kernrate betrifft, gehen die Einschätzungen durchaus auseinander. So prognostiziert Bantleon-Ökonom Angelé, dass auch die Kernrate in absehbarer Zeit ihr zyklisches Hoch erreichen werde, bevor sie in der zweiten Jahreshälfte erkennbar sinkt. Mit Blick auf den Januar hätten wohl Abweichungen vom Saisonmuster bei den Preisen für Bekleidungsartikel dafür gesorgt, dass es nicht zu einem Rückgang gekommen sei.

Dagegen betonte Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW, dass die Kernrate 2023 hartnäckig hoch bleiben werde. Grund dafür seien verbesserte Konjunkturaussichten, der enge Arbeitsmarkt, hohe Lohnforderungen und ein hoher Anteil europäischer Unternehmen, die mit weiter steigenden Verkaufspreisen rechneten. Laut Christoph Weil, Volkswirt bei der Commerzbank, ist die Kernteuerung im Januar nur deshalb nicht gestiegen, weil der übliche Rückgang der Preise für Pauschalreisen zu Jahresbeginn mit einem etwa doppelt so hohen Gewicht in die Berechnungen eingegangen sei wie im Januar 2022, was die Kernrate für sich genommen mutmaßlich um etwa 0,1 Prozentpunkte gedrückt habe. Hintergrund ist eine turnus­gemäße Revision der Statistik und Umstellung des Warenkorbs, die auch die Interpretation der Daten in diesem Monat erschwert.

Hinzu kommt zudem, dass die Unsicherheit über die Erstschätzung noch einmal größer ist als sonst, weil Eurostat für Deutschland keine Daten vorlagen und die Statistiker deswegen nur eine Schätzung einfließen ließen. Das Statistische Bundesamt hatte die für Dienstag geplante Veröffentlichung einer ersten Schätzung wegen technischer Probleme auf nächste Woche verschoben.

Eurostat veröffentlichte seine Schätzung für Deutschland nun nicht. Anhand der Zahlen der übrigen Euro-Länder geht Angelé aber davon aus, dass sie bei 8,6% liegt. Es ist aber möglich, dass die von Destatis ermittelte Inflationsrate hiervon deutlich abweicht – mit entsprechenden Auswirkungen auf den endgültigen Wert für den Euroraum.

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