Going Private
Die Private-Equity-Gesellschaft KKR fasst einen Kraftakt ins Auge: die größte Übernahme mit geplantem Abschied von der Börse in der deutschen Unternehmensgeschichte. Zusammen mit Vodafone will der erfahrene Telekominvestor deren Funkturmtochter Vantage Towers von der Börse nehmen – nur eineinhalb Jahre nach dem IPO, das hier in Frankfurt das größte des Jahres 2021 war.
Der Finanzinvestor nutzt – im doppelten Sinne – die Gunst der Stunde. Denn die zinssensiblen Funkturmgesellschaften sind in der Bewertung von ihren Höchstständen zurückgekommen, wie auch die börsennotierten Wettbewerber von Vantage, Cellnex und Inwit, zeigen. Damit profitiert KKR nicht nur vom Kursrückgang der Vantage-Aktie, sondern auch gleich von der Schwäche strategischer Konkurrenz im Bietgefecht. Insbesondere die Aktie des spanischen Branchenprimus hat gegenüber ihrem 52-Wochen-Hoch rund ein Drittel an Wert verloren. Das hat auch zur Folge, dass die Standardwährung, die das akquisitionsfreudige Unternehmen bei Zukäufen regelmäßig einsetzt, ihren Charme einbüßt. Cellnex hat ihren Akquisitionsfeldzug daher kürzlich für beendet erklärt. Auch beim Verkauf der Funktürme der Deutschen Telekom hatte Private Equity bereits die Nase vorn. Die GD Towers gingen an Brookfield und Digital Bridge. KKR war hier leer ausgegangen, hat die Scharte aber nun schnell ausgewetzt.
Die von den europäischen Telekomkonzernen vor einigen Jahren begonnene Trennung von passiver Infrastruktur hat den Finanzinvestoren ein Comeback beschert, in einer Branche, die sie zuvor über ein Jahrzehnt eher gescheut hatten. Denn ein scharfer Wettbewerb, Druck auf die Cashflows und eine europäische Wettbewerbsbehörde, die Konsolidierungsmöglichkeiten in der Branche zunehmend streng begrenzt hat, hatten die Renditechancen für die Beteiligungsgesellschaften begrenzt. Das sieht bei Telekominfrastruktur anders aus. Tower Companies, Glasfaser, Datencenter sind Assets, die mit stetigem Wachstum und soliden Cashflows locken und die auch in einem krisenhaften Umfeld beleihungsfähig sind. Dies ist ein Umstand, der die derzeit größte Schwachstelle von Private Equity ausgleicht: die Verteuerung von Fremdkapital und das gestiegene Risikobewusstsein von Kreditinstituten.
Hinzu kommt, dass den Telekomnetzbetreibern aufgrund des schwachen Börsenklimas ein zuvor üblicher „Dual Track“ bei der Trennung von Geschäftsbereichen verwehrt ist. Ein IPO, um Geld einzutreiben, ist derzeit praktisch unmöglich. Vodafone hatte mit der zügig durchgezogenen Abspaltung und dem anschließenden Börsengang von Vantage Towers noch das richtige Timing bewiesen. An der 2021 sehr aufnahmefähigen Frankfurter Börse sammelte der britische Mobilfunkriese damals 2,3 Mrd. Euro ein. Nun macht der Konzern nochmals Kasse, wenn das Konsortium um KKR am Ende die Hälfte an Vantage Towers übernimmt, deren Wert nun rund 4 Mrd. Euro höher angesetzt wird als beim IPO. Allerdings müssen die Beteiligten mit dem Restrisiko eines möglicherweise teuren Squeeze-out umgehen. Nach der Kurskorrektur an den Börsen dürfte der Streubesitz zwar derzeit generell geneigt sein, sich gegen eine attraktive Prämie von den Aktien zu trennen. Aber um den Preis wird dennoch gerungen.
Ob diese Spielart eines zweistufigen Verkaufsverfahrens am Ende für Vodafone von Vorteil ist, muss sich noch zeigen. Das Gros der Telekomfirmen gibt nicht erst, seitdem der IPO-Markt geschlossen ist, einem unmittelbaren „Going Private“ den Vorzug. Um dabei Bewertung und Erlös zu maximieren, sind insbesondere die Käufer aus dem Private-Equity-Lager allerdings nicht mit Minderheitshäppchen zufrieden. Sie bevorzugen die Mehrheitsübernahme. Der Schritt ist für die Telekomnetzbetreiber nicht ohne Risiko. Ein Blick in die USA lehrt sie die Schattenseiten des Kontrollverlusts in der Wertschöpfungskette an dieser Stelle: Denn die dortigen Tower Companies treiben ihre eigene Wertentwicklung erfolgreich mit ausgefeiltem Geschäftsmodell und hohen Leasinggebühren voran, die für die Telekomfirmen eine wachsende Bürde sind.
Den großen Playern in Europa sollte das eine Lehre sein. Die Mehrheit abzutreten hat auch den Charme der Entkonsolidierung von Schulden, die Finanzinvestoren diesen Assets aufbürden. Dennoch gilt es, das eigene Geschäft in langfristigen Verträgen zu sichern – und gegebenenfalls auch eine Rückkaufoption zu vereinbaren. Letzteres ist eine Chance, die sich auch speziell bei den Eigentümern auf Zeit bietet.