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Hybridanleihen von Immobilienkonzernen machen Investoren nervös

Der rapide Zinsanstieg wirkt sich nicht nur in der Bewertung von Immobilienbeständen und bei neuen Finanzierungen aus. Investoren schauen auch genauer auf die Passivseite der Bilanz.

Hybridanleihen von Immobilienkonzernen machen Investoren nervös

Von Helmut Kipp, Frankfurt

Mit der Ankündigung, im Januar auf die Rückzahlung einer ewigen Anleihe zu verzichten, hat der Immobilienkonzern Aroundtown Kapitalmarktakteure aufgeschreckt. Die Folge ist, dass Investoren branchenweit einen genaueren Blick auf die Passivseite der Unternehmensbilanzen werfen. Im Fokus stehen Hybridanleihen oder Perpetuals. Also Wertpapiere, die vom Ursprung her Fremdkapital darstellen, aber so ausgestaltet sind, dass sie eigenkapitalähnliche Züge aufweisen.

In Zeiten des billigen Geldes wurden Ewigläufer kaum als Risikofaktor wahrgenommen. Für Emittenten waren sie eine willkommene Option, sich frisches Kapital zu beschaffen, ohne die Aktionäre zur Kasse zu bitten oder die Beteiligungshöhe der Eigentümer durch eine Kapitalerhöhung ohne Bezugsrecht zu verwässern. Manche Unternehmen haben davon rege Gebrauch gemacht.

Aroundtown und ihre Wohnungstochter Grand City Properties haben ein umfängliches Volumen von insgesamt 4,7 Mrd. Euro ausstehen, aber auch die vom tschechischen Milliardär Radovan Vítek kontrollierte CPI Property Group, die zuletzt mit dem Erwerb der österreichischen Immobilienkonzerne Immofinanz und S Immo Furore machte, oder die schwedischen Gesellschaften Heimstaden Bostad, SBB (Samhällsbyggnadsbolaget i Norden) und Castellum sind in diesem Finanzierungssegment substanziell vertreten.

Auch außerhalb des Immobiliensektors kommen Hybrids zum Einsatz. So hat Volkswagen International Finance zehn Endlosläufer im Emissionsvolumen von 13,9 Mrd. Euro ausstehen. Zuletzt trat die VW-Gesellschaft Ende März 2022 als Hybrid-Emittent auf, als zwei Tranchen im Gesamtvolumen von 2,25 Mrd. Euro platziert wurden. Der 2017 begebene Hybridbond über 1,5 Mrd. Euro wurde gerade zum ersten Call-Termin zurückgezahlt.

Nachrangige Wertpapiere

Die Bedingungen einzelner Hybrids können große Unterschiede aufweisen. Gemeinsam ist ihnen, dass sie eine unendliche oder extrem lange Laufzeit haben. Die Zinszahlung kann ausfallen oder verschoben werden. Vor allem sind die Wertpapiere nachrangig. Ihre Besitzer sind also im Falle eines Konkurses erst nach anderen Gläubigern an der Reihe, was in den meisten Fällen bedeutet, dass sie dann mehr oder minder leer ausgehen. Unternehmen können die Papiere vorzeitig kündigen, müssen es aber nicht.

Zahlen sie nicht zum frühestmöglichen Zeitpunkt zurück, steigt häufig der Zinssatz. Im Falle des Aroundtown-Perpetuals mit Call-Termin 20. Januar 2023 erhöht sich der Kupon von 3,75 % auf 4,375 % plus Fünf-Jahres-Swapsatz. Letzterer lag gegen Monatsanfang bei 2,6 %, so dass der Zins auf etwa 7 % steigt. Für einen neuen Perpetual hätte Aroundtown wohl noch erheblich mehr Zinsen bieten müssen.

Den fälligen Zinsdienst will Aroundtown aber leisten. Der Verwaltungsrat habe beschlossen, von der Option, Kupons zu verschieben, keinen Gebrauch zu machen, teilte das in Luxemburg ansässige und im MDax vertretene Unternehmen unlängst mit. Diese Klarstellung betrifft die unbefristeten Anleihen mit Zinstermin im Dezember 2022 bzw. Januar 2023.

Einheitliches Schema

Die Notierungen der Ewigläufer im Immobiliensektor sind infolge des schnellen Zinsanstiegs und des abnehmenden Risikoappetits von Investoren eingebrochen. Häufig haben sich die Kurse binnen eines Jahres halbiert oder sind noch stärker gefallen. „Die Debatte über den Umgang mit Hybriden gibt es in der Immobranche schon ewig“, zitiert die Nachrichtenagentur Bloomberg den Mitgründer des Immobilien-Investors Icamap Advisory, Harm Meijer. „In einem Bullenmarkt ist das allen egal, in einem Bärenmarkt wird es plötzlich wichtig.“

Der Stimmungswandel hat auch mit der Einstufung der Epra (European Public Real Estate Association) zu tun. Diese Organisation entwickelt einheitliche Regeln für die Finanzberichterstattung der Branche. Im März veröffentlichte Epra ihren Standard für die Berechnung des Verschuldungsgrads (Loan to Value, kurz LtV), eine für börsennotierte Immobiliengesellschaften zentrale Kennzahl. Bisher gebe es nämlich kein einheitliches Schema für die LtV-Berechnung, so Epra Daher seien die jeweiligen Angaben gelisteter Immobilienfirmen nicht vergleichbar, was den Bedürfnissen von Investoren und Analysten zuwiderläuft.

Gemäß Epra gelten Hybridanleihen als Fremdkapital, werden also in voller Höhe den Schulden zugeschlagen. Die Folge: Die Verschuldungsquoten von Unternehmen, die Ewigläufer begeben haben, springen in die Höhe. Der Aroundtown-LtV beispielsweise steigt von moderaten 40 % des Immobilienvermögens auf üppige 54 %. Auch bei Grand City wird der nach Epra-Regeln berechnete LtV über dem bisher genannten Wert von 35 % liegen. Veröffentlichen will der Wohnungskonzern die neue Kennzahl erstmals mit dem Geschäftsbericht 2022.

Die Ratingagentur Moody’s gibt allerdings Entwarnung: Sie hat ihre Einstufung für Grand City („Baa1“) gerade bestätigt. Der Ausblick sei stabil. Moody’s verweist auf den begrenzten Refinanzierungsbedarf. Daher werden die erhöhten Kapitalkosten und der künftige Anstieg der Hybrid-Kupons nicht als wesentliche Beeinträchtigung gewertet.

Der Epra-Standard trifft die Unternehmen zu einem heiklen Zeitpunkt. Denn der rapide Zinsanstieg hat die lange Hausse der Immobilienmärkte beendet. Nun geraten die Bestandsbewertungen unter Druck. Reihenweise versuchen Unternehmen, Immobilien zu veräußern, um ihre Schuldenlast zu senken. Doch es fehlen Kaufwillige, die bereit sind, die geforderten Preise zu zahlen.

Grundlegend anders fällt die bilanzielle Einstufung der Hybrids aus. Gemäß dem IFRS-Standard gelten Perpetuals nämlich als Eigenkapital. Auch bei Bond-Covenants würden sie zu 100 % als Eigenkapital betrachtet, versichert Aroundtown. Einer dritten Variante folgen Ratingagenturen: S&P erkennt Perpetuals zur Hälfte als Eigenkapital an, die andere Hälfte zählt als Schulden.

Keine Covenants

Die reservierte Haltung von Investoren zum Hybrid-Exposure lässt sich auch am Abstand des Aktienkurses zum inneren Wert (Net Tangible Assets) ablesen, der allerdings von vielen anderen Faktoren ebenfalls beeinflusst wird. Bei Aroundtown erreicht der Abschlag ungewöhnlich hohe 80 %. Die schwedische SBB ist vor Monaten sogar ins Visier des britischen Leerverkäufers Fraser Perring geraten, der durch seine Attacken auf den Wohnimmobilienkonzern Adler Group und den Zahlungsdienstleister Wirecard bekannt ist. Der Shortseller warf SBB unter anderem vor, Anlegern ein falsches Gefühl der Sicherheit zu vermitteln, da hybride Wertpapiere beim LtV außen vor blieben.

Der Aroundtown-Konzern, hinter dem der israelische Investor Yakir Gabay steht, verteidigt seine Finanzierungsstrategie. Im Vergleich zu regulärem Eigenkapital seien Perpetuals billiger und im Vergleich zu Fremdkapital böten sie ein Liquiditätspolster, ähnlich wie reguläres Eigenkapital. Perpetuals hätten keine Covenants und kein Rückzahlungsdatum. Kuponzahlungen und Tilgung könnten auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Die Rückzahlung liege im alleinigen Ermessen des Unternehmens, Hybridhalter haben also keine Put-Option.

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